Eine Erstbesteigung in der Arktis von einem Segelboot aus

Ostgrönland: Ralph Villiger und Harald Fichtinger sind die ersten Menschen auf dem Kirken. Obwohl der Gipfel auf der Karte falsch eingezeichnet ist, lässt das Felstürmchen keinen Zweifel daran, das dies William Scoresby’s Church Mount ist. (Alle Bilder: Ralph Villiger und Harald Fichtinger)

Ostgrönland: Ralph Villiger und Harald Fichtinger sind die ersten Menschen auf dem Kirken. Obwohl der Gipfel auf der Karte falsch eingezeichnet ist, lässt das Felstürmchen keinen Zweifel daran, dass dies William Scoresbys «Church Mount» ist. (Alle Bilder: Ralph Villiger und Harald Fichtinger)

Seinen Namen hat der Kirken nicht von ungefähr. Kirken bedeutet auf Dänisch Kirche – und genau wie eine solche sieht dieser Berg aus. Markant ragen seine steilen Felswände in den Himmel,  der Doppelgipfel zeigt verblüffende Ähnlichkeit mit einem Kirchendach und einem Kirchenturm. Entdeckt wurde dieser Felsberg in Ostgrönland vor 200 Jahren vom englischen Arktisforscher William Scoresby jr. Er nannte ihn Church Mount. Bestiegen hat ihn allerdings noch nie jemand – bis nun im August der Basler Ralph Villiger (38) und der Österreicher Harald Fichtinger (40) kamen. Eine eingespielte Seilschaft, über die wir im Outdoor-Blog schon berichteten.

Vom Meer gesehen: Der Kirken ist der auffälligste Berg von Liverpool Land. Er sieht aus wie eine Kirche.

Vom Meer gesehen: Der Kirken ist der auffälligste Berg von Liverpool Land. Er sieht aus wie eine Kirche.

Wie so oft bei einer Erstbesteigung in abgelegenen, wilden Gegenden entwickelte sich auch bei diesem Grönlandabenteuer die Kletterei als «nur» eine von vielen Herausforderungen. Villiger und Fichtinger hatten sich vorgenommen, den Mount Kirken im Kleinstteam «sauber» zu besteigen, das heisst, auch auf Flugzeug (zumindest ab Island) und Helikopter  zu verzichten. Also segelten sie zu zweit ab Island an die Küste von Liverpool Land, eine Halbinsel etwas nördlich vom Scoresby Sound. Diese Seereise dauerte vier Tage.

Auf der Überfahrt nach Grönland segeln sie an einem etwa 400 Meter langen, von Nebel umhüllten Eisberg vorbei.

Auf der Überfahrt nach Grönland segeln sie an einem etwa 400 Meter langen, von Nebel umhüllten Eisberg vorbei.

Angaben zum Kirken hatten die beiden wenig. Lange kannten sie den Granitturm lediglich von einem Bild aus einem Buch. «Später kamen zwei Fotos auf Google Earth hinzu.» In einer unbeschriebenen Bucht, die in keiner Karte eingezeichnet ist, gingen sie vor Anker. «Die Schwierigkeiten lagen in der Abgeschiedenheit des Berges und unserem Expeditionsstil», sagt Villiger. «Mit einem Segelschiff erreicht man solch entlegene Gebiete, allerdings muss für das Schiff auch eine sichere Ankerbucht gefunden werden – insbesondere bei der Konstellation als Zweierteam, die kein Personal für eine Ankerwache übrig lässt.» Was passiert, würde sich das Boot losreissen, aufs offene Meer treiben, oder auf die Steine an der Küste, will man sich nicht ausdenken.

Das Boot liegt sicher vor Anker in einer Bucht im Norden der Kirken. Der Berg ist allerdings nicht direkt einsehbar, was die Routenfindung erschwert.

Das Boot liegt sicher vor Anker in einer Bucht im Norden des Kirken. Der Berg ist allerdings nicht direkt einsehbar, was die Routenfindung erschwert.

Eine Ankerbucht fanden die beiden nur im Norden des Berges vor. Von hier ist der Einstieg in der avisierten Felswand hinter einem Zwischengrat versteckt, der Weg führt über einen Gletscher. Kommt hinzu, dass der Kirken auf verschiedenen Karten falsch eingezeichnet ist. Prompt gingen Villiger und Fichtinger den «falschen» Berg an.

Ralph Villiger sitzt am ersten Tag auf dem falschen Gipfel. Der Kirken ist im Hintergrund.

Ralph Villiger sitzt am ersten Tag auf dem falschen Gipfel. Der Kirken ist im Hintergrund.

«Beim zweiten Versuch fanden wir den richtigen Zustieg, allerdings nur nach einem weiteren Verhauer.» Den Hauptgipfel des Kirken erreichten die beiden dann über sechs Seillängen (6b) in festem Granit. Von Boot zu Boot brauchten sie 16 Stunden. «Eine merklich leichtere Route scheint uns von keiner Seite aus möglich.»

Jetzt auf den richtigen Berg, den Kirken: Harald Fichtinger im Vorstieg. Die Kletterei ist im Schwierigkeitsgrad 6b in meist solidem Granit.

Jetzt auf den richtigen Berg, den Kirken: Harald Fichtinger im Vorstieg. Die Kletterei ist im Schwierigkeitsgrad 6b in meist solidem Granit.

Die Kletterei habe ihn an Chamonix erinnert, so Villiger. «Allerdings als wären die Alpen auf 3000 m ü. M. überflutet.» Offiziell sei der Kirken 1209 Meter hoch. «Eine eigene Messung ergab jedoch lediglich 1108 Meter.» Auch dies ein Indiz, wie verlassen und wenig erkundet diese Region noch immer sei. Aufgrund der Beschreibungen von Scoresby sind sie sich aber sicher, dass sie auf dem Church Mount standen. Koordinate: 71° 07.4’N 021° 48.8’W. Eine kombinierte Gletscher-Schnee-Fels-Tour im Niemandsland.

Nach der Besteigung segelten die beiden wieder zurück nach Island, wo Fichtinger von Bord ging. Villiger segelte noch einhand nach Schottland, wo das Boot über den Winter bleibt und auf das nächste Abenteuer wartet.

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4 Kommentare zu «Eine Erstbesteigung in der Arktis von einem Segelboot aus»

  • Marco Leupin sagt:

    Mich hat vor allem die Reise auf dem Segelboot von Island nach Grönland und zurück beeindruckt, und dann auch vor allem das Einhandsegeln von R. Villiger zurück nach Schottland.Die Beiden scheinen Profis auf See und in den Bergen zu sein. Kompliment und Respekt!

  • Meier Peter sagt:

    Wie habt ihr die eigene Höhenmessung gemacht?

  • hallo mitenand
    ich gratuliere ralph und harald zu den super schölnen kletttereien. das was sie hier verwirklicht haben, ist kreativität, ideen reichtuam, begeisterung, entdecker geist… kurz sie sind einen schritt ins fantastischer gegangen.
    sie haben auch gezeigt, das das abenteuer berg abseits der modeberg auf dieser erde immer möglich sein wird.
    ich wünsche ralph und Harald weiterhin viele solcher touren, und freue mich, von den beiden wieder wieder grandiose fotos und berichte zu sehen.
    gruss von
    raphael wellig http://www.raphaelwellig.ch

  • Joachim Adamek sagt:

    Segeln & Klettern: Eine „Auszeit“ ganz nach meinem Geschmack. — Beim Lesen wurde mir abermals klar: Wenn man nicht gezwungen ist, auf irgendwelche “Modeberge” zu steigen oder Höhen- und Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, wird das Abenteuer wieder zu dem, was es ursprünglich war: Die Entdeckung des Unbekannten, etwas wirklich Einmaliges, absolut Unwiederholbares.

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