Mit dem Snowbike auf Rekordjagd
Ein Gastbeitrag von Stefan Michel*
Verschiedentlich war in diesem Blog von hautengen Kleidern und aalglatten Bikern die Rede. Neuer Leader der Stromlinienförmigkeit unter den im Outdoor-Blog-Beschriebenen ist der Luzerner Biker Flo Jurt. Und das kam so: Seit einigen Jahren tauscht er jeweils zu Beginn des Winters die Räder seines Downhill-Bikes gegen Ski. Möglich macht dies das im Entlebuch entwickelte Umbau-Kit. Freestyle Snowbike heisst das Gerät offiziell, nicht zu verwechseln mit dem Skibob, der in den Achtzigern kurz populär war und der mit Mini-Ski an den Füssen im Sitzen gefahren wurde. Das Snowbike ist ein Mountainbike ohne Bremsen, Schaltung und mit Motocross-Fussrasten statt Pedalen.
In seiner Freizeit führt Flo Neulinge in die Kunst des Snowbikens ein und zwischendurch fährt er gerne etwas schneller – was eigentlich nicht die Kernkompetenz dieses Schneesportgeräts ist. Irgendwann kam dann die Idee vom Geschwindigkeitsweltrekord auf. 170km/h wollte Flo erreichen, eine Marke, die so schnell nicht geschlagen werden würde. Das Schweizer Fernsehen begleitete ihn nach Vars in den französischen Alpen, wo er am Rand der Speed-Ski-Weltmeisterschaften immerhin 138 km/h schaffte. Die Verantwortlichen liessen den unbekannten Schweizer und sein neues Gefährt nur im untersten Drittel der Piste starten. Enttäuscht reiste Flo nach Hause. Und es kam noch schlimmer: ein paar Wochen später schaffte der schwedische Snowbiker Raymond Georgsson 139 km/h.
Die 170km/h liessen Flo keine Ruhe. Zusammen mit Studierenden der ETH peppte er sein Snowbike aerodynamisch auf, von einem Speed-Skier lieh er sich Latex-Anzug und Speed-Helm. In Andermatt fand er ein Gebiet, das ihm den roten Teppich ausrollte. Der Bernhard Russi Run gehörte ihm, ein Pisten-Bully-Fahrer planierte nach seinen Wünschen noch die letzten Unebenheiten. Und das Wichtigste: Der Fahrer konnte so weit oben starten, wie er wollte. Die Kameras des Schweizer Fernsehens liefen wieder mit (siehe Video unten). Flos neustes Abenteuer wird im Frühling 2015 als Winter-Challenge zu sehen sein.
Schon im Training, noch mit Töff- statt Speed-Helm, erreichte Jurt 140,57 km/h – Weltrekord. Was dann passierte, lässt sich am ehesten als unglückliche Verkettung der Spezifika des Snowbikes, der Vernunft des Piloten und der Wärme der Sonne beschreiben: weil das Ende des Auslaufs etwas schneller auf ihn zuraste, als ihm lieb war, begann er sehr früh und noch fast mit Top Speed zu bremsen. Bremsen lässt sich das Snowbike ausschliesslich durch Querstellen und Driften. Die Frühlingssonne hatte die Piste inzwischen aufgeweicht und die Skikanten gruben sich in den Sulz. Ein klassischer Highsider war die logische Konsequenz. Bike und Flo flogen durch die Luft, der Fahrer rutschte danach noch rund 70 Meter weiter. Mit blauen Flecken und grossflächigen Verbrennungen kam er davon. Latex, mit 120 km/h über die Piste gezogen, wird heiss, verdammt heiss.
«Ich bin extrem enttäuscht», gab er danach zu Protokoll, «Ich hatte perfekte Bedingungen hier und ich hatte noch gar nicht begonnen, richtig schnell zu fahren.» An weitere Versuche war nicht zu denken, zu gross der Schaden am Bike – der Vorderski war regelrecht zerfetzt worden – und zu gross die Schmerzen und der Schreck. Auch bei Flos Freundin. Die will von weiteren Speed-Fahrten gar nichts wissen. Weder das Management von Bullskate noch die Skiarena Andermatt-Sedrun schliessen jedoch aus, dass es einen weiteren Rekordangriff geben wird.
Was halten Sie von solcherlei Speed-Rekorden? Ab welcher Geschwindigkeit flattern bei Ihnen auf dem Rad die Nerven?
*Stefan Michel ist Journalist, Texter, Outdoor- und Ausdauersportler – ein Freerider, der sich die Abfahrt gerne aus eigener Kraft verdient, ob auf dem Bike oder dem Snowboard. Daneben auch leidenschaftlicher Gümmeler, Läufer und Open-Water-Schwimmer.
7 Kommentare zu «Mit dem Snowbike auf Rekordjagd»
Schneller, weiter, höher, … solche Dinge sagen mir je länger je weniger. Wenn es dem Herrn Jurt was bringt, soll er machen, was er will.
Haaresträubend…..
ein etwas technisch weiter entwickelter Skibob ohne Stützski an den Füssen, da fahre ich doch lieber mit dem gewöhnlichen Downhillbike die Piste runter. Am Allalindownhill liegt der Geschwindigkeits Rekord bei 144kmh, für einen „Normalbiker“ liegen 120kmh ohne besondere aerodynamischen Features drin und kontrolliert bremsen ist allweil kein Problem. Für mich ist ein Snowbike in keiner Weise attraktiv, eher ein schwierig zu kontrollierendes „Pseudo Speedgerät“
nicht so voreilig mit solch kritischen aussagen thomas Salomon! hast du es denn überhaupt schon mal probiert? ich wette um 50.- das es dir gefällt! du bist hiermit eingeladen!
Danke für die Einladung, würde aber das Gerät vorerst nur mit Skiern unter den Füssen ( Stützräder) auf Tempo bringen :)
Ich finde solche Geschwindigkeitsrekorde generell etwas Dummes, Gefährliches und Unnützes. Ich habe keinen Geschwindigkeitsmesser an meinem Liegetrike, fahre aber grundsätzlich defensiv und lass es auch bergab nur so schnell laufen, dass ich mich noch sicher fühle und bei plötzlich auftretenden Gefahren noch bremsen kann, d.h. sind Kinder usw. in Sichtweite mit angepasster Geschwindigkeit und in Bremsbereitschaft. Wir VelofahrerInnen sollten den Ehrgeiz haben mit mehr Hirn zu fahren als die AutofahrerInnen schliesslich haben wir auch keinen Blechpanzer mit Knautschzonen und Airbags um uns herum. Wir können nur das Hirn mit einem Helm schützen.
Ich finde solche Ideen eine gute Sache. Und aerodynamisch aufgepeppt sieht sein Schneevelo gar nicht aus.