Das Wunder aus dem Kraftraum

Ein Gastbeitrag von Emil Zopfi*

OB

Ganz so viele Muckis hat sich unser Autor (noch) nicht antrainiert. Aber die Arbeit im Kraftraum hat sich im Fels bereits ausbezahlt. Foto: Istolethetv/flickr

Kraftraum – nein danke! So dachte ich bis vor kurzem, und wenn ich mal durch ein Fenster in so eine Trainingshalle blickte, kamen mir die Menschen, die sich an diesen seltsamen Maschinen abstrampelten, vor wie Androiden in einem Science-Fiction-Film – während draussen die Sonne schien, der Flieder duftete und die fernen Berge im Frühlingsschnee glänzten. Bis vor kurzem, sage ich. Denn inzwischen bin ich bekehrt.

Training war für uns junge Kletterer in den Sechzigerjahren ein Begriff, der vielleicht für Fussballer oder Marathonläufer Bedeutung besass, aber doch nicht für Bergsteiger. Wir schwebten in höheren Sphären, denn Bergsteigen war «mehr als Sport» – ich glaube, diese Auffassung herrschte sogar im Alpen-Club vor. Training würde diese hehre Beschäftigung mit dem Gebirge irgendwie ins Profane herunterholen, das Klettern auf die gleiche Stufe stellen wie Waffenlauf oder Kugelstossen. Ein ehemals berühmter Bergsteiger, der einiges älter war als wir, kletterte zwar gelegentlich nach Feierabend beim Bahnübergang in Uster an einem Nagelfluhwändchen herum. Skurril, aber na ja, der Mann war schon über vierzig und seine grossen Tagen waren Geschichte.

Der Gedanke einer Kletterhalle lag ferner als die Antarktis

Der Winter war für Skitouren da, im Frühling luchsten wir mit dem Feldstecher ins Wägital, und wenn sich unter den Bockmattlifelsen ein aperer Fleck zeigte, gings los zur ersten Klettertour. Und die war stets die Hölle. Im Herbst waren wir noch locker durch die Namenlose Südwand geturnt, im Frühling quälten wir uns wieder von Haken zu Haken und litten anschliessend eine Woche lang unter Muskelkater. Erst gegen Sommer kamen wir so richtig auf Touren, falls es nicht den ganzen Frühling geregnet hatte. So ging das Jahr für Jahr. Kletterhallen gab es nicht, selbst der Gedanke, dass wir dereinst an Plastikgriffen in einer alten Industriehalle in der Agglo, umtobt von Kindergeschrei und heiser vom Magnesiastaub, unsere Muskeln und Fingerkraft stählen würden, lag uns ferner als die Antarktis. Selbst der Klettergarten auf der Mettmenalp, wo damals schon SAC-Sektionen und Naturfreunde über Pfingsten an den Felsblöcken übten, war weit unter unserer Würde. Unser Klettergarten war das Bockmattli mit der 400 Meter hohen Nordwand.

Es gab Freunde, die das Klettern aufgaben, als die Kletterfinken aufkamen und uns die Jungen leichtfüssig um die Ohren tänzelten. Zürcher Freaks trabten am Feierabend auf den Uetliberg, hängten sich in die Fingerlöcher der Nagelfluhblöcke unter dem Kulm, trainierten wie wild und brachten so Begriffe ins Spiel wie «all free» oder «rotpunkt». Im Bockmattli eröffneten sie Routen, wo wir nicht einmal den ersten Haken erreicht hätten. Das war hart, aber mit der Zeit bin ich doch so etwas wie ein Sportkletterer geworden und klettere, wenns geht, «rotpunkt». Doch mit den Jahren begann sich die Leistungskurve nach unten zu neigen, während – alterstypisch – die Ehrgeizkurve steil nach oben ausschlug. Was tun?

Eine Bekannte – sie ist auch schon über siebzig – schwärmte während einer Einladung bei Wein und feinem Essen vom Kraftraum, den sie seit zwei Jahren besuche. Ich meldete mich an, wurde von einer sportlichen Dame an den Maschinen instruiert und schaffte letzthin im Fels nach langer Zeit wieder mal eine 6c – «on sight», wohlverstanden.


Quelle: Youtube

SCHRIFTSTELLER, AUTOR,Emil Zopfi ist Schriftsteller und lebt in Zürich. Er ist seit über fünfzig Jahren Bergsteiger und Kletterer.

 

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7 Kommentare zu «Das Wunder aus dem Kraftraum»

  • franz Weber sagt:

    Ich gehe auf die 40 zu habe jedoch einen Body eines 25 jährigen. Trainiere schon seit 20 Jahren, bin aber auch oft im Ausgang und ernähre mich „hauptsächlich“ Gesund. Als ich letztens wieder einmal Kollegen aus der Primarzeit angetroffen hatte, war ich unendlich froh, dass ich so konsequent an mir arbeite und nicht wie ein couchpotato aussehe. Wo bleibt euer Stolz? Noch schlimmer sind all die Frauen die sich toll finden und nicht merken wie Sie aufgehen!!!!
    Wer ein bisschen auf sich schaut sieht gerne mal 10 jahre jünger aus als er/sie es ist.

    • Jean-Claude Béhar sagt:

      Ich stimme zu. :-) JC Béhar, 8132 Egg

      • clados sagt:

        Gratulation für ihre Disziplin! Ich finde nämlich auch ältere Leute dürfen noch ein Körpergefühl haben und sollen sich nicht verstecken, obwohl 40 ja noch kein Alter ist. Ich liebe meine Nachbaren, die sich mit 70 noch herausputzen, Sport machen und wirklich grandios aussehen!

    • Michael sagt:

      Sie armer – Sie sehen immer noch so aus wie ein Jüngling ? Und haben dafür auch noch Geld bezahlt ? Und wer ist der Meinung das Ihr Körper der eines 25 jährigen ist ? Stellen sie sich mal neben einem echten 25ig jährigen, da werden sie schon ein paar deutliche Unterschiede erkennen. Und was haben Sie gegen Falten einzuwenden ?

      • Peter M. sagt:

        Michael um 16:48,
        ich kann mich Franz Weber nur anschliessen. Wenn man 2-3/Woche ins Fitness geht und zudem noch Ausdauersport zB. Hochtouren/Skitouren macht, sieht mein 45jähriger Körper (inkl. kleinem 6-Pack) bestimmt durchtrainierter aus, wie der eines Durchschnitts 25-Jährigen, der gerne Bier konsumiert und Sport vorwiegend vom TV kennt. Zugegeben, im Gesicht habe ich, und wohl auch Franz Weber ;-) etwas mehr Falten.

  • Greatsheep sagt:

    Ich kann dem nur beipflichten. Ob simples Wandern, Klettern, Skifahren etc. Kraft- und Ausdauertraining verbessert klar die Leistung und verhindert/vermindert Verletzungen. Ich sah den Unterschied als meine Frau mit Training anfing, ich sehe die Unterschiede in Aktivitäten mit anderen. Besonders mit über 40 Jahren gelingt es bald nicht mehr mit „Jugend“ Untrainiertheit irgendwie zu kaschieren. Diese sind dann vielfach einfach „fertig“ und plagen sich dann mit Muskelkater rum oder gar mit Zerrungen und ähnlichem.

  • Peter M. sagt:

    Krafttraining ist super geeignet als Unterstützung für Klettern, Hoch- und Skitouren. Spezifisch kann die Rumpf-,Arm- und Beinmuskulatur trainiert werden. Zudem Ausdauer- und Geschicklichkeitstraining zB. bei schlechtem Wetter oder falls nur wenig Zeit über den Mittag. Viel Spass machen ebenfalls die Kurs zB. BodyPUMP mit Hanteln & Musik.

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