Ohne Helm, ohne Verstand?

Ein Beitrag von Emil Zopfi*

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Ohne Helm sieht das Foto besser aus: Kletterin in einer Felswand. Foto: Adam Kuballca/Flickr

Dieser Tage habe ich meinen Schutzengel wieder mal ordentlich strapaziert. Meinem Kletterpartner brach eine Felsplatte unter den Fingern weg, zerfiel im Fall in Stücke und Splitter, die direkt auf mich zustürzten. Fast direkt. Ich blieb unversehrt, mein Freund oben in der Wand ebenfalls. Ein Wunder. Vielleicht auch eine Warnung.

«Sie tragen nicht mal einen Helm!», bemerkte eine Frau vorwurfsvoll, die herbeigeeilt war, weil sie einen Unfall befürchtete. Was sagt man da?

«Der hätte auch nicht viel genützt.»

Die herabgestürzten Felsstücke zeigten noch Spuren von Magnesia, es waren perfekte Griffe gewesen, die Route – vor kurzem saniert – ist nun wohl um einiges schwieriger geworden.

Nach so einem Zwischenfall beginnt man schon, sich Gedanken zu machen. Warum klettere ich eigentlich ohne Helm? Weil auch Ueli Steck im Fels keinen trägt? Sicher nicht! Aus Eitelkeit? Vielleicht, wenn ich ehrlich bin.

Als ich vor Jahren mit Sportklettern begann, grenzten sich die Magnesiafreaks von den Alpinen unter anderem durch bunte Outfits ab. Hautenge, glänzende Hosen, knallige Kraftleibchen. Ein Kletterhelm gehörte nicht dazu, der störe die freie Sicht, das Gleichgewicht, verursache Hitzestau und Kopfweh. Die langen Haare wirkten auf Fotos attraktiver, wenn man sie offen oder als Rossschwanz trug und nicht unter die Kopfwehgamelle stopfte. «Wir passen unter keinen Helm» war damals auch ein Slogan gegen die Eingliederung von Frauen in die Armee. Chic war ein um den Kopf geknotetes farbiges Tüchlein, wie es zwei bekannte Extremkletterer aus dem Welschland trugen. Notfalls stärkte auch ein Stirnband das Selbstbewusstsein und den fotogenen Auftritt.

Ganz eigene Wege ging der österreichische Spitzenkletterer Ludwig Rieser, besser bekannt unter seinem spirituellen Namen Swami Prem Darshano. Auf seinen wilden Klettereien, darunter etwa 300 Erstbegehungen im reinsten Stil ohne Bohrhaken, pflegte er Frack und Zylinder zu tragen, die Kopfbedeckung gut gepolstert mit Zeitungspapier. Sein Stil machte nicht Schule, im Gegensatz zur weissblond gebleichten Frisur eines britischen Top-Cracks.

In jüngster Zeit stilbildend war offenbar ein Spitzenkletterer mit nackter Brust und Wollkappe. Jedenfalls treffe ich oft auf diesen Typus von Helmlosen, gleichgültig ob bei 10 Grad unter null oder 35 darüber. Zum Sortiment von alpinen Sportartikelherstellern gehören heute auch elegante Klettermützen.

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Man lernt dazu: Der Autor mit Helm. Foto: zvg

Allerdings beobachte ich unter der jungen Generation vermehrt wieder Kletterer und Kletterinnen, die ganz selbstverständlich mit Helm unterwegs sind, auch im Klettergarten und beim Sichern ab Boden. Die Jungen sind wohl einfach vernünftiger geworden, und der Trend zum Kopfschutz wird sich sicher noch verstärken. Es wächst jetzt die sogenannte Generation Helmchen heran, die schon im Sandhaufen und auf dem Trottinett die Helmtragepflicht der Mama befolgt.

Dass man im Alter nicht unbedingt weiser wird, ist bekannt, aber ein bisschen vernünftiger kann man eventuell doch noch werden. Die Felsplatte, die dicht neben mir auf den Boden krachte, ist mir ziemlich eingefahren. Ich werde nächstens mal in einem Sportgeschäft die neuesten Helmmodelle anprobieren. Vielleicht gibt es ja solche, die aussehen wie Wollmützen.

SCHRIFTSTELLER, AUTOR,*Emil Zopfi ist Rentner, Schriftsteller und lebt in Zürich. Er ist seit über fünfzig Jahren Bergsteiger und Kletterer, www.zopfi.ch.

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23 Kommentare zu «Ohne Helm, ohne Verstand?»

  • Anna sagt:

    Ich schliesse mich da meinen Vorkommentatoren an. Wo nur Stroh oder gar nur Luft drin ist muss auch kein Helm drauf :-D

  • Simu sagt:

    Beim Klettern im Fels trage ich immer einen Helm egal ob Klettergarten oder Mehrseillängen. Habe noch nicht so viel Erfahrung und trotzdem schon genug „kleine“ Steine an mit vobeizischen gehört. Auch beim Velofahren trage ich praktisch immer einen Helm. Das Argument „nützt nichts“ ist leider hinfällig, weil man nicht voraussagen kann welche Situation eintreffen wird und deshalb auch nicht, ob der Helm dann etwas nützen wird oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vorfall eintrifft bei dem der Helm etwas nützt ist ausserdem um ein vielfaches höher als dass er nichts nützt. Soll jeder für sich entscheiden. Aber wenn ich Eltern mit Kindern, alle ohne Helm, in Klettergärten sehe finde ich das doch sehr Verantwortungslos.

  • bru sagt:

    Es ist wirklich ganz ganz einfach: Nichts drunter, braucht nichts drauf!
    Das ist bester Darwinismus ….

  • Stefan Moser sagt:

    Wer einen Helm trägt, der schützt sich besser. Punkt. Lässt sich einfach nicht wegdiskutieren. Vor allem wenn der Stein auf die Hand fällt! (@Frank, sorry, der musste noch sein.)
    Und trotzdem werde ich beim Klettern auch in Zukunft keinen Helm tragen. Manchmal frage ich mich überhaupt, wie ich eigentlich 44 Jahre alt werden konnte. Meine Eltern rauchten, ich habe mich nicht immer angeschnallt im Auto, fuhr ohne Helm Velo, hatte keine Knieschoner für meine Discoroller und esse bis heute Rohmilchkäse. Und manchmal frage ich mich, wie ich in Zukunft noch je eine Versicherungsleistung erhalten werde, wenn ich nicht lückenlos dokumentieren kann, bei jeder Tätigkeit alles Erdenkliche für meine Sicherheit getan zu haben. Schlussendlich bleibe ich lieber meiner persönlichen und individuellen Freiheit treu! Und Ja, keinen Helm zu tragen gehört dazu.

    • Michu sagt:

      Komische Beispiele.

      Ich habe nie 1,2,3, etc. benutzt und lebe immer noch.

      Nun, die anderen, welche das auch gemacht haben und jetzt tot sind können sich ja nicht mehr melden.

      Manchmal hat man einfach auch nur Glück.

  • Philippe sagt:

    Nachdem ich mir vor zwei Jahren eine üble Gehirnerschütterung geholt habe, nur noch mit Helm. Mit Helm wäre nur die Schulter lädiert gewesen. Das Ganze geschah an einer glatten, leicht überhängenden Wand in einer 7C, am letzten Hacken, also in einer Route wo eigentlich nichts passieren sollte.

    • Adi sagt:

      Nicht nur eine Gehirnerschütterung sondern auch eine üble Platzwunde am Kopf. War auch für den Sicherer ein ziemlicher Schock.. der ist jetzt auch nur noch mit Helm unterwegs. :)
      Bis zu diesem Vorfall war ich auch der Ansicht, dass wer auf den Seilverlauf acht gibt, nicht kopfüber ins Seil stürzen kann. Seither wissen wir es besser. Ein unkontrollierter Sturz ist halt genau das: unkontrolliert.

  • Martin sagt:

    Das mit der Helmtragerei ist ganz einfach, unabhängig von der Sportart (ich bin kein Kletterer): Es gibt zwei Arten von Köpfen, schützenswerte und nicht schützenswerte. Zu welcher Kategorie der jeweilig Kopf gehört muss dessen Träger entscheiden. Meiner ist schützenswert, ich habe nur diesen einen. Und deshalb schütze ich ihn mit einem Helm.

  • Aschi sagt:

    Bin noch älter als Zopfi. Trug schon Helm vor 55 Jahren. Schützte mich auch als ein Stürzender mit Steigeisen meinen Kopf touchierte.Im Fels hätte ich oft den Kopf angeschlagen. Kleinere Steine haben Helme mir x-mal abgewehrt bei Hagelschlag und Regen schützen sie auch.. Auf dem Bau werden Witwenrenten gekürzt von SUVA, wenn kein Helm getragen wurde vom Getöteten. Ein kleines Werkzeug fällt von einem Gerüst auf einen Mann und der ist tot. Alles erlebt zur Zeit ohne Helmpflicht am Bau. Wer auf den Bau keinen Helm trägt bekommt die gelbe Karte und beim zweiten Mal den definitiven Platzverweis (Arbeitsplatzverlust eventl.) durch den Bauleiter. Andernfalls kann die Bauaufsicht gestraft werden. Riskmanagement sollte für Bergsteiger wie ein Hobby gepflegt werden. Wo Eitelkeit vorherrscht wird das vielleicht vergessen.

  • Heinz Blaser sagt:

    Auch ich bin kein Freund von Helmen beim Klettern. Oftmals klettere ich in Gärten ohne Helm. Beim Sichern aber ziehe ich ihn an, da ich gegenüber meinem Kletterpartner eine Verantwortung trage. Was nützt ihm ein Sicherungspartner, der bewusstlos am Boden liegt?

  • YR sagt:

    Diese Weicheidiskussion mag ich nicht mehr hören. Sportler, die keinen Helm tragen bei einer Sportart, die eigentlich einen Helm benötigt, sind einfach verantwortungslose Egoisten. Ich gehöre zur ersten Generation der Snowboarder. Das war noch zu Zeiten, wo wir auf dem Hoch-Ybrig nicht willkommen waren. Helme gabe es dazumal noch nicht. Ich gehöre aber auch zur ersten Generation, die Helme trugen beim Boarden. Das war so Mitte der 90er Jahre. Wir wurden belächelt und mussten uns blöde Sprüche anhören. Bis zu dem Tag, als einer dieser „harten Sieche“ sich bei einem Sturz einen Schädelbruch zuzog. Ab dem Zeitpunkt hatte auch er einen Helm und sich bei mir entschuldigt für seine Sprüche. Er hatte noch Glück!

  • The American sagt:

    Gute Beschreibung eines Prozesses den viele, die vor den 90er Jahren aufgewachsen sind durchmachen. Galt ein Helm früher als Ausrüstung für Weicheier sind sie heute bei vielen Leuten eine Selbstverständlichkeit. Beim Bergsteigen kommt die Gefahr tatsächlich in Form von Gestein von oben und ein Helm macht Sinn. Bei Trottinetts ziehe ich allerdings eine Linie. Kleinkinder mit Helmchen, die doppelt so gross sind wie ihr Kopf und womöglich mit jeder Bewegung hin und herrutschen, damit sie ihr Trotti mit 2 km/h schieben können ist ein absurder Anblick. Aber der Helm ist zum Inbegriff von Sicherheitsdenken geworden und es verwundert mich nicht mehr, wenn selbst der Elektriker in meinem Haus mit Helm anrückt.

    • Nina sagt:

      Auch da relativiere ich persönlich: wenn die Kids auf dem Fussweg oder der Quartierstrasse bei uns ums Haus unterwegs sind, verlange ich keinen Helm. Aber wenn sie das Trottinette als Transportmittel benutzen auf dem Weg zum Dorfladen etwa (also der Hauptstrasse entlang auf dem Trottoir), dann sehr wohl. Sich am Kopf zu verletzen, wenn man umfällt mit dem Trotti, ist wohl eher unwahrscheinlich (sie fallen ja auch fast nie damit um), aber ein Zusammenprall mit einem Auto halte ich für wesentlich wahrscheinlicher…

    • Rainer Schmuck sagt:

      Bei Kleinkindern die mit Helm auf ihrem Trottinetts fahren geht es eher um die Erziehung als um die Sicherheit. Meine Töchter sollen lernen: Wenn man sich auf einem fahrenden Gefährt fortbewegt gehört der Helm auf den Kopf.

    • Markus sagt:

      Als Vater 2er Kinder mit Trottinetts waren wir schon oft um den Helm froh. Meine Kinder fahren auf dem Vorplatz und nicht auf dem Gehsteig. Sie fahren dabei auch nicht mit 2 km/h. Aber was soll es. Jeder Familienvater weiss welche Risiken er tragen möchte und welche nicht. Die kleinen Knirpse kann man für Papis Fehleinschätzung aber nicht verantwortlich machen.

  • Martin Gallmann sagt:

    Ich trug beim Free-Climbing auch nie einen Helm. Heute frage ich mich ehrlich gesagt auch: Warum eigentlich?

  • Frank sagt:

    Nur noch mit Helm unterwegs – insbesondere auch nachdem mir am Matterhorn ein etwa faustgrosser Stein aus etwa 3m Höhe auf die Hand gefallen ist… Seit letzter Saison auch mit dem Bergsteigerhelm auf Skihochtouren und normalen Skitourenabfahren unterwegs. Wie man bei Michael Schumacher sieht, braucht es nicht viel zum Unglück – sogar trotz Helm.

    • Alfred Frei sagt:

      Michael Schumacher zeigt doch gerade, dass ein Helm nichts nützt.
      Man muss sich doch fragen: was kann alles passieren ?
      In welchen Situationen nützt ein Help überhaupt und ist es dann auch sicher, dass er etwas nützt ?
      Dann entscheidet man, ob man dieses Risiko eingehen will.
      Oder man frägt andersrum :
      wie oft ist mir etwas passiert, wo ich um einen Help froh gewesen ware ?
      bzw. für Helpträger:
      in welchen Situationen hat mich der Help bisher gerettet ?
      Ich vermute mal, dass die Risikominimierung durch Helm minimal ist.

      • Greatsheep sagt:

        Das schöne Totschlag-Argument: Man nehme ein Extrem-Beispiel um eine scheinbare Wirkungslosigkeit zu demonstrieren; Hauptsache man hat die Lacher auf seiner Seite?!?. Klar bei 180 km/h in die Wand nützt Airbag, Gurt, Kindersitz nichts. Ein Grund im Stadtverkehr keinen Gurt zu tragen? Keinen Sitz für die Kinder? Schumacher wäre eher tot gewesen ohne Helm, so bekam er nochmals eine Chance.

      • Rainer Schmuck sagt:

        Das ist Ansichtssache. Nach Aussage von Schumachers Ärzten wäre so ein Unfall ohne Helm mit ziemlicher Sicherheit tödlich ausgegangen. Ob das nun besser ist als sein jetziger Zustand soll jeder selber für sich ausmachen.

        Beim Klettern trage ich auch einen Helm weil ich fast jedes Mal(!) erlebe wie in Stein (meistens nur kleine) oder nicht festgehaltene Ausrüstungsgegenstände irgendwo herunter fallen.

      • Alexander Beck sagt:

        > Ich vermute mal, dass die Risikominimierung durch Helm minimal ist.

        Diese Aussage mit Verweis auf einen extremen Unfall ist ziemlich kurzsichtig. Ihre Vermutungen und gerne auch der Glaube in allen Ehren aber ich weiss dass zumindest meine Frau und ein Freund von mir ohne Helm nicht mehr am Leben wären.

        In beiden Fällen kamen aus grosser Höhe und ohne Vorwarnung knapp faustgrosse Steine herunter und haben in beiden Fällen die Helmschale auch beim Aufprall zerstört. Ausser leichten Kopfschmerzen gab es jedoch keine weitern Folgen.

        Ich kann auch gerne einmal Bilder von meinem Helm zeigen der jetzt nach ein paar Jahren verdellt wie ein Golfball ist und nun ersetzt wird.

    • Roger Fankhauser sagt:

      Nicht falsch verstehen, ich finde es sehr gut, wenn sich jemand für den Helm entscheidet. Allerdings tragen Sie ja den Helm nicht an der Hand, sondern auf dem Kopf. Daher finde ich es einfach nur lustig, dass Sie wegen dem Stein, der Ihnen auf die Hand fiel, sich nun für das Helmtragen entschieden haben. Nur gut, dass der Stein Sie damals nicht am Kopf traf, sonst wäre die Entscheidung für einen Helm vielleicht zu spät gekommen.

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