Der Höhepunkt der Radsaison

Das Alpenbrevet ist ein herrlicher Anlass für Rennvelofahrerinnen und -fahrer: Anette Michel während einer Abfahrt, 31. August 2013. (Foto: alphafoto.com)
Soll ich hier über einen Radsportanlass bloggen, bei dem mein Name zuoberst auf der Ergebnisliste steht? Als gute Schweizerin prahle ich nicht gerne mit meinen Leistungen, aber das kann ich schlecht unerwähnt lassen. Das Alpenbrevet ist nämlich jeweils der Höhepunkt meiner Radsportsaison. Ein derart grossartiger, perfekt und zugleich unkompliziert organisierter Anlass verdient es unbedingt, «bebloggt» zu werden – ganz abgesehen von meinem diesjährigen Ergebnis. Zudem gibt sich das Alpenbrevet nicht wirklich kompetitiv; es gibt weder eine Siegerehrung noch eine Ergebnisliste mit Rängen. Längst nicht alle Teilnehmenden fahren möglichst schnell; vielen geht es darum, überhaupt die Strecke zu bewältigen oder diese maximal zu geniessen.
Zum ersten Mal wurde das Alpenbrevet bereits 1978 organisiert, seither wurde es fast jährlich durchgeführt. Zur diesjährigen Ausgabe rollten vor einem Monat rund 2500 Velobegeisterte aus über 30 Nationen im Morgengrauen in Meiringen über die Startlinie. Noch auf der Strecke kann man sich laufend für eine der drei Strecken entscheiden, die über drei, vier oder fünf Alpenpässe, 130 bis 280 Kilometer und rund 4000 bis 7000 zu bewältigende Höhenmeter führen.
Jauchzer in der Abfahrt
Wie schon vor zwei Jahren hatte ich mir wiederum die «Gold»-Strecke über Grimsel-, Nufenen-, Gotthard- und Sustenpass vorgenommen: 170 Kilometer und 5300 Höhenmeter in einem Tag reichen mir für Glücksgefühle. Es ist ein einzigartiges Gefühl, mit so vielen gleichgesinnten Velofahrern auf dieser grossartigen Strecke unterwegs zu sein. Das Allerbeste sind für mich die Abfahrten. Durch die eindrückliche Landschaft zu sausen, den Wind zu hören und zu spüren, möglichst optimal in die Kurven zu liegen, ist einfach der Hammer. Ein paar Jauchzer konnte ich auch am Alpenbrevet nicht unterdrücken. Während der Bergfahrten bleibt dafür umso mehr Zeit, das eindrückliche Panorama zu geniessen. Unterwegs tun sich Blicke auf wilde Seitentäler, Gletscher und Bergbäche auf. Am Strassenrand blüht die alpine Flora und Kühe glotzen einen an.
Das Wetter meinte es gut mit dem diesjährigen Alpenbrevet; es war ein Traumtag. Petrus’ Goodwill ist nicht selbstverständlich: letztes Jahr musste der Anlass wegen Schneefalls abgesagt werden, und vor drei Jahren musste nicht nur die Strecke wegen eines Bergsturzes geändert werden, sondern den Teilnehmern war auch noch starker Regen bei tiefen Temperaturen beschert.
Auf jedem Pass warteten gutgelaunte Helfer mit Verpflegung auf mich. Auf dem Grimselpass war es noch kühl; ich trank eine Bouillon und zog für die Abfahrt die Windjacke an. Auf dem Nufenen bot man mir einen Schuss Enzian ins isotonische Getränk an. Die Tremola, die alte Holperstrasse auf den Gotthard, kenne ich mittlerweile gut. Wie immer war ich trotzdem froh, als das Geholper zuoberst auf dem Pass endlich vorbei war. Die Zeit der Abfahrt zwischen Andermatt und Wassen, in der Schöllenenschlucht, wurde dieses Jahr vom Endresultat abgezogen. Dies hatte die Urner Kantonspolizei verfügt, damit sich keine Radfahrer durch die vielen Autos zu riskanten Überholmanövern verleiten liessen. Als Folge entsprach nun die Reihenfolge der Zieleinfahrt nicht mehr unbedingt derjenigen auf der Ergebnisliste – eigentlich schade. Trotzdem fiel mir die Streckenneutralisierung nach Andermatt mit Erleichterung ein – endlich konnte ich mir ein Büschlein suchen und meine Blase entleeren, ohne dabei Zeit auf meine direkten Konkurrentinnen zu verlieren!
Strassen für den Verkehr nicht gesperrt
Nach Wassen auf der Sustenpassstrasse wurde ich von mehreren Motorrädern dröhnend und zum Teil gefährlich nahe überholt. Das ist der einzige Wermutstropfen am Alpenbrevet: Die Strassen sind nicht gesperrt. Auf der «Gold»-Strecke merkt man das fast nur am letzten Pass, Grimsel und Nufenen befährt man zu früh, und auf der Tremola hat man meist sowieso weitgehend seine Ruhe.
Eine Sperrung wenigstens des Sustenpasses, über den die Teilnehmer aller drei Alpenbrevet-Strecken fahren, wird kaum je möglich sein. Zu wichtig ist diese Verbindung den Bernern und Urnern. Stattdessen ist das OK des Alpenbrevets seit Jahren daran, die Stimmung aller Beteiligten zugunsten einer Sperrung von Grimsel und allenfalls Furka zu beeinflussen.
Der guten Stimmung unter den Velofahrern taten die paar Töffs keinen Abbruch. Gegenseitig machten wir einander Mut – es war nicht mehr weit bis zur letzten Passhöhe!
Nach einer schnellen Abfahrt wurde mir im Zielbereich – ich war schon längst am Buffet mit den Früchten – gesagt, ich sei auf meiner Strecke die schnellste Frau gewesen. Surprise! Obwohl es mir in der Tat bestens lief, war ich überzeugt gewesen, eine oder mehrere schnelle Damen seien bereits im Ziel. Acht Stunden hatte ich für die vier Pässe gebraucht. Gute Beine und der Wind, der netterweise öfter von hinten als vorne blies, ermöglichten mir die gute Zeit, eine Portion Glück dazu noch die prominente Position auf der Ergebnisliste.
Haben Sie auch schon am Alpenbrevet mitgemacht? Sind Sie nächstes Jahr ebenfalls am Start?
23 Kommentare zu «Der Höhepunkt der Radsaison»
Herzlichen Dank für den inspirierenden Artikel. Ich habe bereits 3x für das Alpen-Brevet trainiert – leider musste das Rennen letztes Jahr wegen Kälte und Schnee abgesagt werden. Als ehemaliger Marathonläufer – 50x sub 3 – ist das Rennradfahren zu meiner neuen Passion geworden.
Da im 2013 das Wetter in der Schweiz, den eh schon harten Sport noch etwas herausfordernder gemacht haben, war ich mit meiner Leistung beim Silber Brevet 2013 mit 52 Jahren zufrieden: 6:57 Stunden; 186. von 630 Teilnehmern.
Der Artikel und Ihre Leistung werden mich dazu anregen 2014 nochmals Gas zu geben!
fahre lieber alleine die pässe hoch und runter. dazu gibt es einfache grundsätze: nicht am wochenende und noch wichtiger schlechtwetterpiloten haben die pässe meist für sich ohne tausende töffs und gümmeler ;-)
Ja, es war super!
http://tomalp.over-blog.net/et%C3%A913-alpenbrevet-silber-tour
Glückwunsch zu der tollen Leistung!
Ich und meine Familie wollten letztes Jahr an den Start gehen. Das hatte ja leider nicht funktioniert. Somit starteten mein Partner und ich in diesem Jahr einen neuen Versuch.
Mich hat von Anfang an die Gold-Runde gereizt, allerdings war ich nicht sicher das schaffen zu können. Also die Zeiten vom langsamsten Fahrer 2011 ausgedruckt. Wenn ich schneller als er oben aufm Grimsel bin, geh ich auf Gold. Und ich war erfolgreich.
Es ist ein toller Kampf, der sehr viel Freude bringt. Freu mich aufs nächste Jahr!
ich war auch da, das dritte mal und ich werde wieder kommen. Das Wetter war dieses Jahr wieder mal super, um einiges besser als letztes Jahr, was allerdings auch nich so schwer ist.
Mir ist auch aufgefallen, dass die Helfer immer sehr freundlich und aufgestellt sind. Das gibt neben all der guten Verpflegung wieder viel Energie. Speziell finde ich jeweils den Bergkäse, den es an den Verpflegungsposten gibt. Da ich aber einen Rossmagen habe, der damit umgehen kann, freue ich mich immer wieder auf den kulinarischen Teil.
Ich werde auf jeden Fall wieder kommen.
Wie wäre es, wenn der Outdoorblog nächstes Jahr 1 Monat vor Ablauf der Anmeldefrist einen Aufruf an die Leser und Kommentatoren macht, wer den mitfahren wolle?
Ich melde mich für die kleinste Strecke an, fahre aber nur bei trockener Witterung.
Toll geschrieben! Ich war das erste Mal dabei und habe es ganz ähnlich empfunden. Gute Stimmung bei Helfern und Teilnehmern. Und das in einer grandiosen Naturkulisse. Wenn nur diese blöden Motorräder nicht wären… Aber das gilt leider für alle Pässe und die ganze Saison. Da hilft nur früh aufstehen bzw. sich nicht die Laune verderben zu lassen.
Schade, dass es die MTB-Strecke nicht mehr gibt. Ich bin sie einmal gefahren. War 1a!!!
Ich gratuliere Ihnen herzlich zu dem Resultat. Für mich ist das Alpenbrevet ein grossartiger Anlass für Breitensportler.
Allerdings wird beim Alpenbrevet ganz bewusst auf eine Rangliste verzichtet, deshalb finde ich es etwas komisch, wenn Sie Ihren Artikel damit beginnen, dass Sie Ihre Kategorie gewonnen haben. Sie hätten Ihr Resultat einfach aussen vor lassen und nur über den tollen Anlass schreiben können.
Ja habe schon 2 x am organisierten Alpenbrevet mitgemacht. Damals gings aber noch von Andermatt los. das 1. mal Gotthard/Nufenen/Furka. das 2 x Oberalp/Lukmanier/Gotthard.
Glückwunsch zur tollen Fahrt.
Mich würde interessieren, wie viele Kilometer du in der Vorbereitung (bzw. Januar – August) gefahren bist?
Danke für die Glückwünsche, Hans!
Zu meiner Vorbereitung kann ich Ihnen leider keine genauen Angaben machen, da ich immer ohne Messgerät unterwegs bin: ich habe keine Ahnung wieviel ich gefahren bin.
Ich bin das Alpenbrevet (3Pässe) auch schon öfters gefahren. Dieses Jahr zog ich es vor auf das Stilfserjoch zu fahren,
das am gleichen Wochenende stattfand und verkehrsfrei war. 9300 Teilnehmer sind hochgefahren. Ein einmaliges Erlebnis.
Wow, herzliche Gratulation!
Leider konnte ich bis jetzt noch nie am Alpenbrevet mitfahren, da es bis jetzt nicht in meine Saisonplanung gepasst hat.
Dieses Jahr bei der Tortour ging es mir aber sehr ähnlich wie dir: auf den Abfahrten hab ich immer laut vor mich hin gesungen (so lange niemand in der Nähe war ;-) ) – aus Freude an der schönen Aussicht, dem Vergnügen auf dem Velo zu sitzen und aus Spass am Leben.
Was gibt es Schöneres als mit dem Rennvelo unterwegs zu sein?
Es war wiedereinmal ein super Anlass mit tollem Wetter. Fast hätte ich mich noch zur Platinrunde verführen lassen, hatte dann aber doch rechtzeitig ein Einsehen und bog Richtung Tremola zur Goldrunde ab.
Grosses Dankeschön an die Organisatoren. Und Gratulation der Bloggerin.
und ich dachte immer, der höhepunkt der radsaison seien die neuesten dopingfälle.
„Ich dachte immer“
Das darf bezweifelt werden.
Mein Telefon funktioniert!
Da haben Sie wohl etwas nicht ganz verstanden.
Gratuliere zum tollen Resultat! Ich gehe auf die 60 zu und war 2013 zum ersten Mal dabei. 10 Stunden auf dem Velo für drei Pässe und das mit einem Velo, das nicht gerade ideal war. Das Alpenbrevet ist ein gut organisierter Anlass, die Aussichten sind wunderschön, die Abfahrten auch, man leidet, wie es sich gehört und will nächstes Jahr wieder dabei sein, trotz der lästigen Motorradfahrer.
Ehrlich gesagt mache ich da lieber an Anlässen wie dem Bike-Marathon im Engadin mit. Da fährt man 137 km und 4000 Höhenmeter in der reinen Natur, auf Feld- und Wanderwegen und nicht auf Strassen. Da ist nicht nur Kondition sondern auch Fahrtechnik gefordert und von Töffs ist weit und breit nichts zu sehen. Ich wohne seit mehr als 10 Jahren im Glarnerland und bin auch noch nie über den Klausen geradelt, weil das mit allen Motorrädern um mich herum einfach keinen Spass macht. Und genau darum kann ich auch auf das Alpenbrevet verzichten. Aber jedem das Seine…
Ich war auch dabei u.empfand den Verkehr auch oft als störend. Als RR ist man so etwas allerdings den Rest des Jahres gewöhnt. RR halt auf der Straße und MTB halt im Gelände. Ich weiß, es gab früher auch beim Brevet eine Offroadstrecke. Könnte man ja wieder ins Leben rufen.
Einziges echtes Manko war für mich, daß es kein Veranstaltungstrikot (nicht mal käuflich) zu bekommen gab. Hätte sogar bis zu 60,-€ dafür gezahlt.
Ansonsten ist der Alpenbrevet eine der schönsten Veranstaltungen seiner Art.
Ich fahre eine Pässerunde lieber „unorganisiert“ und nicht an einem Wochenende. So ist es mit dem Verkehr erträglich und ich kann mir den Tag mit dem passenden Wetter aussuchen. Zudem brauche ich keine Zeitnahme, da ich nur gegen mich fahre…