Fetter ist besser


Um im nächsten Jahr möglichst viele Mountainbikes mit sogenannten Plus-Grössen-Rädern aus den Shops rollen zu sehen, versucht uns die Fahrradindustrie aktuell weiszumachen, das Plus-Grössen die besseren Mountainbiker machen. Nach 29 Zoll, 27,5 Zoll und Fatbikes ist das bereits die vierte Radgrösse, die uns Mountainbikern in den letzten rund fünf Jahren als die «nächste Revolution» verkauft worden ist. Alles nur Marketing – oder ist an den Lobgesängen auf den neuen Radstandard wirklich was dran? Ich wollte die Probe aufs Exempel machen. Letztes Wochenende jedenfalls nutzte ich im Rahmen eines Mountainbiketests zusammen mit weiteren neun Testerinnen und Testern die Gelegenheit, zwei Vertreter dieser neuen Mountainbikekategorie (Specialized 6Fattie 27,5+ sowie das Scott Genius LT700 Tuned Plus) auf den Tessiner Trails zu prüfen. Und die waren noch anspruchsvoller als sonst, weil Waldböden und Steine durch den Regen der Tage zuvor rutschig geworden waren.

Sicherheitsplus für alle

Das Resultat vorweg: Jeder kam begeistert von der Testrunde am Monte Tamaro zurück. Die 27,5-Zoll-Räder mit Plus-Reifen (2,8 bis 3,2 Zoll) werden mit sehr tiefem Luftdruck (rund 1 Bar) gefahren, was dazu führt, dass sich der breite Reifen viel besser an den Untergrund anpasst als herkömmliche Produkte. Die Traktion ist nicht nur in der Abfahrt spürbar besser, sondern auch im Anstieg. Auch wegen der grösseren Auflagefläche. Gerade da «krallen» sich die Dickerchen förmlich am Boden fest und erlauben es dem Fahrer, auch sehr steile und mit Steinen und Wurzeln durchsetzte Trails hochzufahren. Der limitierende Faktor war im Test selten das Material, schon eher die Kondition. Das Resultat der verbesserten Traktion: erhöhte Sicherheit, Kontrolle und Komfort. Das freut natürlich auch fahrtechnisch weniger versierte Mountainbikerinnen und Mountainbiker, die mithilfe der neuen Bikes ohne ihr Dazutun bessere Fahrer werden. Sind die verbesserten Fahreigenschaften nicht komplett überraschend, so stellte ich hingegen mit einigem Erstaunen fest, dass die «Dickerchen» im Anstieg wider Erwarten keine Spassbremsen waren. In besonders hochwertigen (und entsprechend teuren) Ausführungen wiegen sie kaum mehr als ein Standardradsatz. Auch ein erhöhter Rollwiderstand – beispielsweise auf Asphaltstrassen – war kaum feststellbar. Im Gelände sowieso nicht. Ob das auch bei den günstigeren und damit schwereren Modellen der Falls ist, wäre zu testen.

In der Abfahrt hingegen orteten die Fahrer mit besonders aggressivem Fahrstil minimale Defizite, weil sich der voluminöse Reifen etwas weniger präzise lenken lässt und es damit schwerer ist, seine Ideallinie zu finden. Ob das ein Grund dafür ist, dass Enduro- und Downhill-Rennfahrer bisher noch auf weniger voluminösen Reifen zu Tale donnern? Trotzdem sieht es aktuell ganz so aus, als würde dem neuen Radmass eine rosige Zukunft winken. Ein besserer Mountainbiker dank Plus-Grössen – ist das nicht ein gutes Argument gerade auch für Einsteiger und Gelegenheitsbiker? Die Hersteller von Autoheckträgern, Mountainbikeliften und Postauto-Fahrradträgern und Fahrradständern tun jedenfalls gut daran, auf die neueste Entwicklung zu reagieren und die entsprechenden Produktanpassungen (Hakendimensionen, Schienenbreite etc.) vorzunehmen. Denn die Zukunft könnte den Plus-Rädern gehören.

Sind Sie bereits einmal ein Mountainbike mit Plus-Grösse gefahren? Wenn ja, welches waren Ihre Erfahrungen? Was halten Sie von dieser Entwicklung? Unter welchen Umständen würden Sie sich eine Anschaffung eines Plus-Mountainbikes überlegen?

Das Scott Genius LT 700 Tuned Plus auf dem Trail. (Quelle: Youtube)

 

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12 Kommentare zu «Fetter ist besser»

  • Arnold sagt:

    Meine Erfahrungen mit dem Specialized Fuse Expert mit 27.5plus sind absolut positiv. Ich fahre noch ein Specialized Enduro Expert 29er mit 160/155mm Federweg und suchte ein Trailbike als Zweitbike. Das Enduro brauche ich nur noch wenns grob wird und Federweg gefragt ist (Bikepark). Bin mit dem Fuse den Uetliberg-Kamikaze (nass und viel Laub) gefahren und wer schon mal vom Allmen Richtung Bäretswil die Schotterabfahrt gemacht hat, der geht nicht mehr auf schmale Reifen zurück.. Punkt.

  • Otto Liebschitz sagt:

    Weshalb heissst dieser Blog eigentlich „Bike-Blog“ und darin kommt kein einziger Motorradartikel vor ? Biken ist Motorradfahren, hätten Sie’s gewusst ?

  • Marcel Zufferey sagt:

    Da lobe ich mir mein kürzlich erstandenes Quervelo: Das bleibt bleibt immer gleich gut! Allerdings bin ich kein Downhiller und fahre auch keine Trails. Aber in leichtem Gelände (Wiesen, Feldwege, auch solche mit grobem Schotter und solche mit felsigem Untergrund, etc.) bin ich mit dem Quer mittlerweile gleich sicher unterwegs, wie mit dem MTB.

  • Anh Toàn sagt:

    „«krallen» sich die Dickerchen förmlich am Boden fest“ und „Auch ein erhöhter Rollwiderstand – beispielsweise auf Asphaltstrassen – war kaum feststellbar.“

    Anscheinend ist es den Herstellern dieser Reifen gelungen, die Physik zu überlisten. (Oder die Wahrnehmung des Schreibenden). Oder meine Physikkenntnisse, auf die ich mir nichts einbilde, sind zu bescheiden um zu erkennen, dass Traktion und Rollwiderstand gar nicht das Gleiche sind.

    • Anh Toàn sagt:

      Man kann wohl einen Reifen bauen, welcher bei tiefen Geschwindigkeiten mehr Grip hat, und bei hohen Geschwindigkeiten dennoch nicht (viel) mehr Rollwiderstand. Aber diese fetten Teile sollen ja auch bei höheren Geschwindigkeiten (Abfahrt) mehr Grip bringen, und dies geht meines Erachtens nicht, ohne entsprechend mehr Rollwiderstand.

  • Heinz Gadient sagt:

    Seit Biken ein Massensport geworden ist braucht es halt jedes Jahr etwas Neues das den Kunden verhökert werden kann. Die grossen Hersteller geben den Takt vor und alle wackeln hinterher. Und dann immer wieder der dumme Satz „Der Kunde wird entscheiden welche Standards sich durchsetzen werden“ Der Kunde entscheidet gar nichts, sondern kauft was ihm aufgedrängt wird. Biken geht den gleichen Weg den Skifahren gegangen ist und verkommt über kurz oder Lang zum Alpen-Ballermann. Schade um den eigentlich schönen Sport.

  • Patrick sagt:

    Um was gings jetzt? Ah ja: Fatties. Finde ich toll auf Trails. Das fahren macht spass und das Bike bleibt gut kontrollierbar auch für wenig geübte Bikerinnen und Biker. Und wegen der Waldbenutzung: Alles mit Mass, so macht es allen spass! Ride on!

  • Nafz sagt:

    Herr Failenschmid das Idyll definiert jeder für sich, keinem gehört der Wald oder Bergweg alleine zudem stellt sich die Frage immer und in allen Ruchtungen. Daher gilt ja in einigen Kantonen sowie vielen Ländern das freiwillige Leitbild der gegenseitigen Toleranz! Ich finde es gleichermassen respektabel auf einen Berg zu kurbeln, zu wandern, mit Traillaufschuhen etc oder auch mal einen Teil der Strecke mit Seilbahn, Bus oder den komplett mit den TourenSki zu bewältigen dabei schompfe ich auch nicht über die anderen Bergnutzer – wenn denn dann dürfte man das ohnehin den stimmlosen Waldbewohneren selbst zugestehen – die würden aber schon nachhaltig und deutlich vor „Auftauchen“ von Bergradfahreren vertrieben oder verschossen.
    In diesem Sinne jedem seinen Berg sofern er ihn akzeptiert wie er ist und genutzt wird von allen Untergattungen des Planetaren Parasiten Homo

    • Hans Schneider sagt:

      Hallo Nafz, den Aufruf zur gegenseitigen Toleranz finde ich gut – ein-zwei Anmerkungen
      hätte ich aber noch zu machen:
      – „keinem gehört der Wald oder Bergweg“ -> das stimmt so nicht. Meistens gehört der Wald oder der Weg jemandem. Dann ist das Privatgrund mit Betretungsrecht, aber ohne Fahrerlaubnis!
      – „Stimmlosen Waldbewohneren“ -> als Jäger und Waldbesitzer sehe ich mich als Stimme für diese Waldbewohner und deren Wohlergehen. Und nein: mir geht es nicht darum mehr zum Schiessen zu haben, sondern um deren echtes Wohlergehen in der gesamten Population
      – „“Auftauchen” von Bergradfahreren vertrieben“ -> Die meisten Bikes (auch Variantenskifahrer) kommen dermassen
      schnell den Berg runter, dass es für ein Wildtier nicht abschätzbar ist. Die Störungen sind leider enorm.
      – „verschossen“ -> Die Jagd ist ein wichtiges Instrument zur Populationskontrolle. Nebenbei sind die Jäger die einzigen Naturnutzer die etwas in den Erhalt der Natur investieren (Pacht bezahlen / Unfallwild versorgen / Hecken pflegen / usw.usf).
      Die restlichen, von Ihnen genannten Naturnutzer, sind reine „Konsumenten“. Daran ist nichts
      falschens – aber sie helfen den Wildtieren und Natur mit Ihrer Tätigkeit nichts.

  • Heiris Marolf sagt:

    Für DH und reine Trail-Bikes? Wieso nicht. Ich lass nach dem Aufstieg auch häufig etwas Luft aus den Rädern für die Trail-Abfahrt. Mein Einwand ist, dass ich meine Bikes für jegliche Fahrten benutze, Rennvelos sind nicht so mein Ding. Auch längere Touren mit viel Teer-Anteil fahre ich lieber mit dem MTB und da will ich dann keine Fatties drauf haben.

  • Karl-Heinz Failenschmid sagt:

    Sorry, aber diese Bilder zeigen ganau das Negativbeispiel, das Naturschützer und Wanderer immer anführen. Stellen sie sich vor,
    sie sind in dieser Idylle unterwegs und dann kommt ihnen dieser Brachialbiker entgegen.

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