Vom Kurs abgekommen
Von Florentin Vesenbeckh

Der Eurosturz hat auch Auswirkungen auf die Schweizer Bikegeschäfte. Foto: Hobbes vs. Boyle, Flickr.
Manchmal bleibt einem nur die Zuschauerrolle im Film, der vor den eigenen Augen abläuft. Das Vorderrad blockiert, ein kurzer Moment von Schwerelosigkeit, der Blick fixiert den Boden. Plötzlich und unaufhaltsam kommen Wurzeln und Steine näher, bis der Körper seinen Abdruck im Dreck hinterlässt. Einen ähnlich heftigen Aufprall erlebt aktuell auch die Schweizer Wirtschaft – Velobranche inklusive. Die starke Aufwertung des Frankens trifft Hersteller, Distributoren, Händler und Touristiker gleichermassen. Aber was bedeutet das für uns Biker?
Der Kauf von Waren im Ausland wird durch den starken Frankenkurs billiger. Für die Industrie genauso wie für Endkunden. Importeure und Händler stehen unter Druck – die Preise müssen runter. Als erster Vertrieb kündigt Rotwild-Importeur Agentur Felix AG eine drastische Preisanpassung an. Kein Wunder, denn die Ware wird auf Bestellung direkt aus Deutschland bezogen – in der Schweiz wird kein Warenlager unterhalten. So kann das Unternehmen flexibel auf Kursschwankungen reagieren. Viel schwieriger ist die Situation für Händler und Distributoren, deren Lager vor dem Saisonstart voll sind. Schon lange im Voraus geordert und bezahlt – natürlich zum alten Wechselkurs. In Dollar genauso wie in Euro. Wer jetzt die Preise anpasst, tut das auf Kosten der eigenen Marge. Dennoch gehen Experten davon aus, dass eine Preisanpassung unausweichlich ist, wenn man die Kunden bei Laune halten will.
Was der Fahrradbranche schlaflose Nächte bereiten dürfte, freut die Schnäppchenjäger. Dank dem neuen Wechselkurs kann man bei einem Kauf schnell mal 1000 Franken sparen. Auch die Tourismusbranche trifft der entfesselte Franken hart. Das ohnehin schon hohe Preisniveau steigt für ausländische Urlauber weiter an. Und auch wir Schweizer werden uns mehr denn je fragen, ob der sparsame Abstecher ins Nachbarland nicht die bessere Alternative fürs lange Wochenende ist.
Trailgenuss im Ausland ist eine Sache, Shoppingtourismus die andere. Spätestens wenn all die Fahrradhändler ums Eck zugesperrt haben und man weite Wege zurücklegen muss, um das Hightechgerät zu warten, bekommt man jedoch die Quittung für kurzfristige Preisoptimierungen.
Die heftigsten Spuren hinterlässt der Einschlag bei Produkten made in Switzerland. Exportorientierte Schweizer Unternehmen wie DT Swiss leiden unter dem aktuellen Umrechnungskurs mindestens ebenso. Die Einsparungen durch günstigere Rohstoffe gleichen die Einbussen nur zu einem Teil aus.
Entscheidend wird sein, wo sich der Frankenkurs einpendelt. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich die Preisgestaltung noch nicht festlegen. Der grosse Vorteil: Die Entscheider können sich noch etwas Zeit nehmen, weil die Saison noch nicht brummt. Trotzdem ist ein Handeln gefragt. Denn neben der Kursentwicklung liegt es in den Händen der Branche, ob die Nase ungebremst mit der Wurzel kollidiert oder ein geschickter Armeinsatz den Körper am Boden abrollt.
Euroflucht oder Frankentreue – wo kaufen Sie Bikes und Teile? Beeinflusst die Kursänderung Ihr Einkaufs- oder Urlaubsverhalten? Sind Sie bereit, einen Teil der Mehrkosten zu tragen, oder sehen Sie allein die Händler in der Pflicht?
10 Kommentare zu «Vom Kurs abgekommen»
Ich bestelle seit Jahren alle Teile aus den UK, USA, Taiwan, Deutschland und verbaue alles selbst. Ich lasse selbst meine Laufräder in Deutschland fertigen: Kostenloses Crash Replacement, nur die ersetzten Teile müssen bezahlt werden usw. Die Gabel kann ich selbst zum Service zu Eighty-Aid senden. Ich habe keine Lust auf lange Reaktionszeiten, Schlechten Service und dann noch angemotzt zu werden, kaum steht man im Laden.
Ricardo ist noch immer mein Favorit bei Kleidern und Anbauteilen. Schneller als vom Ausland und bereits ohne Zoll-Kosten günstiger als jeder „richtige“ Onlineshop. Zudem unterstütze ich so noch halbwegs die CHer Wirtschaft. Da gibt es viele Verkäufer, die Neuware verkaufen – also genau das selbe wie im Laden um die Ecke. Wenn es mal nicht „neu“ sein muss ist der Preis sowieso unschlagbar.
Viel Glück und Erfolg den Bike-Shops für die nächten Jahre.
Ich bleibe bei Veloplus und dem Händler im Dorf.
Vergesst die sogenannten Fachhändler. Solange sich diese kollektiv weigern, mein über 50 jähriges Armeefahrrad zu reparieren, werde ich sicher auch nicht ein neues Velo überteuert hier anschaffen. Weshalb soll ich für einen Taiwanesischen Rahmen und Chinesisches Equipement so viel höhere Preise bezahlen? Solange bei vielen Velohändlern nur der Verkauf im Vordergrund steht, gibt es keinen Grund diese künstlich zu stützen. Wenn ein Velo jenseits der Grenze trotz Zoll-, MWST- und Transportkosten (inkl. evtl. Garantieeinforderungen) günstiger ist, warum soll dieses hier gekauft werden.?
Alles Rappenspalter, Profiteure und Egoisten! In der Schweiz verdienen und im Ausland einkaufen.
Meinen Sie jetzt die Velokäufer — oder die Velohändler?
Ich kaufe seit Jahren praktisch alles in DE oder GB. Die „Läden um die Ecke“ sollten sich auf’s Reparieren spezialisieren. Wer glaubt, mit einem Riesenlager (vom CH-Importeur) Geld zu verdienen, wird nicht überleben.
Ich kaufe schon seit ewig meine Ersatzteile online ein … und das beim jeweils günstigsten Anbieter. Reparaturen, sollte ich dieselben nicht selbst erledigen können, macht meine Fachwerkstatt hier in der Schweiz!
Panasonic-Batterie in Deutschland Original 3 x Günstiger. Mein Flyer wird in Deutschland mit einer neuen Batterie bestückt! In der Schweiz aber weiterhin gewartet und Repariert. Manneskraft mit CH-Lohn; die bilden auch noch aus. Aber warum soll ich Material, das im Ausland pruduziert wird, hier überteuert einkaufen? Und wenn 1 % über 50 % des CH-Vermögens besitzen, so soll mir niemand mit CH-Lohnkosten argumentieren, die Lohnkosten sind im Ausland, in der Schweiz wird dafür heftig von den Habenden mehr abgeschöpft. Meine Krankenkassenprämien sind in den letzetn 10 Jahren um 60 % rauf. Mein Lohn um ca 5 %. Nur die Reichen machten gewinn!
Ich werde wie bisher einkaufen. Bikes und Teile die schwierig einzubauen sind vom Fachhändler in der Schweiz. Verbrauchsmaterial, Bikekleidung und Verschleissteile im Internet (Ausland). Falls der Preisunterschied nicht eklatant ist, dann kaufe ich solche Teile auch in der Schweiz. Aber meist ist das Material 40-50% billiger im Ausland. Ich finde es wichtig einen guten Fachhändler „ums Eck“ zu haben für Servicearbeiten und Reparaturen. Aber teilweise sind die Preisunterschiede unanständig hoch; Bremsbeläge von Fachhändler Fr. 35.-, im Interner Fr. 16.-. Aber vielleicht wird das jetzt ja besser mit dem 1:1 Wechselkurs Franken zu Euro