Ist Laufen bei Minustemperaturen gesund?
Die Temperaturen fallen unter den Gefrierpunkt und dennoch möchten wir das Lauftraining im Winter nicht aufgeben. Das sei auch nicht nötig, wenn man gewisse Punkte beachtet, sagt unser Running-Doc *Dr. med. Martin Narozny-Willi.
Was löst Kälte eigentlich aus und wie reagiert der Körper darauf?
Wärmeverlust
Um eine optimale Funktion der Organsysteme zu gewährleisten, hält der Körper seine Kerntemperatur zwischen 36 und 37° C. Beim Training in der Kälte wird ihm vor allem über die Haut Wärme entzogen. Um einen weiteren Wärmeverlust zu verhindern, verengen sich die Gefässe in der Haut und schränken dadurch den Blutfluss ein. Das führt zu den bekannten kalten Fingern, Zehen, Ohren und Nase.
Darum auf geeignete Kleidung achten. Sie sollte isolieren, wärmen, aber auch atmungsaktiv sein und die sportliche Aktivität nicht behindern. Das Zwiebelschalenprinzip mit mehreren Lagen ist sinnvoller als eine dicke Kleidungsschicht. Kunstfasern eignen sich besonders gut, da sie den Schweiss nicht aufsaugen und somit nicht an Isolation verlieren. Als natürliche Alternative kommt auch Merinowolle als innerste Schicht infrage. Da entscheidet der persönliche Tragekomfort. Baumwolle ist gänzlich ungeeignet, da sie den Schweiss aufnimmt, feucht wird und dadurch nicht mehr isoliert.
Als äusserste Schicht empfiehlt sich eine Jacke aus winddichtem Material. Nicht zu vergessen ist auch eine geeignete Kopfbedeckung. Obwohl der Kopf nur 8 Prozent der Körperoberfläche ausmacht, gehen hier bis zu 40 Prozent der gesamten Körperwärme verloren. Darum sollte eine Mütze oder ein Stirnband im Winter nie fehlen.
Sollte es trotzdem zu lokalen Erfrierungen kommen, sollte die betroffene Stelle möglichst rasch im warmen Wasserbad (39–42° C) wieder erwärmt werden.
Muskulatur
Die Muskulatur ist in der Kälte nicht mehr gleich leistungsfähig. Sie wird steifer, die Koordination und Kraft nimmt ab, somit steigt das Verletzungsrisiko mit Zerrungen oder Muskelfaserrissen. Darum ist bei Minustemperaturen ein bewusstes und diszipliniertes Aufwärmen besonders wichtig.
Immunsystem
Die Infektabwehr ist während zweier Stunden nach einem harten Training herabgesetzt. Bei Kälteexposition bedeutet dies ein erhöhtes Risiko für Infekte der oberen und unteren Atemwege, weil die Schleimhäute durch die kalte und trockene Luft gereizt und dadurch anfällig werden. Darum soll bei starker Kälte kurz und wenig intensiv trainiert und danach rasch aufgewärmt werden.
Atmung
Die Reizung der Atemwegsschleimhäute kann auch zu einer Überreaktion der Bronchien führen. Sportler, die bereits unter Asthma leiden, müssen damit rechnen, dass die Symptome beim Training in der Kälte zunehmen. Entsprechende Asthmasprays sind unbedingt weiter einzunehmen und die Dosis gegebenenfalls anzupassen.
Auch sehr ambitionierten Sportlern muss empfohlen werden, bei Temperaturen von weniger als -18° C nicht mehr zu trainieren. Studien aus Skandinavien belegen, dass bei entsprechender Veranlagung ein bleibendes Asthma entwickelt werden kann.
Sport ist auch bei Minustemperaturen gesund, aber nur wenn Sie sich entsprechend darauf vorbereiten und das Training anpassen.
* Dr. med. Martin Narozny-Willi, Facharzt Orthopädische Chirurgie, Sportmedizin SGSM und Verbandsarzt Swiss Ice Hockey. SportClinic Zürich, Sportmedizin und Leistungsdiagnostik. Die Klinik ist eine Swiss Olympic Medical Base. www.sportklinik.ch/sportmedizin/toedi/
9 Kommentare zu «Ist Laufen bei Minustemperaturen gesund?»
Hallo, darf ich eine Frage stellen? Auch ich mache Lauftraining im Winter, hatte aber schon zweimal nach dem Training eine Erkältung, obwohl ich warm genug angezogen war. Ich friere besonders nach dem Training, wenn ich wieder in der Wohnung bin (Schweiss auf der Haut). Was ist nach zu beachten, wenn das winterliche Lauftraining beendet ist? Vielen Dank für alle Infos, Benjamin
Dass 40 % der Körperwärme über den Kopf verloren gehen, stimmt sicher nicht, sondern ist ein altes Ammenmärchen. Wenn es so wäre, hätte man im Winter mit nacktem Oberkörper und einer Mütze auf dem Kopf wärmer, als wenn man eine Winterjacke aber dafür keine Mütze anhätte.
Gemäss einem Artikel im Guardian mit Referenz zum „British Medical Journal“ beträgt der Wärmeverlust über den Kopf ca. 10%. Eine Kopfbedeckung ist also trotzdem sinnvoll.
„Rachel Vreeman and Aaron Carroll, at the centre for health policy at Indiana University in Indianapolis, rubbish the claim in the British Medical Journal this week. If this were true, they say, humans would be just as cold if they went without a hat as if they went without trousers. „Patently, this is just not the case,“ they write.
The myth is thought to have arisen through a flawed interpretation of a vaguely scientific experiment by the US military in the 1950s. In those studies, volunteers were dressed in Arctic survival suits and exposed to bitterly cold conditions. Because it was the only part of their bodies left uncovered, most of their heat was lost through their heads.
The face, head and chest are more sensitive to changes in temperature than the rest of the body, making it feel as if covering them up does more to prevent heat loss. In fact, covering one part of the body has as much effect as covering any other. If the experiment had been performed with people wearing only swimming trunks, they would have lost no more than 10% of their body heat through their heads, the scientists add.“
Philipp, Du sprichst einen wichigen Punkt an. Die 40% werden oft falsch interpretiert. Die 40%:60% Regel ist nicht auf einen nackten Körper zu beziehen. Korrekt ist:
Wer mit Winter-Laufkleidern aber ohne Kopfbedeckung läuft, verliert „nur“ 40% der Körperwärme über den Kopf aber immer noch 60% über die restliche Körperoberfläche.
Vielleicht nicht der beste Ort um das zu fragen, aber trotzdem: ich laufe gerne in kurzen Hosen (Thermounterwaesche und alles) auch bei Temperaturen unter Null. Fuer mich stimmt das so. Muss ich langfristig irgendwelche Schaeden befuerchten?
Ein paar Ergänzungen:
zum Wind: der sogenannte Windchill spielt eine enorme Rolle bei Kälte, ein Gegenwind von nur 15 km/h bedeutet bei einer Lufttemperatur von zum Beispiel -5°C eine gefühlte Temperatur von -10.6°C. Dies gilt es unbedingt zu beachten, das Tragen einer winddichten Jacke und Kopfbedeckung ist also sinnvoll. Zudem sollte bei einem out-and-back Lauf immer zuerst gegen den Wind gelaufen werden, da der Einfluss der Kälte bei Müdigkeit grösser wird. Details zum Windchill siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Windchill.
zur Rutschgefahr: es gibt Laufschuhe mit eingebauten Spikes (Icebug) sowie „Schneeketten“ für Laufschuhe. Goretex kann bei Matsch sinnvoll sein, bei hohem Schnee zudem Gamaschen.
Information: bei gefährlichen Bedingungen (Kälte, Glatteis) sollte immer jemand über Laufroute und Zeitrahmen informiert sein, da bei einem Unfall sehr schnell Unterkühlung eintreten kann. Die Mitnahme des Mobiltelefons ist empfohlen.
Und trotz der Kälte die Flüssigkeitsaufnahme nicht vergessen!
Die wichtigsten Infos zum Laufen fehlen in diesem Artikel: Besonders im Winter sollte man regelmässig trainieren, das Training sollte nicht zu hart sein, es sei denn man steigert die Intensität von Training zu Training langsam. Auch sind Warm/Kalt-Dusche sehr nützlich oder der Besuch einer Sauna. Kälte kann man, wie die Wärme/Hitze „trainieren“.
Laufen im Winter – da fällt mir eine besonders empfehlenswerte Variante ein: Seit nunmehr bereits 7 Jahren bietet der „Neujahrsmarathon Zürich“ einen speziellen Start ins neue Jahr. Der Startschuss zu dieser weltweit ersten offiziellen Laufveranstaltung des Jahres (42.195km, 21.1km, 10.5km) fällt in der Silvesternacht genau um Mitternacht. Details unter http://www.neujahrsmarathon.ch