Am Gipfeltreffen der Spitzenalpinisten

Einmalige Momentaufnahme der Bergsteiger-Elite: Oh Eun-sun (Korea) bestieg als erste Frau alle vierzehn Achttausender. Der Amerikaner Steve House (Mitte) gilt als bester Höhenbergsteiger der Gegenwart. Reinhold Messner (Südtirol) war der erste Mensch, der auf allen Achttausendern stand.
Was für eine Begegnung! Oh Eun-sun, 154 Zentimeter gross, 50 Kilo schwer. Die zierliche Koreanerin stand vergangenen April auf dem Gipfel des 8091 Meter hohen Annapurna und hatte damit als erste Frau alle vierzehn Achttausender der Erde bestiegen. Und das «Wettrennen» gegen die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner und die Spanierin Edurne Pasaban «gewonnen».
Allerdings erhielt die 44-jährige Asiatin für ihre ehrgeizige Leistung nicht nur Lob. Weil sie nicht im reinen Alpinstil aufgestiegen ist und teilweise künstlichen Sauerstoff genutzt hat, wurde sie auch kritisiert. Viel wurde über sie berichtet und analysiert, auch bei uns in der Schweiz, obschon keiner je mit ihr gesprochen hatte!
Nun reiste Oh Eun-sun ans International Mountain Summit nach Brixen in Italien. Seit Jahren ihr erster Besuch in Europa. Als ich mich mit ihr fotografieren liess und ihr das Bild (siehe unten) auf dem Display der Kamera zeigte, sagte sie: «Kein gutes Foto!» Warum? «Ich möchte auch so grossgewachsen sein wie Sie!»
Am nächsten Tag traf ich sie zu einem ausführlichen Gespräch. Zur Begrüssung meinte sie: «Wenn ich nur auch eine so schöne, grosse Lederhandtasche tragen könnte wie Sie! Leider bin ich zu klein dafür, so was sieht bei mir nicht gut aus.» Sie bevorzuge – wenn sie nicht am Berg sei – meistens Schuhe mit hohen Absätzen. Auch bei unserem Termin. Am Nachmittag habe sie sich im Altstädtchen einen Schal gekauft. «Modern italian fashion style», erzählt sie lachend.
Oh Eun-sun – das kann ich schon jetzt verraten – ist eine lustige, herzliche und ehrliche Erfolgs-Höhenbergsteigerin, die auch bei kritischen Fragen freundlich antwortet und nicht ausweicht. Mein Interview mit ihr folgt nächsten Mittwoch. Hier bei «Alpin im Outdoorblog».
Die meisten Spitzenbergsteiger sind eher klein – und schüchtern!
Bei keiner anderen Veranstaltung kommt man der Alpinisten-Elite so nahe wie beim familiären IMS. Während einer Woche versammeln sich da die Weltstars. Die Gäste können ungezwungen mit ihnen plaudern, Kaffee trinken, wandern – und die ausserordentlichen Erfahrungen und teilweise fast ausserirdischen Bergabenteuer bei Podien und Multivisionsshows mitverfolgen. Hier ein paar Bildimpressionen:

Publikumsliebling Alexander Huber. Er und sein Bruder Thomas sind Deutschlands bekannteste Speedkletterer – die Huberbuam.

Die Italienerin Nives Meroi (49) bestieg bisher elf Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff – alle gemeinsam mit ihrem Ehemann Romano Benet. Er erlitt 2009 am Kangchendzönga einen akuten Erschöpfungszustand, von dem er sich bis heute nicht erholt hat. Nives Meroi startete seither keine Expeditionen mehr. Nach ihrem Vortrag am IMS reiste sie sofort wieder zu ihm nach Hause. Auch sie stand im Wettrennen um die Achttausender – als erste Frau.

Die Gäste des IMS sind täglich eingeladen, mit den Top-Alpinisten zu wandern. Eine einmalige Gelegenheit, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Hier mit dem Amerikaner Steve House (grünes T-Shirt). Seine Fangemeinde ist riesig.

Mein Gipfelfoto mit Steve House auf einem 2000er im Südtirol! Mit seiner Besteigung des «Menschenfressers» Nanga Parbat (8125 Meter) durch die 4500 Meter hohe Rupalflanke gelang ihm die wohl aussergewöhnlichste alpinistische Leistung der vergangenen zehn Jahre. Im letzten Frühling stürzte der US-Amerikaner in den kanadischen Rocky Mountains fast zu Tode und schwebte in Lebensgefahr. Noch ist er weder physisch noch psychisch zu 100 Prozent wieder der Alte.

Hans Kammerlander trifft Oh Eun-sun. Der Südtiroler Extrembergsteiger stand auf 12 Achttausendern. Jetzt will er als erster Mensch die Seven Second Summits - die zweihöchsten Gipfel der sieben Kontinente - besteigen. Vier hat er bereits.

Mein Treffen mit Oh Eun-sun. Die Koreanerin war der grosse Star am IMS. Mein ausführliches Gespräch mit ihr ist am nächsten Mittwoch hier bei «Alpin im Outdoorblog» zu lesen.

Simone Moro, der kommunikativste Höhenbergsteiger aus Italien. Er stand schon 4 x auf dem Mount Everest, 2 x auf dem Lhotse, 2 x auf dem Shisha Pangma (1. Winterbesteigung), 1 x auf dem Makalu (1. Winterbesteigung), 1 x auf dem Broad Peak und 1 x auf dem Cho Oyu (Speedbegehung in 13 Stunden). Als Nächstes plant er die erste Winterbegehung des Gasherbrum II - zusammen mit Denis Urubko aus Kasachstan.

Ein sehr beeindruckender Alpinist! Andy Holzer ist seit Geburt blind. Trotzdem klettert der Österreicher auf die höchsten Berge der Welt. Bereits sind ihm fünf der Seven Summits gelungen. «Steile Felswände sind für mich einfacher als Wandern, weil ich sie mit meinen Händen sehen kann.» Sein Humor und sein Charisma sind unvergesslich.

Der Master himself: Reinhold Messner gönnt sich nach seinem Vortrag gut gelaunt und entspannt ein Glas Rotwein. Er ist nach wie vor ein Publikums-Magnet.

Tamara Lunger, die Nachwuchshoffnung im Höhenalpinismus. Die 24-jährige Südtirolerin stand vergangenen Frühling als jüngste Frau auf dem Lhotse (8516 Meter).

Kurt Diemberger (79) ist der einzige lebende Mensch, dem die Erstbesteigung von zwei Achttausendern gelang: Broad Peak (1957) und Dhaulagiri (1960). Er ist auch die letzte Person, die Hermann Buhl lebend gesehen hat, den damals berühmtesten Bergsteiger der Welt. Diembergers Erzählungen könnte man stundenlang zuhören. Er zeigte am IMS einen packenden Vortrag, angefangen mit Schwarz-Weiss-Bildern aus seinen Anfangszeiten, u. a. auch vom Eiger.

Die Alpinistengemeinde trauert um Kurt Albert. Auch er wäre am IMS als Referent eingeladen gewesen, verunfallte jedoch Ende September in einem Klettersteig in der Fränkischen Schweiz und verstarb. Er war Vorreiter der Rotpunktbewegung in den 70er- und 80er-Jahren – und Vorbild einer ganzen Klettergeneration.
Natascha Knecht
5 Kommentare zu «Am Gipfeltreffen der Spitzenalpinisten»
Hallo mitenand
das brixener bergsteigertreffen finde ich eine gute sache.
einzelne leute, die hier messner kritisieren, haben einfach keine ahnung von bergsteigen. schaut doch nur seine
achttausender begehungen an, everest ohne sauerstoff, everest solo, nanga parbat ueberschreitung, annapurna nordwest,
kantsch nord neue route… usw…
ja, messner hat recht, manche frauen an den 8000er das ist nichts anderes als touristen bergsteigen. wanda rutkiewicz
das war die führende hoehenbergsteigerin, und ist es noch heute. keine dieser damen 8000er sammlerinnen, geht ja
solo in die eiger-, matterhorn-, jorasses nordwand, so wie chatherine destivelle. das ist eine topalpinistin, solo diese wände
anzugehen.
die begehungen an den 8000er, an den normalrouten werden einfach ueberbewertet. diese damen steigen ja einfach den
fixseilen nach… und das klettersteig gehen. sie sollen doch wie messner und habeler seilfrei durch eine hidden peak
nordwand gehen, diese beiden haben 1975 den wahren alpinstil gezeigt, weit und breit war niemand in ihrer nähe.
ich wünsche allen schöne touren.
gruss von
raphael wellig / http://www.raphaelwellig.ch
Marogg: Messner IST Gott unter den Bergsteigern!!! Sie haben nix kapiert und begreifen die Leistungen von Messner offensichtlich gar nicht!!!
Mephisto
Nein, Messner ist kein Gott. Er hat Erstaunliches geleistet, aber er hält sich auch heute noch für das Mass aller Dinge. Er kritisiert Sachen, die er auch schon gemacht hat oder für deren „Entwicklung“ er mitverantwortlich ist. Selber suchte er immer nach noch „vefrückteren“ Dingen, aber dann seinen langjährigen Freund Kammerlander kritisieren, weil dieser in 24h das Matterhorn über alle Grate bestieg. Messner ist nur in einem „Gott“ und zwar in der Vermarktung seiner Leistungen und Person.
Aber Sie selber haben vermutlich keine grosse Ahnung von der ganzen Bergsteigergeschichte, sonst hätten Sie nicht nur so einen lapidaren Satz hingekritzelt sondern diesen fachlich begründet….
Ist Oh Eun-Sun die Schwester von Obi Wan Kenobi? :-) Nein, Scherz beiseite.
Eigentlich müsste sie ja ziemlich belächelt worden sein zwischen all diesen Extremen, da sowohl Möchtegerngott Reinhold Messner, wie auch alle anderen Stars (Kammerlander, House, Huber etc.) den Einsatz von Sauerstoff nicht gutheissen und solche Bergsteiger als Touristen bezeichnen.
Grad Messner kristisierte sogar Gerlinde Kaltenbrunner und deklarierte sie zur Touristin, weil diese einen Helikopter für den Weg ins Basislager benutzt hatte (Obwohl auch schon der liebe Reinhold zusammen mit Kammerlander einen Helikopter für den Weg zwischen zwei Basislagern benutzt hatte….). Wie auch immer, für mich wird die erste Frau auf allen 14 8000ern ohne Sauerstoff die grössere Heldin sein als Oh Eun-Sun.
Der Berichts über das Brixener Bergsteigerfestival, beweist einmal mehr, daß Alpinismus und Journalismus sich zuweilen bestens ergänzen. Oder in Anlehnung an Steve House: Ein guter Artikel ist mehr als eine kurze Nachricht. Der nächste Mittwoch verspricht
ein weiteres Highlight zu werden. :-)