Nach Feierabend

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Schaffen wir es bis Einsiedeln?

Ich hole Pino um fünf Uhr vor seinem Büro in Rüschlikon ab. Unser Weg soll uns per Velo in unbekannte Gefilde führen, auf holprigen Wegen und einsamen Strassen entlang der Sihl, des raubeinigeren der beiden Zürcher Flüsse.

Ich mag die Sihl. Ich schätze das verschlammte Wasser, das sie ins gepützelte Zürich bringt, aus den tiefen Einschnitten, die sie in den Kanton Schwyz gefräst hat. Pino hingegen kennt die Sihl kaum. Er verbindet den Fluss unglücklicherweise nur mit einer alten SF-Dokumentation über einen Serienmörder im Sihltal. Ausserdem war er noch nie in Einsiedeln, das er sich als kleines Bergdorf vorstellt.

Doch dafür bringt Pino andere perfekte Voraussetzungen für ein Mikroabenteuer mit. Ich würde es einmal mit Genussfähigkeit umschreiben. Eine kleine Badepause, ein Feierabendbier, ein Kaffee am See – mit ihm gehen diese Dinge sicher nicht vergessen.

Wir kaufen also einmal das Weissbier für das Abendbiwak ein, klettern Richtung Adliswil und treffen bald auf die Sihl, die sich im Abendlicht von ihrer besten Seite zeigt. Da Teerstrassen langweilig sind und wir etwas Zeit haben, quälen wir unsere Velos bis zur ersten Beiz lieber über Stock und Stein entlang des Sihluferwegs.

Gedruckte Karten, zwei Velos und ein lauer Sommerabend sind drei Dinge, die uns das Zürcher Hinterland auf eine perfekte Art erschliessen lassen. Anders als Internetkartendienste öffnen gedruckte Karten den Blick fürs grosse Ganze. Der Ägerisee wäre tatsächlich auch nicht so weit weg. Wo genau ist Biberbrugg? Welche dieser Strassen sieht vielversprechend abgelegen aus? So entstehen all die kleinen Erinnerungen, Assoziationen und ausgefüllte Wissenslücken, die uns mit der Landschaft, in der wir leben, verbinden. Um weisse Flecken auf der inneren Landkarte zu füllen, braucht es auf jeden Fall keinen Interkontinentalflug.

Schliesslich finden wir unseren Weg nach Einsiedeln. Die Fassade des Klosters im Abendlicht vermag Pinos anfängliche Enttäuschung über die unschöne Ladenmeile eingangs des Dorfes schnell zu überdecken. Unser Biwakplatz am Sihlsee mit im See gekühltem Feierabendbier ist das Tüpfelchen auf dem i.

 

  • Verständlich, warum Touristen von weit her kommen.

  • Mission erfüllt: Biwakplatz am See gefunden.

  • Seegekühltes Bier. Obwohl, so kühl war der See leider nicht.

  • Morgens um 5.45 Uhr.

  • Viel Platz braucht ein Nachtlager nicht.

Am nächsten Morgen wachen wir mit der Sonne auf und «verirren» uns gleich fast bis hinauf auf den Etzel. Die frühmorgendliche Abfahrt zum Zürichsee wird danach richtig spektakulär. Was für ein Weg, in den Arbeitstag zu starten.

Nach einem Migrolino-Espresso am See reicht die Zeit sogar noch für einen morgendlichen Schwumm im Badezimmerwasser-warmen Zürichsee. Trotzdem ist Pino noch vor neun zurück im Büro. Wir stellen uns vor, was wohl seine Bürokollegen gestern Abend gemacht haben und was wir alles in dieser kurzen Zeit zwischen dem gestrigen Schritt hinaus in den Feierabend und dem ersten Morgenkaffee erlebt haben. Nicht schlecht.

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Noch ein kurzer Sprung in den See vor Arbeitsbeginn.

mario-angstZwischen Feierabend und Morgen hat ein ganzes Abenteuer Platz. In einer kleinen Sommerserie berichtet Mario Angst hier über seinen Sommer voller #microadventures.

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5 Kommentare zu «Nach Feierabend»

  • Pino sagt:

    Hier kommt jetzt endlich noch die Aufklärung des mysteriösen Kriminalfalls oder zumindest um welchen es sich handelt. Hab die Doku wieder gefunden. Die Sihl zieht sich sozusagen als roter Faden durch die Geschichte. Die weiteren Opfermassen sind wohl in meiner Phantasie dazugestossen ;)

    http://tvprogramm.srf.ch/details/2dbe5bae-4ff2-4f42-953c-5bf097dc42c5

  • hitz sagt:

    Die Sympathie für die Sihl teile ich vollkommen. Ein schöner und unterschätzter Fluss und ein schöner und unterschätzter Weg, den sie da beradelt haben.
    Was mich aber trotzdem noch wunder nimmt: Serienmörder im Sihltal? Wann und wer soll das gewesen sein?

    • Mario Angst sagt:

      Ich wundere mich bis heute ebenfalls darüber. Eine kurze Recherche im SRF-Archiv konnte auch kein Licht ins Dunkle bringen, ich nehme daher langsam an, dass da eine Verwechslung mit dem Sihlquai vorlag oder es sich um einen Spielfilm handelte. Jaja die arme Sihl, sie hat es nicht leicht…

  • Durk Atron sagt:

    ausgezeichnet! ich verfolge Ihren Blog mit Freuden! Was für ein Zelt ist das auf den Fotos?

    • Mario Angst sagt:

      Vielen Dank für die netten Worte. Das Zelt ist ein günstiges „Pilgrim-Zelt“, dass ich vor etwa sieben Jahren gekauft habe (hier: http://www.aventura-travel.ch/19732/212501.html). Eine Marke steht nirgends drauf, Keine atmungsfähiges Material, kein High-Tech, keine Stangen (braucht etwas Kreativität), nicht doppelwandig (einzig Belüftungslöcher) und eines der einzigen Outdoor-Equipment-Dinge, die mich noch nie im Stich gelassen haben :).

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