Eisklettern – das sind die grössten Gefahren
Eisklettern ist in meinen Augen die Königsdisziplin des Klettersports. Es gibt kaum eine ästhetischere Linie als die eines Eisfalls. Diese fragilen Wunderwerke der Natur faszinieren nicht nur mich, sondern auch tausend andere Leute. Doch leider hat diese Sportart ihre gefährlichen Tücken.

Björn Weber in der Mixed-Route Flying Circus auf der Breitwangfluh oberhalb von Kandersteg. Foto: Nicolas Hojac
Aus meiner Sicht ist Eisklettern kein Sport wie Felsklettern oder Bouldern. Es braucht wesentlich mehr Können und ist zudem auch gefährlicher. Nebst den objektiven Gefahren wie Lawinen, Temperatur oder Eisschlag gibt es eine subjektive Gefahr, die man sehr gut erkennen und meiden kann. Von welcher spreche ich? Genau, dem Nachsteigen!
Wenn ich als erste Seilschaft in einen Eisfall einsteige und nach uns eine zweite nachkommt, ist das äusserst gefährlich! Dass beim Eisklettern laufend Eis ausbricht, sollte jedem Eiskletterer bekannt sein. Dieses fällt aus grosser Höhe auf die untere Seilschaft und kann diese tödlich verletzen. Da nützt auch ein Helm nichts mehr. Wenn die obere Seilschaft abzuseilen beginnt, dreht sich der Spiess um und diejenige Seilschaft, die eigentlich alles richtig gemacht hat, ist plötzlich der Gefahr ausgesetzt. Nach meiner Meinung ein absolutes No-go!
Leider konnte ich in den letzten Jahren vermehrt den Trend beobachten, wie die Leute selbstbewusst als zweite, dritte oder gar vierte Seilschaft in einen Eisfall eingestiegen sind und sich wahrscheinlich keiner Gefahr bewusst waren. Ein Paradebeispiel ist das bekannte italienische Eisklettergebiet Cogne. Nicht selten tummeln sich hier bis zu sechs Seilschaften in einer Route. Auch bei uns in der Schweiz ist dies leider immer öfters anzutreffen.

Achtung, die Lawinengefahr vorher dringend prüfen! Sonst kann aus dem Traum ein Albtraum werden – oder noch schlimmer. Foto: Daniel Bleuer
Es gibt vereinzelte Fälle, bei welchen ein relativ sicheres Nachsteigen möglich ist. Beispielsweise wenn ein grosses schneebedecktes Band zwischen der oberen und unteren Seilschaft ist oder sich der Eisfall teilt und man sich daher nicht mehr im Eisschlagdelta der anderen befindet.
Eisklettern ist aus meiner Sicht leider kein massentauglicher Sport. Die Auswahl an Eisfällen ist viel geringer als die Routen beim Sportklettern. Dies wirkt sich negativ auf die Verteilung der Seilschaften aus. Daher kann es auch vorkommen, dass man, ohne den Pickel einzuschlagen, bereits den Nachhauseweg einschlagen muss. Doch wenn man immer einen Plan B im Sack hat, kann man gut ein Alternativprogramm machen, beispielsweise einen anderen Eisfall klettern oder einen Mixed-/Drytoolklettergarten aufsuchen.
Wenn ein ganzer Eiszapfen abbricht und du noch darin hängst: Diesen blanken Horror erlebten die kanadischen Profieiskletterer John Freeman und Will Gadd. (Quelle: Epic TV)
Was sind Ihre Erfahrungen und Beobachtungen beim Eisklettern?
*Nicolas Hojac ist Mitglied des SAC-Expeditionsteams. Zusammen mit seinen vier Teamkameraden bereitet er sich auf eine Expedition in das chinesische Tian-Shan-Gebirge vor. www.nicolashojac.ch
13 Kommentare zu «Eisklettern – das sind die grössten Gefahren»
Ich verstehe nicht viel von Klettern, war paar mal selbst. Aber was mich dennoch schockiert ist, dass hier viele erfahrene und auch amateur Kletterer und Bergsteiger gegen Nicolas Beitrag reden. Im Grunde genommen hat er hier am meisten Recht – das sehe sogar ich als „nicht Kletterer“. Denkt doch mal über andere Menschen nach – wenn ich doch oben bin und weiss, dass wenn ich ein Schritt tätige, jemand in der unteren Seilschaft verletzt werden könnte und wenn ich unten bin von der oberen Seilschaft ebenso verletzt werden kann, bereitet mir das Angst. Egoismus war noch nie das Richtige für so eine Leidenschaft oder Sportart – Teamwork ist das, was weiter bringt! Wo ist denn bitte die Humanität hin?!
Es ist nicht wichtig wie alt das man ist sondern wie man über Sachen denkt!
Danke Nicolas
Ich verstehe nicht viel von Klettern, war paar mal selbst. Aber was mich dennoch schockiert ist, dass hier viele erfahrene und auch amateur Kletterer und Bergsteiger gegen Nicolas Beitrag reden. Im Grunde genommen hat er hier am meisten Recht – das sehe sogar ich als „nicht Kletterer“. Denkt doch mal über andere Menschen nach – wenn ich doch oben bin und weiss, dass wenn ich ein Schritt tätige, jemand in der unteren Seilschaft verletzt werden könnte und wenn ich unten bin von der oberen Seilschaft ebenso verletzt werden kann, bereitet mir das Angst. Egoismus war noch nie das Richtige für so eine Leidenschaft oder Sportart – Teamwork ist das, was weiter bringt! Wo ist denn bitte die Humanität hin?!
Es ist nicht wichtig wie alt das man ist sondern wie man über Sachen denkt
Danke Nicolas
Ich verstehe eigentlich nicht besonders viel vom Klettern; war ein paar mal mit erfahrenen Leute dabei. Aber mich schockiert dennoch das hier viele erfahrene oder amateur Kletterer gegen Nicolas Beitrag reden, was ich wiederum nicht verstehe… Sogar ich als „nicht Kletterin“ verstehe was er sagen will und stimme ihm zu! Egoismus ist das, was man in den Bergen am wenigsten brauchen kann – TEAMWORK bringt eher weiter! Wenn ich oben bin und weiss bei jedem Schritt denn ich mache könnte jemand in der unteren Seilschaft verletzt werden und wenn ich runtersteige ebenso, dass ich nicht getroffen werde, macht mir doch Angst. Wo ist denn bitte die Humanität geblieben meine Herrschaften?
Danke Nicolas!
Danke Nicolas für deinen Beitrag. Der war längst überfällig.
Ich ärgerte mich erst vor kurzem wieder Maßlos als im Sertig zwei Dreier-Seilschaften unter uns eingestiegen sind. Ich verstehe ja das die Situation zur Zeit nicht gerade toll ist, aber dennoch so was ist einfach daneben.
Daher sind wir dann nach der Route weiter gezogen und noch etwas Mixed Klettern.
Nachstiegen im Eis ist ein absolutes No Go nicht zuletzt daher weil man damit die andere Seilschaft in Gefahr bringt. Mir könnte es ja egal sein wenn sich jemand verletzt weil ihm ein Stück Eis auf die Birne gefallen ist. Es ist mir aber nicht egal, da ich u.U. dafür verantwortlich bin.
Darüber sollte gewisse Leute sich mal Gedanken machen.
Wow! Wahnsinn! Danke für diesen Hammer informativen Beitrag.
Kerninfos:
1) Wenn Seilschaften über mir sind muss ich mit Eisschlag rechnen. (Was für ein unendlicher Erfahrungsschatz hier spricht)
2) Es gibt wenige Eisfälle daher ist Eisklettern nicht massentauglich. (Aha, dann steht also in meinen gefühlt 10 Eiskletterführern der Alpen also nur Müll; gut zu wissen)
Warum hast Du nicht nur deine Bilder gezeigt und dir die Zeit zum Schreiben des „Beitrages“ gespart. Wäre mit Sicherheit interessanter gewesen.
Wow! Was für ein bescheidener Kommentar!
Kerninfo:
1) Hagen hat den Artikel nicht verstanden
Warum nur hast du dir das Schreiben deines Kommentars nicht gespart?
Lieber Hagen Salzbrenner
Schade hast du den Artikel nicht richtig gelesen und die unten stehenden Komentare schon gar nicht. Worauf ich hinaus wollte ist, dass das Nachsteigen für beide Seilschaften ein höheres Risiko darstellt und nicht nur für die untere. Dir kann das vielleicht egal sein aber nicht den Anderen die über dir sind und dann beim Abseilen in den Genuss deines Eisschlags kommen.
Ich habe nur gesagt, dass die Auswahl an Eisfällen viel kleiner ist als die Auswahl bei Sportkletterrouten. Ich habe nie behauptet es gäbe zuwenig Eisfälle.
Bei diesem Beitrag geht es nicht um die Bilder oder um die Darstellung meiner Person. Es geht darum, dass man beim Eisklettern mal das Hirn einschaltet und nicht nur an sich denkt!
Stimme grundsätzlich überein. Was mich aber stört – du schreibst den Beitrag aus der Warte eines ~M12-Kletterers, du wirst nie das Problem haben dass du keine andere Route findest. Crack Baby schon besetzt? Easy, machen wir einfach Flying Circus.
Für uns Normalsterbliche, die eine Tour nur bei perfekten Verhältnissen klettern können, ist es Alltag, dass der Andrang riesig ist. Ohne die Gefahren herunterzuspielen, denke ich, Nachsteigen ist mit vernünftigem Risiko machbar, wenn das Eis kompakt und ausgehackt, der Fall breit und die Seilschaften rücksichtsvoll sind. Logo, auch dann ist das Restrisiko immer noch vorhanden, aber das ist es beim Eisklettern (wie auch beim Felsklettern) sowieso immer.
Wenn ich es aus deiner beschriebenen Sicht sehen würde, hätte ich diesen Artikel nie geschrieben. Vielleicht war das Beispiel Crack Baby nicht optimal gewählt. Worauf ich hinaus wollte ist, dass das Nachsteigen für beide Seilschaften ein höheres Risiko darstellt und nicht nur für die untere. Meiner Meinung nach wird das „Restrisiko“ nur unnötig erhöht. Dir kann das vielleicht egal sein aber nicht den Anderen die über dir sind und dann beim Abseilen in den Genuss deines Eisschlags kommen.
Ich schreibe das mal aus der Sicht eines M5/M6 und WI3/4 Kletterers. Also eines Durschnittskletterer
Nicolas hat recht! Wenn ich später abseile ist die mir nachsteigende Seilschaft plötzlich über mir. Ich will dieses Risiko aber nicht eingehen im Gegensatz zur anderen Seilschaft. Das ist einfach nicht fair!
Mir wurde vor über 5 Jahren beigebracht das beim Eisklettern „first come first serve“ gilt.
Und was den riesigen Andrang angeht. Wer natürlich immer erst dann los zieht, wenn jemand auf Gipfelbuch o.ä. einen Eintrag macht das es z.B. im Sertig Eis hat, ist einfach selber schuld.
Besten Dank Ivo Baumgartner!
Wie kann man an Eiszapfen klettern!? Wie leicht können die abbrechen! Ihr seid keine Eichhörnchen, vergesst das nicht. Sondern eben richtige Männer. Weitermachen.
Der Beitrag ist nicht nur gut geschrieben, sondern auch wirklich sehr informativ.
Absolut lesenswert. – Danke!