Warum es immer weniger Gelegenheitssportler gibt

Zwei Maenner in Sportmontour laufen bei Sonnenuntergang am Montag, 21. September 2015, entlang der "Oberen Waidstrasse" in Zuerich. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Zwei Gelegenheitssportler joggen mit Blick auf Zürich. Foto: Anthony Anex (Keystone)

Wussten Sie, dass 23 Prozent der Schweizer Bevölkerung joggt? Dass alle Jogger und Läufer hierzulande pro Jahr zusammengezählt 68 Millionen Stunden trainieren? Dass der Schwimmer im Schnitt an 20 Tagen im Wasser ist, der Velofahrer 60 Stunden auf dem Sattel? Dass zwei Fünftel der Schweizer Ferien verbringen, bei denen körperliche Aktivität im Mittelpunkt steht? Dass 2 Prozent den Wunsch hegen, mit Tennis anzufangen? Sportler pro Jahr und Kopf im Schnitt 2500 Franken für ihr Hobby ausgeben? Dass es keinen Stadt-Land-Unterschied bei der Sportaktivität gibt? All diese Angaben stammen aus der Studie «Sport Schweiz», die das Bundesamt für Sport eben veröffentlicht hat. 10’652 Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren wurden befragt.

Aus den Erhebungen zeichnet sich – unter anderem – ab: Früher gab es Menschen, die sich «Gelegenheitssportler» nannten. Sie joggten, schwammen, wanderten nach Lust, Laune und Wetter. Diese Gattung stirbt jetzt aus. Entweder treibt man regelmässig oder überhaupt keinen Sport.

Der Anteil der Nichtsportler in der Schweiz hat sich seit Jahren «stabil» eingependelt: Ein Viertel der Befragten beantwortet die Frage «Betreiben Sie Gymnastik, Fitness oder Sport?» mit «Nein». Einige von ihnen unternehmen gelegentlich mal eine Wanderung (vom Parkplatz zur Bergbeiz?) und sind ab und zu in der Badi anzutreffen. Als absolute Sportmuffel sehen sich die wenigsten. Drei Viertel der Nichtsportler haben früher «mit Freuden» Sport getrieben, und zwei Fünftel würden gerne wieder mit Sport beginnen, haben aber zu viele berufliche und familiäre Verpflichtungen, ergo keine Zeit und eine gute Ausrede. Das Sportgeschehen verfolgen sie am Fernsehen. Am liebsten schauen Herr und Frau Schweizer (auch die Sportlichen) Fussball, gefolgt von Ski Alpin, Tennis und Eishockey.

Aber zurück zum «aussterbenden Gelegenheitssportler». Man muss annehmen, dass er ins Lager des Regelmässigen gewechselt hat. Denn während der Anteil der Nichtsportler «stabil» bleibt, steigt jener der Sportler fröhlich an. Heute ist man nicht mehr Gelegenheitssportler, sondern «polysportiv». Man hat eine «Hauptsportart» und gehört zu einer «Kerngruppe». Das klingt toll, besonders beim Small Talk. Dennoch drängt sich die Frage auf: Was ist Sport?

Nehmen wir das Wandern. Es widerspricht grundsätzlich dem Sportgedanken. Wandern bedeutet doch in erster Linie Natur und Erlebnis. Aber bundesamtlich gilt Wandern als Sport und ist bei uns sogar Volkssport Nummer eins. 44 Prozent der Befragten geben an, diese sogenannte Lifetime-Sportart auszuüben – 6,9 Prozent mehr als bei der letzten Erhebung 2008. Eine unglaubliche Zahl, wenn man bedenkt, dass man auf den allermeisten Wanderwegen der Schweiz ziemlich einsam unterwegs ist. Doch eben. Man muss unterscheiden. Lediglich 13 Prozent gehören zur «Kerngruppe» der Wanderer. Sie sind an mindestens 14 Tagen pro Jahr mindestens 3 Stunden in den Bergen. Alle anderen (also die meisten) sind Gelegenheitswanderer. Nicht Gelegenheitssportler. Wichtig.

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20 Kommentare zu «Warum es immer weniger Gelegenheitssportler gibt»

  • Hans Knecht sagt:

    Warum es immer weniger Gelegenheitssportler gibt? Vielleicht liegt es auch zum einen daran, dass passende Turschuhe und Kleider relativ teuer, schnell verschlissen sind, der Lohn nicht dem entsprechend steigt, dafür aber die Krankenkassenprämien usw. steigen? Kommt nocht hinzu, dass bei bei der heutigen Wirtschafts-„Kultur“ viele abends und am WE keine Energie mehr haben für Sport.

    Beim „Sport“ Wandern sollte man vielleicht auch betrachten, dass viele Senioren an der wöchentlichen Senioren-Wanderausflüge teilnehmen. Das ist dann ein grosses Rudel älterer Menschen die einem begegnen und die Statistik verändern. Nicht mit einsam unterwegs sein. Welche Pfade beschreitet hier die ehrenwerte Autorin auf dass sie einsam unterweg ist?

  • Dieter Neth sagt:

    Ja, da sind sie wieder: Wahrheiten aus Erhebungen und Umfragen.Natürlich wird man die“richtige“Antwort geben.Supersportler,Teilzeitvegetarier, ausgefülltes Sexualleben fast immer glücklich und keine Geldsorgen.Wer will schon einem Fremden zugeben,ein Loser zu sein!Statistiken welche auf nicht überprüfbaren Daten beruhen sind ganz einfach wertlos.Da könnte der neue Finanzminister tatsächlich den Sparstift ansetzen.Es geht ja die Gesellschaft nichts an, ob und wie ich Sport betreibe,etc.Lasst doch die Leute einfach in Ruhe.Und damit es klar ist.Sportmuffel 100%.Mein Velo ist ein Transportmittel und zum Spass da.Dito Bergtouren.Mit und ohne Hund,mit und ohne Weg.Hab nicht mal Turnschuhe oder Trainer.Aber ich bin gerne draussen unterwegs,aber das Landschaftserlebnis steht im Vordergrund

    • Paul Brun sagt:

      Sie denken viel zu schwarz-weiss. Typischerweise sind es die Journalisten, welche praktisch immer einen Fehler machen. Die „Statistiker“ übertreiben nur ein wenig.
      Was Sie sagen stimmt überhaupt nicht: nur weil die Menschen bisweilen bei Befragungen lügen (weniger als sie denken), bedeutet das noch lange nicht, dass die Statisitk wertlos ist. Man kann Statistiken auch trauen.
      Man muss nur selbst überlegen können… Statistiken lügen nie, nur interpretieren die Wissenschaflter gerne so, dass es möglichst interessante Ergebnisse gibt. Deren Bericht peppt dann der Journalist nochmals auf (inkl. Fehler). Der Werber, der den Titel macht, nochmals. Wenn also die Jugendlichen bei der Sexfrage weniger lügen/übertreiben: „Konservativer Gesellschaftswandel“ oder „Junge kein Bock zu bocken“

  • Markus Schneider sagt:

    Echte Sportler gehen zu Fuss oder fahren Velo, und zwar an einen Ort wo sie wirklich hinmüssen. Alles andere ist doch sinnloser Quatsch, der niemandem was bringt ausser den Leuten, welche die Werbung auf den Banden und auf den Leibchen verkaufen.

  • Jan sagt:

    Ich bewege mich einfach gerne. Da mache ich keinen Unterschied zwischen dem frühmorgendlichen einstündigen Fussmarsch mit meinem Hund und gelegentlichem Jogging, Schwimmen oder Rennvelofahren oder einem Spaziergang mit Hund und Frau. Bergwanderungen können intensive sein, oder auch mal nur von der Sunnegga zu Vroni, wo wir den Nachmittag auf der Terrasse mit einer Pulle Heida abhängen und dann abends noch nach Zermatt runter bummeln. Das macht mich wohl zu einem statistischem Alptraum?

  • Franziska sagt:

    Nein, nein – die Gelegenheits- oder „Genusssportler“ sterben nicht aus. Sie getrauen sich nur nicht mehr, sich als sportlich aktiv zu bezeichnen. Wenn man nur diese Kommentare hier liest, wird uns schlecht.. Wir gehen Skifahren, weil wir gerne draussen an der Sonne sind und bei körperlicher Bewegung die Natur geniessen, wandern dito, schwimmen dito, reiten dito, tauchen dito. Es kann mal anstrengend sein, weil ein Gipfel locktoder weil es Spass macht, zu sehen, was man mag, muss aber nicht. Wir mögen die Pulsmeter, topfunktionale Kleidung bis zu den Socken, Gesundheitsfanatiker, stickige Turnhallen, Prahlerei ( wandern ist wenn xy Höhenmeter in soviel Zeit) nicht. Wir sind generell Genussmenschen. Das ist aber heute etwas Altmodisches und Verpöntes. Drum sind wir still und geniessen.

    • Sandra sagt:

      Danke Franziska, Du hast das sehr gut auf den Punkt gebracht!

    • Paul Brun sagt:

      Danke, genau das ist es.
      und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, welche sich ein Rennrad oder Joggingausrüstung für x-tausend kaufen und zwei mal wöchentliche Training machen (Mit dem Auto zum „Jogging-trail“), allerdings müssen sie die ersten 4 mal auf youtube schauen wie das richtig geht, beim 6ten mal regnets, dann ist ein Geburtstag, dann ein guter Film, usw.
      Das ist dann die wachsende „Kerngruppe“
      Sportlicher als früher sind die Schweizer übrigens definitiv nicht, schon nur weil weniger körperlich arbeiten und viel mehr Auto (und auch ÖV) benutzt wird. Kerngruppe hin oder her. Das „Plagieren“ über den Sport, oder das optische aufpumen der Arme hat zugenommen, Memmen sind trotzdem fast alle…

  • Tschannen Werner sagt:

    Hauptgrund Nr. 1 : SocialMedia!
    Viele sinds noch, können es aber nicht zugeben.
    Viele glauben mir meine Wanderungen mit Gleitschirm Flug zurück auch nicht, weil ich nichts ,,poste,,

  • Dave McWide sagt:

    und wieder bleibt man die Antwort, von der Überaschrift schuldig!
    Warum gibt es jetzt weniger?

  • Luise sagt:

    Mein Eindruck, dass sich die Bevölkerung in regelmässige Sportler und Nicht-Sporttreibende aufteilt, wird hier bestätigt. Nebst der Kerngruppe Wanderer gibt es noch die Alpin-Skifahrer, die ich zu den Nicht-Sporttreibenden zähle. Leider sind viele Frauen sehr bequem, machen höchstens etwas Yoga oder einmal pro Woche Walking statt sich regelmässig zu fordern mit Laufen, Velo oder Schwimmen. Und leider wird die Bequemlichkeit schon an die Kinder weitervererbt: Gerade in der Agglo fahren Mütter all zu oft die Kids zur Schule.

    • Anna sagt:

      @Luise: Sie waren noch nie im Yoga, stimmt’s?

    • Zimy sagt:

      Auch wenn mancher das „bequem“ finden mag, ich weigere mich einfach, meine knappe Freizeit mit Sachen zu verbringen, die mir keinen Spass machen. Wandern, Velo und im Sommer in der Badi oder im See schwimmen gehen machen mir Spaß und werden regelmässig unternommen. Die Forderung, dass man sich dabei unbedingt „fordern“ muss, sonst gilt es nicht, erscheint mir reichlich selbstgerecht.

  • Cybot sagt:

    Ich glaube nicht, dass die Gelegenheitssportler aussterben. Es ist doch eher der soziale Druck, dass man auf solche Fragen antwortet: „Klar betreibe ich regelmässig Sport.“ Bei vielen ist „regelmässig“ ein bis zwei Mal pro Woche, aber nur wenn das Wetter grad nicht zu schlecht ist, kein anderer Termin dazwischenkommt und man überhaupt grad Lust hat. Und beide geplanten Termine in einer Woche tatsächlich wahrzunehmen, schafft man dann vielleicht 2 Mal pro Jahr. De facto sind wahrscheinlich sehr viele auch heute noch Gelegenheitssportler, sie geben es nur nicht mehr zu – auch sich selbst gegenüber.

  • Michael sagt:

    Sport zu definieren ist relativ einfach – es ist alles das , was deutlich über die normale Bewegung hinausgeht. Was hier aber scheinbar nicht betrachtet wird, sind die vielen neuen Sportarten der Jugend. Breakdance, Skaten, urban trailrunning etc. Ausserdem – wo fliesst hier Yoga ein ? Sport wird immer gemacht, je jünger desto mehr. Später weniger, weil die Verpflichtungen (und Zipperlein) zunehmen.

  • Wolfgang sagt:

    14 Wanderungen à 3 h im Jahr zähle ich zu den Gelegenheitswandern.
    Für mich als aktiver Wanderer sind 50 – 60 Stunden im Monat mit durchschnittlich pro Wanderung 15 km und 1500 – 2000 Höhenmeter bergauf und bergab normal. Dies ist für mich schon Sport auch wenn Sie es anderst sehen.

  • Karl-Heinz Failenschmid sagt:

    Gelegenheitssport macht dann Spaß, wenn wir selbst über wann, was und wo entscheiden und nicht die App auf dem Smartphone. Zeit für den Gelegenheitssport gibt es immer teure Kleidung ist nicht nötig. Was hält mich von einem Satz Liegestützen oder Crunches auf dem Weg durch das Wohnzimmer ab? Oder spontan ein paar Kniebeugen zwischendurch? Einfach öfter mal spontan etwas einstreuen, es geht immer.

    • Karl Knapp sagt:

      Wer sich nur mal ausrechnet, wieviele Stunden, Tage und Wochen der ernstzunehmende Sportler mit der wissenschaftlich akribischen Suche nach der strömungsgünstigsten Badehose und Schwimmbrille verbringt (von der Marke reden wir schon gar nicht). Heute kommt jeder mit einem vollgestopften Rucksack an den Beckenrand. Da müsste doch zeitlich schon noch was drinliegen…

  • D. Keller sagt:

    Wieso ist Wandern nach Ihrer Definition denn kein Sport?
    Klar hat Wandern eine grosse Bandbreite (von flacher Wiese bis Hochalpin). Aber eine 7-stündige Bergtour mit 2000 Höhenmeter ist allemal sportlicher als 30 min joggen…
    PS: bin dann wohl Kerngruppe Wanderer (14 Tage à 3 h).

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