Die 25 Gebote der Läufer

Runners compete in the 42 kilometer (26 mile) Beirut Marathon in Lebanon, Sunday, Nov. 8, 2015. Thousands of runners from Lebanon and other nations are participating in this years annual Beirut Marathon. (AP Photo/Hassan Ammar)

Beim Laufen läuft man: Marathonläufer in Beirut. (Bild: Keystone)

Der Marathonläufer Christian Kreienbühl wird an den Olympischen Spielen in Rio in den Schweizer Farben am Start sein. Er ist ein disziplinierter Schaffer. Davon zeugen seine 50 Läufergebote, geschrieben mit einer Prise Humor. Trotzdem sollen sie nicht unkommentiert bleiben. Hier die ersten 25.

1. Play Fair.
Ehrensache. Trotzdem scheint dieser einfache Grundsatz auch bei der Crème de la Crème nur schwer verständlich zu sein. Das zeigt die aktuelle Dopingdiskussion in der Leichtathletik. Aber auch bei den Hobbyläufern sind Schummler am Werk. Zu oft sind Schmerzmittel bei Wettkämpfen im Spiel, oder die Läufer kürzen die Laufstrecken unerlaubt ab. Zu den zehn grössten Marathonbetrügern.

2. Leide, ohne zu jammern. Schmerz alleine ist noch keine Verletzung, und wer läuft, ist nicht verletzt.
Dazu gibt es ein geflügeltes Wort, mit dem sich Ausdauersportler wohl mehr als einmal motivieren: «Pain is temporary, pride lasts forever.» Jammern ist zudem beispielsweise einen Tag nach einem Marathon völlig unnötig. Denn wer sich anschickt, rückwärts die Treppen hinunterzusteigen, weil es vorwärts zu schmerzhaft ist, wird erfahrungsgemäss auf die eine oder andere helfende Hand zählen können.

3. Befolge die ungeschriebenen Gesetze. Nur Jogger verstossen gegen diese.
Also, liebe Jogger – hier mehr zum Unterschied zwischen Läufer und Jogger – verinnerlicht diese 50 Gebote und ihr werdet in den erlauchten Kreis der Läufer aufgenommen. Bitte auswendig lernen.

4. Der Schnellere hat immer recht.
Darwin lässt grüssen.

5. Schneller wird man nur durch Training.
Wenn es nur so einfach wäre … Wer immer im Wohlfühltempo unterwegs ist, wird seine Zeiten nicht verbessern. Also, raus aus der Komfortzone – der Schweinehund wartet auf seinen Spaziergang.

6. Keine Ausreden. Akzeptiere das Resultat – den Sieg oder die Niederlage. Es gibt weder Glück noch Pech. Es zählt weder schlechtes Wetter noch Gegenwind. Nur auf deinen Formstand kommt es an.
Sie kennen das: Bereits vor dem Wettkampf bringen Läufer alle Argumente vor, weshalb heute nicht ihr Tag ist. Sie klagen auf Vorrat für den Fall, dass sie ihr Ziel tatsächlich nicht erreichen. Im Ziel multiplizieren sich dann die Ausreden, weshalb sie beispielsweise ihre persönliche Bestzeit oder ihr Ziel nicht geknackt haben. Wie peinlich! Es gibt Gründe, weshalb man einer Herausforderung nicht gewachsen ist – Ausreden nützen nichts.

7. Man respektiert die Leistung anderer Läufer.
42,195 Kilometer sind für alle 42,195 Kilometer. Ob sie ein Crack wie Christian Kreienbühl in einer persönlichen Bestzeit von 2:13 Stunden zurücklegt oder eine Hobbyläuferin wie ich in 3:38 Stunden spielt keine Rolle – beide haben sich verausgabt. Wichtiger Unterschied, lieber Christian: Das Leiden dauert bei mir halt länger.

8. Beim Laufen läuft man. Insbesondere hört man beim Laufen keine Musik, telefoniert, oder ist anderweitig abgelenkt. Man steigt auch nicht über Hindernisse (ausser auf der 400-m-Bahn) oder schwimmt durch den Schlamm.
Einspruch! Musik lenkt keineswegs ab. Sie wirkt unterstützend, wenn ich mich auf eine Herausforderung – etwa ans Limit zu gehen – fokussieren soll.

9. Zahlen sind wichtig. 1:59:59 ist mehr als eine Sekunde schneller als 2:00:00.
Wie wahr! Deshalb ärgern sich etwa Marathonläufer über Zeiten wie 4:00:01. Zahlen sind aber auch auf der Wettkampfstrecke eine grosse Hilfe: Es lenkt ab, wenn man versucht, mit einem Puls im hochroten Bereich auszurechnen, welchen Kilometerschnitt man gerade drauf hat und wie lange es bei diesem Tempo ins Ziel noch dauert – die Steigungen bei einer um 15 Prozent tieferen Geschwindigkeit selbstverständlich mit eingerechnet.

10. Geschwindigkeit wird immer in Minuten pro Kilometer angegeben. Nie in Kilometer pro Stunde. Nie in Minuten pro Meile.
Mit diesem Gebot entlarven Sie beispielsweise Triathleten oder Lenkstangenbeisser, die nicht nur ihr Tempo auf dem Rad, sondern auch ihre Laufgeschwindigkeiten in Kilometer pro Stunde anzugeben pflegen.

11. Bei Verpflegungsstellen gilt ein Nichtangriffspakt.
Das gilt vielleicht im Elitefeld – bei den Normalsterblichen herrscht in diesen Streckenabschnitten zuweilen regelrechte Anarchie!

12. Läufer können nicht schwimmen. «Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft.» (Emil Zátopek)
Schon mal etwas von Deepwater-Running gehört? Jogger nennen es Aquafit …

13. Vor dem Laufen fährt man nicht Rad.
Wer schon einen Triathlon hinter sich gebracht hat, weiss weshalb – dieses Gefühl, wenn man auf die Laufstrecke wechselt und glaubt, dass die Beine verkehrt herum im Rumpf stecken…

14. Läufer grüssen sich gegenseitig. Das gilt insbesondere auch beim Überholen – für beide Parteien. Ausnahme: Man trifft auf mehr als einen Läufer pro Minute.
Am Gruss lässt sich wunderbar erkennen, wie nahe sich ein Läufer an seiner Leistungsgrenze bewegt. «Einen schönen guten Tag» heisst: ich bin locker unterwegs, siehst du das nicht? «Hallo!» – ich bin noch gut in der Lage zweisilbige Worte von mir zu geben. «Hej» – es reicht noch für genau eine Silbe. «…» begleitet mit einem Wink – lass mich in Frieden ich leide (… aber jammere nicht).

15. Läufer duzen sich. Unabhängig von Alter, Leistung, Rang, Promi-Status.
Organisieren Sie einen Lauftreff im Geschäft – sie haben damit die einmalige Chance, den Bigboss des Unternehmens beim Vornamen zu nennen (und allenfalls tempomässig einzuteilen).

16. Runden werden immer im Gegenuhrzeigersinn gelaufen. Einzige Ausnahme ist das Auslaufen nach einem Training oder einem Wettkampf auf der gleichen Runde.
Auffallend ist, dass dies offenbar auch bei Runden um einen See wie dem Greifensee oder dem Pfäffikersee gilt – achten Sie sich mal…

17. Dauerläufe werden nie auf der 400m-Bahn absolviert.
Und wenn, dann nur um Alkohol zu sparen – oder glauben Sie wirklich, dass 20 Kilometer im Kreis und auf 400-Meter-Runden das Bewusstsein nicht beeinträchtigt?

18. Auf Finnenbahnen mit Holzschnitzel läuft man nicht.
… dort joggt man…

19. Muss man während eines Laufes anhalten, bleibt man ruhig stehen und wartet. Unter keinen Umständen sollte man (zum Beispiel vor Bahnschranken oder an der Ampel) auf der Stelle laufen und/oder sich anderweitig zum Hampelmann machen.
… so etwas kann nur ein Mann schreiben. Er vergisst, dass sie kälteempfindlicher ist. Hampelfrau ist also im Winter erlaubt.

20. Es gibt keine Regeln zur Kopf-, Gesichts- und Beinbehaarung. Ausser sie ist zu lang.
Doch! Ich bin für entweder oder – zumindest an den Beinen. Lang oder gar nicht existent. Schlimm sind sichtbare Stoppeln – die gehören nur ins Gesicht: Als sexy Dreitagebart.

21. Laufschuhe werden mit Doppelknopf gebunden. Immer. Zu lange Bändel werden unter der vorderen Schnürung fixiert.
Mit einer Ausnahme: Wenn man mit einem deutlich besseren Läufer unterwegs ist. Schuhbändelbinden kann eine rettende Verschnaufpause bedeuten – oder mehrere.

22. Laufschuhe steckt man nie in die Waschmaschine. Oder würdest du etwa deine Mutter in die Waschmaschine stecken?
Falsch. Damit kann man wunderbar die Nachbarn ärgern – Laufschuhe in der Trommel und das Schleuderprogramm machen allen Tambouren Konkurrenz. (Im Übrigen schadete ein schonender Waschgang bei tiefen Temperaturen wie 20 Grad bisher keinem meiner Treter.)

23. Laufschuhe werden nie barfuss getragen. Einzige mögliche Ausnahme ist das Tragen von Spikes auf der 400-m-Bahn.
Barfuss in Schuhen ist bis auf Flipflops ohnehin eine stinkige Angelegenheit. Spikes würden aber dafür sorgen, dass sich niemand getraut, sich den übel riechenden Tretern zu nähern.

24. Barfussschuhe sind gefährlich. Nicht nur für die tragenden Füsse, sondern auch für die Augen der Mitläufer – darum trägt man sie nicht. Dies gilt auch für Crocs.
Ich bin der Meinung: Die hässliche Schuhbekleidung ist für Halbherzige – richtige Puristen laufen wirklich Barfuss.

25. Laufsocken bedecken den Knöchel.
Frei nach dem Song der britischen Band Right Said Fred: I’m too sexy for my socks.

Zur Person:
Christian Kreienbühl ist 34 Jahre alt und läuft für den TV Oerlikon. Er hat am Berliner Marathon dieses Jahr seine persönliche Bestzeit von 2:15:35 auf 2:13:57 Stunden verbessert. Er unterbot damit die Olympia-Limite von 2:14 Stunden um drei Sekunden. Mehr zu ihm: www.ckr.ch

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15 Kommentare zu «Die 25 Gebote der Läufer»

  • Othmar Maissen sagt:

    Wann schreiben Sie einmal über die 25 Gebote der Schwimmer/innen?

  • Stocker sagt:

    Wieso rennt die grosse Mehrheit gegen den Uhrzeigersinn? Kann mir jemand den Grund erklären? Im Uhrzeigersinn fühlt sich immer etwas falsch an, weiss aber nicht wieso.

    • Laufnomade sagt:

      Auf der Leichtathletikbahn ist es zumindest so. Das wurde wahrscheinlich historisch mal in dieser Hinsicht geregelt, als Vorteil fallen z.B. Frontalkollisionen weg. Übrigens ist Christian Kreienbühl bei seiner erfolgreichen Olympiaqualifikation am Berlin-Marathon 2015 mit einer fantastischen Renneinteilung nur zeitlich gegen den Uhrzeiger gelaufen (3 Sekunden am Schluss), räumlich war er durchaus im Uhrzeigersinn unterwegs. Wie überall gilt also: keine Regeln ohne Ausnahmen, und wenn sie mit einem Augenzwinkern aufgesetzt sind sowieso!

  • Christoph Bögli sagt:

    Achja, mal wieder dieses krampfhafte Abgrenzen von „Läufern“ und „Joggern“. Ich frage mich immer, was für Komplexe jene „Läufer“-Hipster mit diesem Dünkel übertünchen müssen.

    Ansonsten, wenn man sich (vermutlich) während der Ausübung jenes Laufsports ganze 50 (!) „Gebote“ auf dem seichten Niveau von „Fussball-Weisheiten“ ausdenken kann, illustriert das für mich primär, wie langweilig und geistig unterfordernd dieser Sport ist. Auch wenn ichs jedem gönne, der seine Erfüllung darin findet, aber die Schlichtheit des Ganzen, die auch in diesen „Geboten“ augenscheinlich wird, ist manchmal schon etwas erschütternd..

  • Tigerente sagt:

    Zu Punkt 23.
    Meine Laufschuhe stinken nicht obwohl ich die meiste Zeit (ausgenommen im Winter) keine Socken trage. Das Geheimnis liegt darin, dass ich die Innensohle jeweils nach dem Training/Lauf rausnehme und diese wasche (mit Bürste und Seife nicht in der Waschmaschine). Das Übrige vom Schuh lässt sich in der gleichen Weise reinigen.

  • Markus sagt:

    Zu Pt. 18: Einspruch! Gerade in der Winterzeit ist die Finnenbahn bei uns oftmals die einzige mehr oder weniger schnee- und eisfreie Zone auf der man Laufen kann.

  • Karl-Heinz Failenschmid sagt:

    Sehr gut geschrieben, hat Spaß gemacht. Eine Kleinigkeit: Der Läufer zieht sich um, geht raus und läuft, Hose, Socken, Schuhe, Hemd und sonst NICHTS.
    Der Jogger guckt zum Fenster raus, wie das Wetter ist.
    Wer sich richtig töten will, geht joggen mit AC/DC oder so. Und spielt beim queren von Strassen oder Geleisen mit dem Smartphone.

  • boss werner sagt:

    Ich hätte noch ein weiteres Gebot an die lieben Joker! Bitte rennt nicht bei Dunkelheit in Schwarzen Trainingsanzügen, aus dem Wald direkt über den nächsten Fussgängerstreifen,sonst könnte es sein dass ihr Rio nie sehen werdet !

  • Dirk sagt:

    Geschwindigkeit wird immer in Minuten pro Kilometer angegeben.

    FALSCH, Geschwindigkeit gibt an, welche Wegstrecke ein Körper innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zurücklegt. Die Geschwindigkeit ist also ein Quotient der Wegstrecke und der Zeit. Die Einheit für die Geschwindigkeit ist also Meter pro Sekunde (m/s) (gebräuchlich sind auch Kilometer pro Stunde (km/h)). Minuten pro Kilometer ist also bestenfalls eine Zeitangabe.

    • Philippe sagt:

      @Dirk – FALSCH: Minuten pro Kilometer ist keine Zeitangabe. „Uhrzeit und Kalenderdatum ergeben eine eindeutige Zeitangabe“ (wikipedia).
      Und gemäss DUDEN hat Geschwindigkeit 2 Bedeutungen: 1) Verhältnis von zurückgelegtem Weg zu aufgewendeter Zeit – 2) Schnelligkeit, Tempo – Also ist der Satz „Geschwindigkeit wird immer in Minuten pro Kilometer angegeben“ KORREKT!!

      • hubert sagt:

        was man hier nicht alles lernen kann

      • Dirk sagt:

        @Philippe – FALSCH: es ist korrekt, dass der DUDEN beide Bedeutungen angibt, Weg zu aufgewendeter Zeit und Tempo. Beide werden gemäss Internationale Einheitensystem in m/s angegeben. Diese Definition des Geschwindigkeitsbegriffs geht auf Galileo Galilei zurück und wird im Physikunterricht in der 8 Klasse unterrichtet.
        Minuten pro Kilometer ist, genauso wie Stundenkilometer, KEINE Geschwindigkeitsangabe, sondern bestenfalls eine Zeitangabe – ganz korrekt sogar nur eine Zeitangabe für einen Streckenabschnitt (der Kehrwert der Geschwindigkeit), also der Pace eines Läufers.

        • Philippe sagt:

          aha! – Schnelligkeit (=nach Duden Bedeutung 2 der Geschwindigkeit) kann man also nicht als Kehrwert der Geschwindigkeit (nach Galileo) angeben?? Was ist schneller: 3 Minuten pro Kilometer oder 6 Minuten pro Kilometer? Völlig unverständlicher deutscher Satz?!? Galileo (8. Klasse Physikunterricht) hat nur Geschwindigkeit definiert, nicht Schnelligkeit (1. Klasse Deutschunterricht). Was ist geschwinder? (Duden „geschwind“ = „schnell, rasch“)

  • Lukas Aeschbacher sagt:

    8. Einspruch abgelehnt. Musik stört. In jedem Fall. Und das, obwohl Musik seit meiner Kindheit ein grosses Hobby ist. Aber beim Laufen geht das gar nicht.
    .
    18. Schon mal 10km (oder mehr) auf den Finnenbahn gemacht? Abgesehen vom Problem mit dem Rundenzählen ist das m.M.n. ein eine gute Erfahrung.
    .
    22. Er hat aber trotzdem Recht. Saubere Laufschuhe mit gut erkennbaren Originalfarben sind einfach… suspekt.
    .
    Mir fehlt noch ein Punkt mit Flüssigkeitsüberversorgung. Also Leute, die für 10km so eine Art Patronengurt mit kleinen Trinkfläschchen tragen. Oder die am Marathon trotz Verpflegungsposten alle 5km ein CamelBak mitschleppen.

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