Wie gefährlich sind Velorennen?
«Der gefährlichste Sport der Welt»? Gesammelte Unfälle. Video: CTFUcycling/Youtube
Die Schweizer Radsportgemeinschaft stand diesen Sommer unter Schock: Im Juni stürzte an den Radsporttagen in Gippingen ein Radrennfahrer derart tragisch, dass er kurz darauf verstarb. Insgesamt kamen vier Teilnehmer zu Fall, als ein weiterer in der Abfahrt die Gruppe überholte. Die drei weiteren Gestürzten kamen mit mittelschweren Verletzungen davon. Der Rennfahrer, der den Sturz durch sein Überholmanöver vermutlich ausgelöst hatte, wurde für eine Woche in Untersuchungshaft genommen. Laut der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau sind die Untersuchungen noch am Laufen.
Der ambitionierte Hobbyrennfahrer, der den Sturz nicht überlebte, war in seinen Dreissigern und wollte bald heiraten. Seine Leidenschaft für den Radsport wurde ihm zum Verhängnis. Sein Tod hat den Schweizer Radsportlern auf brutale Art die Risiken an Velorennen ins Bewusstsein gerufen: Wie gefährlich sind sie? Hatte der Gestürzte einfach unfassbares Pech, oder fährt der Tod mit als unsichtbarer Teilnehmer?
Offensichtlich birgt die Teilnahme an Velorennen objektive Gefahren: Es muss schon auf der Hut sein, wer dicht an dicht in einem Fahrerfeld, oft ohne besonders viel zu sehen, mit hoher Geschwindigkeit auf teilweise schmalen und kurvenreichen Strassen dahinrast. Bei den Profis gehören Stürze denn auch praktisch zum Berufsrisiko. Profirennen ohne Helme wie noch vor 2003 sind heute undenkbar. Wohl auch dank der Helme gehen die meisten Stürze relativ glimpflich aus. Bilder von Rennfahrern, die mit zerrissenem Trikot und blutigen Schürfungen heldenhaft weiterpedalen, sind nicht selten.
Abseits von Profirennen gibt es keine rationalen Gründe, ein Sturzrisiko einzugehen. Allerdings bestehen bei den Teilnehmern von Hobbyrennen grosse Unterschiede bezüglich des Fahrkönnens. Nicht alle sind es gleich gewohnt, im Feld zu fahren, und eine falsche Reaktion in einem Feld kann unangenehme Folgen haben. Einige Bekannte von mir sind in einem Rennen schon mal zu Boden gegangen – auch ich blieb nicht von der Bekanntschaft mit einer Zielgeraden verschont. Zum Glück kam ich – wie die meisten – mit Schürfungen davon.
Auf Wikipedia findet sich eine Liste von tödlich verunglückten Radrennfahrern, die bis in die Anfänge des Radsports zurückreicht. Inklusive Gippingen nennt sie seit 2010 acht tödliche Unfälle an Velorennen – im Durchschnitt zwei pro Jahr. Das sind jährlich zwei Todesfälle zu viel; doch in Anbetracht der unzähligen Kilometer, die weltweit an Velorennen gefahren werden, scheint die Zahl nicht hoch.
Die traurige Liste erzählt auch etwas über die Unfallgeschichte an Velorennen: So gingen bis in die 30er-Jahre die meisten Unfälle auf das Konto der Steher-Motorräder bei Bahnrennen. Wenn den Töffs Reifen platzten oder Motoren explodierten, wurden auch mal Zuschauer mit in den Tod gerissen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Strassenrennen populärer, entsprechend verlagerten sich auch die Unfallzahlen. Ein grosser Teil der verunglückten Strassenrennfahrer verstarb nach Kollisionen mit Autos oder Lastwagen, oft auch nach einem Rennen oder im Training.
Auf der Liste finden sich auch Todesfälle, die nicht dem Velofahren angelastet werden können. So wurde etwa Paul Medinger, ein französischer Bahnfahrer, 1895 nach seinem Rücktritt vom Radsport von seiner Ehefrau umgebracht. Oder Adolphe Helière ertrank am Ruhetag der Tour de France 1910 im Mittelmeer.
Die Tatsache, dass sich alle Namen in einer Liste unterbringen lassen, legt nahe, dass Todesfälle an Velorennen Seltenheitswert haben. Swiss Cycling bestätigt, der Unfall in Gippingen sei der einzige wirklich tragische Vorfall in der Schweiz der letzten Jahre. Häufiger seien hingegen Stürze mit Schürfungen oder Schlüsselbeinbrüche.
Normalerweise geht auch in objektiv heiklen Momenten alles gut – dank der zwingenden, hohen Aufmerksamkeit und der sportlichen Rücksichtnahme der Rennfahrer und -fahrerinnen. Wenn es Stürze gibt, führen diese nur selten zu schlimmen Verletzungen. Mit etwas Gewöhnung und dank der positiven Erfahrungen fühlen sich Velorennen nicht gefährlich an, auch wenn es für Zuschauende riskant aussehen mag. Wer nicht daran gewöhnt ist, dem kommt auch eine Autofahrt grauenhaft gefährlich vor. Wobei eine Autofahrt statistisch wohl tatsächlich gefährlicher ist als ein Velorennen.
Es ist zu hoffen, dass der Vorfall Sponsoren, Clubs und Organisatoren nicht davon abhält, sich weiter für den Radsport zu engagieren. Die Erinnerung an Gippingen sollte in der Radsportgemeinde aber wach bleiben und helfen, tragische Unfälle zu verhindern.
13 Kommentare zu «Wie gefährlich sind Velorennen?»
Ist eigentlich der Veloblog ausgestorben? Seit Oktober gibt es keinen Beitrag mehr.
Grüezi Herr Joss, Velo-Beiträge erscheinen bald wieder; die Sache ist in Planung. Die Redaktion
feuchte bretter sind auch mit gutem Profil in kurven vorsichtig zu fahren,bahn uberquerungen müssen auch neunzig gradig befahren werden nicht immer kommt keiner von hinten,dann sind die regennassen eisen gar kein halt für gummi,öftere nötige vollbremse bringt Katapult welches bei mir mit den füssen voran meist wenig schaden quittiert.achtzig zu fahren ist mit dünnen reifen ein hazzard bei dem mit jeder Bodenwelle die Ideallinie neu zu definieren ist.schön ist es dennoch die speichen pfeifen zu hören.
Ich fahre sowohl Mountainbike, als auch Strassenrennen. Zwar falle ich beim Biken öfters um, dennoch erachte ich den Strassensport als gefährlicher, das die Verletzungen (Schlüsselbein) schlimmer sind.
Beim CC fahre ich ohne Schoner. Bei Enduro habe ich Protektoren an.
Leider wird in Richtung Körperschutz meiner Meinung nach zuwenig entwickelt. Da ist noch viel Luft nach oben. Wünschen würde ich mir leichte und angenehme Kleidung, die auch schützt: Helm mit Geschichtsschutz, Trikot/Hosen mit „Schürf“-Schutz. Das sollte doch möglich sein, oder?
viel wichtiger waere, wenn vor allem hobbysportler ihre aktivitaet der physischen verfassung und den technischen faehigkeiten anpassen. und wenn man totale sicherheit will, dann darf man viele sportarten eigentlich gar nicht mehr ausueben.
Zuerst, mein Beileid den Angehörigen des Verstorbenen. Radsport (Strasse) gehört er für mich zu den härtesten Sportarten, ob es die gefährlichste ist wage ich jedoch zu bezweifeln. Gefährlich allerdings finde ich, dass sich viele Hobbysportler (Strasse, MB oder was auch immer) heutzutage verbissen auf Leistungsniveau bewegen wollen, ihnen jedoch die physische und technische Fertigkeit dazu fehlt und wohl auch unerreichbar bleibt. Helme, Protektoren und andere Schutzausrüstung wiegen den Fahrer in falscher Sicherheit und verleiten zur ohnehin schon latenten Selbstüberschätzung.
Natürlich ist das alles ja ganz furchtbar gefährlich! Gibt es denn auch Statistiken darüber, wieviele Menschen sich verletzen, wenn sie morgens aus dem Bett aufstehen und auf dem Bettvorleger ausrutschen? Am besten bewegt man sich nur noch mit Integralhelm, im Vollschutzanzug und mit Sauerstoffgerät.
Zuhause vor PC oder TV zu sitzen und an Herzverfettung oder einer anderen Kreislauferkrankung abzuleben ist sicher nicht minder gefährlich. Allerdings völlig unspektakulär, man kann keine reisserischen Filmchen (die zudem die Schadenfreude bei so manchen Couchpotatoe erhöhen und als Rechtfertigung für die eigene Trägheit dienen, nicht wahr?) darüber veröffentlichen.
gibts dazu statistiken das das tatsächlich der gefährlichste sport ist? was ist mit mountainbike? bodenturnen? den ganzen extremsportarten?
Danke für das tolle Unfallvideo. Ein wenig Gore erhellt doch jedes Herz.
Ich habe gerade an einem bekannten Bike Race (Cross Country) über 77km teilgenommen und bin bereits bei Kilometer 15 gestürzt: Schulter kaputt, trotzdem weiter gefahren und als Drittletzter durch’s Ziel. Betrachte ich Motocross-Rennen mit Motorrädern, dann fällt mir vor allem eines auf: Die Fahrer gehen dort sozusagen voll gepanzert ins Rennen, mit Rückenprotektoren, Schulter-, Knie- und Ellbogenschonern. Ein Mountainbike-Rennfahrer hat das bis dato offenbar nicht nötig: Warum egentlich nicht?
Bei XC Rennen ist das Gewicht des Bikes und des Fahrers wichtig, daher verzichtet man wohl auf diese zusätzlichen Gramm Gewicht, die ja nicht durch PS sondern durch Muskelkraft bewegt werden, womit sich hiermit Ihre Frage auch schon beantwortet hat. Ausserdem können Sie meines Wissens diese Schoner tragen wenn sie möchten, ich glaube nicht dass sie daran gehindert werden.
schauen sie sich mal die mountainbike enduro oder freeride rennfahrer an. da sind mehr oder weniger protektoren vorgeschrieben. früher waren auch beim downhill nichts vorgeschrieben. die zeiten ändern sich. unbestritten ist, dass cc wegen des spektakels immer technischer gemacht wird. gerade der tod einer jungen fahrerin diese saison kurbelte die diskussion über die künstliche erhöhung der schwierigkeit / des spektakels bei fehlenden protektorenvorschriften wieder an. aber es steht ihnen als cc fahrer ja auch ohne vorschriften frei, welche zu tragen. ich passe das bei meinen touren den zu erwartenden abfahrten an. ausserdem verletzt man sich gemäss eigener erfahrungen auch mit protektoren. ps: motocross maschinen wiegen viel mehr als ein bike und die geschwindigkeiten sind viel höher.