Nebelsuppe und Wiener Schnitzel

Diese Woche von Müntschemier auf den Mont Vully und nach Vallamand-Dessus (BE/FR/VD)


Im Zug freuen wir uns vorerst, dass die Sonne scheint. Doch nach Bern wird es dunkel. In Müntschemier, wo wir aussteigen, klebt der Nebel. Mein Grüpplein murrt und knurrt. Letztlich folgt es mir aber doch brav ins Grau.

Die erste Etappe führt durch das Grosse Moos, das bis zu seiner Meliorierung ein böser Sumpf war; seither füttert es die halbe Schweiz mit Gemüse. Die gezähmte Fläche riecht nach den Kohlstrünken, die allenthalben auf der schwarzen Erde liegen.

Entlang des «Hauptkanals» geht es schnurgerade durchs Moos, wobei wir irgendwann die Bahnlinie von Ins nach Sugiez queren. Dann folgen wir dem Broyekanal nach Sugiez hinein. Wir brauchen jetzt etwas Gutes, Nebel demoralisiert. Toll, die Bäckerei Guillaume hat offen. Noch toller, es gibt Kaffee. Und am tollsten: Die haben Gâteau du Vully. Ronja nimmt die Regionalspezialität salzig mit Speckwürfeli, ich nehme sie süss und liebe den gezuckerten Rahmbelag. Das isst sich wie Nidelzeltli.

Der Vully, ein Keltenberg

Hernach machen wir uns an den Berg, dessen Namen der Kuchen trägt. Ein Mann mit Hund kommt uns entgegen, wir fragen ihn:«Avez-vous vu le soleil?» Nein, sagt er, keine Sonne auf dem Vully. Als wir auf dem Gipfel anlangen, stimmt das nicht mehr ganz. Die Sonne ist ein bisschen zu sehen. Sie kämpft mit dem Nebel, ohne wirklich zu obsiegen.

Weil es kurz etwas heller wird, ist uns der Anblick des Chasseral vergönnt, auf der anderen Seite zieht sich der Alpenkranz als graue Zackenlinie am Horizont. Mehrere Familien sind gerade daran, ein Feuer zu entfachen; sie packen Kaffeekrüge aus, Unmengen von Schüsseln mit Nahrung, Weinflaschen. Das wird ein Grossgelage.

Drei Dinge machen den Vully berühmt, abgesehen natürlich vom Kuchen und vom Wein. Erstens: Sandsteinhöhlen, die wir im wieder aufwallenden Nebel aber nicht finden. Zweitens: militärische Befestigungen aus dem Ersten Weltkrieg, an denen wir bald vorbeikommen. Die Bunker gehören zur Fortifikation Murten, die verhindern sollte, dass Angreifer von Westen Richtung Bern und Mittelland vorstossen.

Weiter unten die dritte Attraktion. Den Vully, der so imposant den 30 Kilometer breiten offenen Raum zwischen Jura und Saane bewacht, bewohnten schon die Kelten. Der Stamm der Helvetier errichtete ein Oppidum, eine befestigte Siedlung. Wie das aussah, demonstriert ein in unserer Moderne hergerichteter Erdwall, der mit Holzpfählen gesichert und mit Trockenmauern verkleidet ist.

001 starb jung

Nun geht es abwärts mit uns. In Lugnorre eine schöne Überraschung, die Auberge des Clefs. Wir treten ein, finden Platz, lassen uns nieder und stellen anhand der Karte fest, dass hier anspruchsvoll gekocht wird; meine iPhone-Recherche ergibt, dass das Lokal mit 16 «Gault Millau»-Punkten bedacht wurde. Macht nichts. Wir fühlen uns trotzdem wohl. Der Service ist unaffektiert. Und das Essen – ich habe ein Wiener Schnitzel – mundet ausgezeichnet.

Wir könnten nun den Bus nehmen. Aber der volle Bauch will Bewegung. Daher halten wir, durch Wiesen und Reben, via Mur – schönes Schloss! – nach Vallamand-Dessus. Dort erinnert ein Gedenkstein an Ernest Failloubaz, 1892 geboren, Sohn und Erbe eines reichen Weinhändlers. Er war Pilot, erhielt die Fluglizenz Nr. 1 des Landes, übernahm 1912 die Leitung des Flughafens Dübendorf und starb 1919 jung. Nein, kein Flugunfall. Er hatte sich geschäftlich ruiniert und erlag der Tuberkulose. Sie nannten ihn «fliegender Bub».

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Route: Müntschemier Bahnhof – Spitzallme – Weg am Hauptkanal – Lindergut – Brücke über den Broyekanal (Pont Rotary) – Sugiez – Mont Vully – Lugnorre – Mur – Les Dailles – La Motte – Le Tertre – Vallamand-Dessus.

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz: 320 Meter auf-, 240 abwärts.

Wanderkarte: 242 T Avenches, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Die Postautolinie Cudrefin–Avenches führt durch Vallamand-Dessus.

Rückkehr zum Ausgangspunkt: Es gibt verschiedene Varianten, Fahrplan online konsultieren.

Kürzer: Viele Abkürzungsmöglichkeiten, Beginn erst in Sugiez, Wanderende schon in Lugnorre. Auch verlängerbar ist die Wanderung, wenn man z. B. weiter nach Avenches zieht.

Charakter: Zuerst eine riesige Ebene, dann ein reizender Berg mit Weitsicht über das Gebiet der Trois Lacs und Rebhänge. Abwechslungsreich, nicht besonders streng.

Höhepunkte: Die den Frühling anvisierende Ebene des Grossen Mooses. Der Alpen- und Chasseralblick vom Mont Vully bei Nebelfreiheit. Die alten Bunker und Keltenbefestigungen auf dem Vully. Das grossartige Essen in Lugnorre.

Kinder: keine Probleme. Auf dem Mont Vully sollte man Kinder beaufsichtigen, der Flühe wegen.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: Mehrere Lokale. Hervorragend isst man in der Auberge des Clefs in Lugnorre. Mi/Do geschlossen. Reservieren!

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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3 Kommentare zu «Nebelsuppe und Wiener Schnitzel»

  • Guten Tag Herr Widmer, Ich möchte Sie und Ihre Begleitung gern zu einem feinen Dessert einladen, damit Sie nicht nur den Einstieg zu den Lamberta Höhlen finden, sondern auch die feine Küche vom Restaurant Mont Vully entdecken können.
    Wir würden uns auf einen Besuch freuen.
    Herzliche Grüsse vom Wistenlacher Berg (Mont Vully)
    Manuela Haupt
    Hôtel-Restaurant Mont-Vully
    Lugnorre

  • Héloise sagt:

    Die ganze Gegend ist empfehlenswert. Als Zürcherin mit Heimatort im Vully (deutsch „Wistenlach“) kenne ich natürlich auch die Sandsteinhöhlen (direkt unter dem „Gipfel“-Restaurant). Als Teenager haben wir nicht wenige Exkursionen dorthin unternommen, die waren jeweils in Sachen Coolness den vergleichbaren Zürcher Events in freier Natur ebenbürtig. Im gesetzteren Alter wurden die dann von langen, weinseligen Sommernachmittagen en famille am kleinen runden Tisch vor der Auberge des Clefs abgelöst – unvergessen. Danke für die Erinnerung!

  • hallo thomas

    als walliser der in bern stadt wohnhaft ist, kenne ich diese wanderung.
    ich war erstaunt, was für eine tolle alpensicht man vom mont vully hat. von hier wirken die alpen noch höher.

    ich wünsche allen viel spass

    gruss von
    raphael wellig http://www.raphaelwellig.ch

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