Grosser Sport beginnt mit kleinen Schritten
Ein Gastbeitrag von Thomas Renggli*

Die Beweglichkeit ist das A und O beim Laufen: Schnelle Schülerinnen am Hallwilerseelauf 2014. Foto: Dominik Baur (Photopress, Keystone)
Auf den Kinderspielplätzen in der modernen Leistungsgesellschaft wird nicht nur Fangen und Verstecken gespielt. Es findet auch die erste sportliche Selektion statt – sei es mit dem Hockeyschläger oder Fussball, oder wenn der Nachwuchs auf einem Hindernisparcours oder mit dem Velo im spielerischen Wettkampf seine Schnelligkeit testet. Als Eltern ist man über den Bewegungsdrang der Kleinen natürlich verzückt – gleichzeitig ertappt man sich dabei, dass die Freude dann am grössten ist, wenn die eigenen Kinder am schnellsten sind.
Leider ist in unserer Siedlung in der Zürcher Agglomeration nichts zu machen. Die sportlichen Meriten gehören der 9-jährigen Rebeca. Am jährlichen Gemeindefest gewann sie den Wettbewerb über die 80 Meter hochüberlegen – und selbst auf kantonaler Piste lief sie aufs Podest. Spätestens – so die sportliche Hochrechnung ihrer Eltern – an den Olympischen Sommerspielen 2028 müsste sie der Schweizer Leichtathletik auf die Sprünge helfen.
Doch wo hört der Elternstolz auf – und wo beginnt der falsche Ehrgeiz? Wir haben uns bei einem Mann erkundigt, der 1984 über 5000 Meter die Silbermedaille gewann und heute Volksläufe und Trainingswochen für ambitionierte (Hobby-)Läufer (mit-)organisiert: Markus Ryffel. Der gebürtige Berner rät bezüglich Ausdauersport bei Kindern zu Zurückhaltung und einer spielerischen Annäherung an den Leistungsgedanken. Seine wichtigsten Tipps:
- Kinder und Jugendliche sind keine Leistungssportler im Kleinformat. Sie brauchen spezielle Trainingsformen und viel Einfühlungsvermögen.
- Das Schlimmste sind überehrgeizige Trainer und Eltern, die ihre eigenen Ziele auf die Kinder projizieren.
- Ausdauertraining kann für Kinder langweilig sein. Es macht Sinn, die Bewegung spielerisch in den Alltag zu integrieren. Ein Schulweg zu Fuss (oder mit dem Velo) viermal am Tag ist ein ideales Basistraining.
- Abwechslung muss immer oberste Priorität haben. Kinder sollten in jedem Fall verschiedene Disziplinen ausprobieren.
- Mit Koordinations- und Beweglichkeitsübungen kann die Schnelligkeit gefördert werden. Dies ist besonders zwischen dem 7. und 13. Altersjahr sinnvoll. Das gezielte Training der Schnellkraft sollte erst während der Pubertät intensiviert werden.
- Im Kindergarten- und Schulalter ist der passive Bewegungsapparat (Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder) für harte Trainingsreize noch nicht ausreichend entwickelt. Ein dem Alter angepasstes Krafttraining beschränkt sich deshalb auf spielerische Formen und das Training mit dem eigenen Körpergewicht.
- Die Förderung der Koordination ist dagegen schon bei Kleinkindern sinnvoll. Bekundet ein Kind Mühe bei normalen Bewegungen wie dem Hüpfen, dem Rollen oder Fangen eines Balles, ist dies auf eine ungenügende Förderung in den ersten Lebensjahren zurückzuführen.
- Die Beweglichkeit ist das A und O beim Laufen. Das optimale Alter für ein Beweglichkeitstraining ist zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr.
- Alle Trainingsformen sollten die Kinder am besten in einer Gruppe absolvieren.
Was halten Sie von diesen Tipps? Und wie kanalisieren Sie den sportlichen Ehrgeiz Ihrer Kinder? Würden Sie Ihrem Nachwuchs überhaupt zu einem Einzelsport raten? Wir freuen uns auf Ihre Meinung.
5 Kommentare zu «Grosser Sport beginnt mit kleinen Schritten»
Warum eigentlich genau, wird uns unsportlich gewesenen Kindern, mit dem Leistungsgedanken (Wer ist der Schnellste, Stärkste, Ausdauerste) der Sport zum lebenslangen Feind gemacht? Wäre Gesundheit für alle nicht viel besser? Wettkämpfe nur für Talentierte ist natürlich schon ok. Als Erstklässler hatte ich in Sport eine 6 (Mitmachen genügte!) Ende Lehre eine 3 (Nur genügend Leistung erfreute) Immerhin gab es dazumale schon vereinzelt intelligente Sportlehrer. Als ich nach einem Waldlauf als Letzter ins Ziel kam, ertönte ein riesen Gelächter, aber der Lehrer sagte, man solle gefälligst die Münder halten, denn ich hätte eine viel grössere Leistung erbracht, als alle anderen zusammen. Leider habe ich das damals nur als extrem Zynisch und Gemein empfunden. Dabei hatte er mich verteidigt!
Im Buch „Leiden im Licht“ beschreibt Ariella Käslin ihre Erfahrungen im Spitzensport. Ich denke, die Ergebnisse lassen sich auf die meisten anderen Sportarten übertragen: Spitzensport kann dem Körper und der Seele schwere Schäden zufügen. – Wer das Beste für sein Kind will, animiert es zum Sport und auch zu ein bisschen Ehrgeiz. Das ständige „an die Grenzen“ gehen ist aber nicht gesund.
Grundsätzlich stimme ich mit dem Autor überein. Im Alter von 7 bis 13 Jahren lohnt sich das Training von Koordination also den technisch, anspruchsvollen Bewegungsabläufen am meisten. Ausdauer und Kraft lässt sich zwar auch trainieren. Die Ergebnisse sind aber weniger gut und Überforderungen mit körperlichen Schäden eher möglich.
Ein Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht wird immer mit einem sanften Krafttraining gleichgestellt. Je nach Übung und der Höhe des eigenen Körpergewichtes stimmt das überhaupt nicht. Beim Krafttraining ist bei jungen Athleten auf die richtige Technik zu achten. Da sie in jungem Alter technische Abläufe am besten lernen, kann es durchaus sinnvoll sein Kraftübungen mit leichten Gewichten zu machen.
Ich lese immer „Training mit dem eigenen Körpergewicht“. Weshalb soll das besser sein als ein anderes, sehr viel feiner zu dosierendes Krafttraining?
Das mit dem Beweglichkeitstraining verstehe ich gerade auch nicht. Was sollen die Kinder da trainieren? Weshalb?
Wenn ein Kind gewissenhaft mit der Violine übt, ist das ein sehr fein dosiertes Krafttraining mit (dem) eigenem Körpergewicht: Hals-, Arm-, Schulter- und Rumpfmuskulatur werden sachte aufgebaut. Beweglicheitstraining beginnt das Kind im Mutterleib, später gilt es, Fähigkeiten mit gezieltem Training zu erhalten (z.B. die Zehen zum Mund führen).