Wandernde Zaungäste
Diese Wochen von der Station Glattfelden via Kaserne Bülach und Seeb zum Flughafen Zürich (ZH)
Die Station Glattfelden liegt im Abseits, das gleichnamige Dorf, bekannt für seinen Bürger Gottfried Keller, ist weit entfernt. Macht nichts, wir bekommen zum Wanderstart dafür die Glatt. Der Fluss, zu dem wir auf einer steilen Treppe absteigen, kurvt munter durch die Gegend.
Zu neunt – eine grosse Gruppe diesmal! – wandern wir flussaufwärts. Der Nebel verleiht der Landschaft einen versponnenen Charme, feucht stehen die Weiden, nass ist das Gras. An einer Stelle ein Biotop mit Weiher, ein Baum zeigt die frischen Spuren von Biberzähnen, Hund Emil schnüffelt erregt, wo ist der Biber? Vermutlich schläft er nach der anstrengenden Nagerei.
Villa mit Laconicum
Im Westen Bülachs nehmen wir Abschied von der Glatt. Die Kaserne, die wir bald passieren, kommt uns riesig vor. Durch den Wald von Höhragen geht es Richtung Seeb. Die A51 ist zu queren, anschliessend erwartet uns eine Überraschung: der römische Gutshof von Seeb. Eine riesige Anlage war das, schliessen wir aus den vermoosten Fundamenten. Eine Infotafel erklärt alles, ich lese ein Wort, das ich später nachschlagen muss: In der Villa gab es ein «Laconicum». Eine Dampfsauna nach Art der Spartaner; dies kriegerische Volk im alten Griechenland war berühmt für seine Wortkargheit. Für seine Lakonie.
Kurz darauf sind wir in Seeb und erblicken an der Zürichstrasse den «Hecht». Wir treten ein, finden grad noch Platz, einer der langen Tische ist fast ganz frei. Der «Hecht», lese ich auf der Homepage, ist seit gut 600 Jahren eine Wirtschaft und somit eine der ältesten oder gar die älteste Wirtschaft im Kanton. Neuzeitlich ist ihr Zweitname, «Stützlifüfzg». Er stammt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Soldaten, die damals im «Hecht» tranken, zahlten für drei Bier einen Franken fünfzig, die Wirtin sprach beim Einkassieren aber stets von einem »Stützlifüfzg». Das machte die Konsumation quasi zärtlicher, auch klang der Preis bescheidener.
Die Friedenslinde
Als wir ins Freie treten, scheint die Sonne, es ist ein Geschenk. Beschwingt gehen wir nun, kommen an der Dorflinde vorbei, gepflanzt 1921 zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Ein Schwenk nach rechts, wieder über die Autobahn, und wir sind am Flughafen. Kilometerlang wandern wir in der Folge nah am Sicherheitszaun, und wer jetzt meint, das sei unromantisch, dem sei widersprochen. Erstens landen permanent Flugzeuge, was nach wie vor etwas Erregendes, etwas Abenteuerliches, ja Heroisches hat. Und zweitens ist dies eine liebevoll gepflegte Biotoplandschaft.
Deren Höhepunkt ist das Goldene Tor, ein Abstecher von 15 Minuten über ein Brücklein und leicht retour führt uns hin. Das Goldene Tor: Das ist ein aus Tiefenwasser gespiesener Weiher, aus dem es zu gewissen Zeiten mysteriös blubbert. Auch fördert er einen feinen Sand zutage, der, als man noch mit einem Federkiel schrieb, aufs Schriftstück gestreut wurde, um die Tinte zu trocknen.
Wenig später sind wir am Flughafen-Haupteingang, wo das Tram, die Busse und Postautos halten. Es dunkelt ein, Leute rollen ihr Feriengepäck ins Gebäude. Wetten, dass die meisten dieser Fernreisenden keine Ahnung vom römischen Gutshof zu Seeb, vom alten Hecht und vom Goldenen Tor haben? Sie suchen die Wunder anderswo und übersehen sie hier.
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Route: Station Glattfelden – Herrenwis – Klarenwisen – Hirslen – Jakobstal – Kaserne Bülach – Höhragen-Wald – Römischer Gutshof, Seeb – Seeb, Zürichstrasse, Gasthof Hecht – Seewis – Chrüz – Bachenbülerallmend – Gründel – Abstecher zum Goldenen Tor und retour (15 m) – Kasernenwiese – Flughafen Zürich, öffentlicher Verkehr, zentraler Eingang.
Wanderzeit: 4 3/4 Stunden, den Abstecher zum Goldenen Tor eingerechnet.
Höhendifferenz: vernachlässigbar.
Wanderkarte: 215 T Baden, 1: 50 000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Per Zug, Tram, Bus, Postauto.
Charakter: Erstaunlich wenig Hartbelag, erstaunlich viel Natur. Zuerst an der Glatt, dann querfeldein und durch den Wald, schliesslich den Flughafen Zürich entlang durch eine Biotoplandschaft. Technik und Natur in Verschränkung.
Höhepunkte: Der römische Gutshof von Seeb. Die Einkehr gleich danach im historischen, volkstümlichen «Hecht». Die ganz nah und parallel zum Wanderweg landenden Flugzeuge.
Kinder: Gut geeignet.
Hund: Gut geeignet.
Einkehr: Am Rand von Bülach z.B. bei der Kaserne. Gasthof Hecht in Seeb, Gemeinde Winkel, Mo. geschlossen (reservieren!). Und natürlich am Schluss im Flughafen.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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3 Kommentare zu «Wandernde Zaungäste»
Mir als Sportradler ist die Gegend wohlbekannt: Der Glattuferweg, der bis an den Rhein hinunter reicht, und vor allem die Panzerpiste zwischen den Kasernen Kloten und Bülach sind bestbewährtes Trainingsgelände.
Ist die Wanderung auch für Rentner (mit/ohne Rollator) gut geeignet?
Lieber Christopher. Rollator geht nicht. Hat im ersten Teil doch einige ganz kleine Höhendifferenzen drin. Ansonsten geht die Wanderung für alle normalfitten Leute. Also auch für Rentner. Sie ist auch gut kürzbar. Nun noch einmal zum Rollator: Was geht, ist der Teil von Seeb bis zum Flughafen. Er lohnt sich auch. Viel Vergnügen.