Im Swarovski-Schnee
Diese Woche auf offiziellen Winterwanderwegen über die Marbachegg (LU/BE)
Bevor ich die Überschreitung der Marbachegg als eine der schönsten Winterwanderungen im Land preise, muss ich nüchtern etwas anmahnen: Man nehme die Wanderkarte 1:50’000 Escholzmatt mit. Marbachs Touristiker gehen irgendwie davon aus, dass man die Gegend und ihre Wege kennt. Zum Beispiel fanden wir in Marbach keinen Winterwander-Startwegweiser. Die Karte hilft.
So, geschafft, der Rest der Kolumne darf jubilieren. Am Neujahrstag fuhren wir von Escholzmatt nach Marbach Post. Wir stiegen aus, hielten auf die Kirche zu, bogen vor ihr links ab Richtung Lourdesgrotte und Nesslenboden – und jetzt die einfache Regel: Bis vor dem Gipfel auf dem Strässchen bleiben! Und auf Schlittler achten!
Psychodrama im Entlebuch
Wandern ist Psychodrama, immer wieder. Wir mussten uns die Sonne erobern, die den Gegenhang hinter uns bereits vergoldete. Die erste Stunde gingen wir im Schatten, es war um die zehn Grad minus, wir schlotterten. Herrlich, wie uns endlich, nachdem wir der Enge des Steiglenbach-Einschnittes entronnen waren, die ersten Strahlen wärmten.
Und dann eine gleissende Winterlandschaft, die Dächer der Hütten und Ställe wattiert mit Schnee, die Eiszapfen glitzernd und tropfend, das ganze Hochland ein einziges Funkeln. Und ganz nah ein Bergmassiv, das um ein Vielfaches mehr beeindruckt als die Eiger-Mönch-Jungfrau-Trilogie. Die Schrattenfluh ist ein Massiv wie aus einem Western. Urzeitlich, runsendurchfurcht, Arizona im Entlebuch.
Ungefähr bei Wittenfären hatten wir die Marbachegg direkt vor uns. Doch wie hoch sie noch über uns hockte! Gleich darauf sahen wir zur Linken den Abzweiger hinab nach Bumbach, den wir im Abstieg nehmen würden. Wir hielten weiter auf unsere Egg zu, passierten ein Speicherseelein und bogen endlich rechts ein in den steilen Skihang; am Rand der Piste machten wir die letzten gut 60 Höhenmeter der ersten Etappe.
Oben etwas Rummel, man kann ja auch mit der Gondel auf die Marbachegg. Wir tranken etwas im Berggasthaus Eigerblick, das besser Schrattenfluhblick hiesse. Hernach liefen wir auf der Krete vorwärts zum Stein auf der Grenze von Luzern und Bern, fast schwerelos wandelten wir im Licht. Und als wir auf demselben Weg zurückkamen, eroberten wir uns den Aussichtspunkt gleich oberhalb der Bergstation der Gondel. Ein Deltasegler stürzte sich gerade ins Leere. Der Weissenstein und der Chasseral fesselten uns.
Der Mond ist aufgegangen
So weit Wanderetappe zwei, unser Glück angesichts der Sonne, der Gipfel und Fluhen rundum, den Swarovski-Schnees denke sich der Leser bitte hinzu. Etappe drei wurde nicht minder schön. Wir stiegen von der Bergstation wieder ab zu besagtem Abzweiger nach Bumbach. Die Regel auch für den folgenden Abschnitt: Bis ganz hinab auf dem Strässchen gehen, das als offizieller Winterwanderweg gepfadet wird.
In Bumbach endeten wir im Schatten. Gross war der Hunger. Gerade wollten wir die Alpenrose betreten, als ein Postauto direkt vor uns anhielt. Wir stiegen ein, einfach so, und fuhren vier Kilometer ins Tal der jungen Emme hinein. Hinten, wussten wir, gab es das Hotel Kemmeriboden-Bad. Mit Schweinsbratwurst, Rotwein, Meringue schloss dort die Wanderung. Als wir am späten Nachmittag heimfuhren, war über der Schrattenfluh bereits der Mond aufgegangen.
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Vorbemerkung: Es handelt sich um offizielle Winterwanderwege, die unterhalten werden. Zum Grossteil geht man auf verschneiten Strässchen, selten kommt ein Auto, mit Schlittlern ist zu rechnen. Über vereiste Stellen helfen Schuhkrallen. Für das steile Stück vor der Marbachegg am Rand der Skipiste helfen Stöcke.
Etappe 1: Marbach Post (Bus) – vor der Kirche links Richtung Lourdesgrotte und Nesslenboden (auf diesem Strässchen bleiben bis praktisch zur Marbachegg) – Nesslenboden – Wittenfären – Abzweiger Bumbach – Ober Lochsitli – letzte 100 Meter vor der Marbachegg auf dem gewalzten Rand der Skipiste – Marbachegg Bergstation/ Restaurant Eigerblick.
Etappe 2: Bergstation Marbachegg – Stein auf der Kantonsgrenze – retour. Nicht verpassen sollte man den Zwei-Minuten-Abstecher gleich bei der Bergstation 20 Meter hinauf zum Aussichtspunkt (Plattform für Hängegleiter, Tiefblick nach Marbach und Blick zum Napf, Weissenstein und Chasseral).
Etappe 3: Bergstation Marbachegg – retour bis zum Abzweiger nach Bumbach (gemäss Sommerwanderweg, auf dem Strässchen) – Unter Lochsitli – Wäldli. Am Schluss, Bumbach vor Augen, bleibt man gemäss Sommervariante auf dem Strässchen und kommt zum Skilift Bumbach (Bus). Oder man biegt bei guten Verhältnissen links ab (Wegweiser Schneeschuhwanderweg, auf der Wanderkarte schwarze Linie) und kommt via zwei Bauernhöfe auf meist gepfadetem Strässchen zur Alpenrose Bumbach (Bus, Restaurant). Beide Endpunkte sind ohnehin nicht weit voneinander entfernt.
Wanderzeit: Etappe 1: 2 Stunden. Etappe 2: ¾ Stunden. Etappe 3: 1 ¼ Stunden. Total 4 Stunden.
Höhendifferenz: Etappe 1: 620 Meter aufwärts. Etappe 2: unbedeutend. Etappe 3: 570 Meter abwärts.
Wanderkarte: 244 T Escholzmatt, 1 : 50’000. Es lohnt sich, sie mitzunehmen, die Winterwanderroute ist gar nicht oder schlecht beschriftet; pinke Abzweiger (Schneeschuhrouten) verwirren, etwa beim Nesslenboden, wo man auf dem Strässchen bleiben soll. Eine – nicht besonders präzise Karte – gibt es im herunterladbaren Prospekt von Marbach Tourismus. Die Etappe 1 ist dort beschriftet mit N, die Etappe 2 mit O, die Etappe 3 mit M.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Buslinie Kemmeriboden (beim Hotel Kemmeriboden-Bad) – Bumbach – Schangnau – Marbach – Escholzmatt Bahnhof.
Kürzer: Jede der drei Etappen ist einzeln wanderbar. Auf die Marbachegg kommt man mit der Gondel ab Marbach.
Charakter: Eine der schönsten Winterwanderungen der Schweiz mit grossartiger Aussicht, die ihresgleichen sucht. Offizielle Winterwanderrouten auf unterhaltenen Strässchen. Mittlere Anstrengung. Keine besonderen Gefahren, einzig vor vereisten Stellen muss man sich in Acht nehmen. Und vor Schlittlern.
Höhepunkte: Der Austritt aus der Giftkälte in die Sonne irgendwann nach dem Nesslenboden. Der Blick vom Aussichtspunkt nah der Bergstation der Marbachegg zum Weissenstein und Chasseral. Schrattenfluh und Hohgant als dominierende Berge auf dem Weg von der Bergstation zum Grenzstein und retour. Der Abstieg mit der Sonne im Gesicht nach Bumbach.
Kinder: Gut machbar.
Hund: Keine Probleme.
Einkehr: Restaurant Eigerblick auf der Marbachegg, ganze Wintersaison täglich geöffnet. Alpenrose Bumbach, Di Ruhetag. Das Hotel Kemmeriboden-Bad, Mo Ruhetag, liegt nicht an der oben beschriebenen Drei-Etappen-Route. Hin kommt man per Bus von Bumbach. Oder zu Fuss auf dem Winterwanderweg vom Skilift Bumbach der Emme entlang (Langlaufloipe) in 1 ¼ zusätzlichen Stunden. Sehr gute Küche, berühmte Meringues.
Das Gebiet um die Marbachegg, vom Gleitschirm aus gesehen (Quelle: Youtube)Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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