Die 1747. Wanderung von René P. Moor
Diese Woche der Gürbetaler Höhenweg (BE)
Als ich in Kehrsatz aus dem Zug steige, steht René P. Moor da und winkt. Kurzes Händeschütteln, dann eilen wir den Schienen entlang rückwärts bis zur Bahnschranke. Schnelles Umsteigen hat Prioriät. Jawohl, da ist die Bushaltstelle.
Es ist der 15. Mai. Die kalte Sophie wirkt; es ist kühl. Dem Niesel zum Trotz freuen wir uns, dass wir nun zusammen ins Gelände ausziehen, nachdem wir bisher vor allem miteinander mailten.
René und ich, wir wandern beide. Wir bloggen darüber. Und wir schreiben Bücher – wenn ich erst im September über diese Mai-Wanderung berichte, dann darum: Jetzt ist Renés zweites Buch erschienen, das ich empfehlen möchte. Man erlaube mir einen Exkurs. René ist in der Schweizer Wanderszene der Quergeher. Er wählt seine Routen wider den Massengeschmack: traversiert als Urbanethnologe Basel samt Agglo, schneidet den Lägerngrat im rechten Winkel und wandert am liebsten im Hudel. In „Gehzeiten“, zu dem ich mit Freuden das Nachwort beisteuerte, sind die Touren gesammelt: zum Nachwandern, Sinnieren, Schmunzeln über den mobilen Dadaismus.
Kleine und grosse Dinge am Weg
Nun wieder zu unserer Wanderung, die auf meinen Wunsch konventioneller Natur ist. Der Bus hat uns hinauf zum Alters- und Pflegheim von Kühlewil getragen. Hier ist es grün und ruhig. Nun, theoretisch ist es ruhig. René und ich geraten in ganze Pulks von Wanderern: Es ist Schweizerischer Zweitagemarsch. Der Gürbetaler Höhenweg entpuppt sich dennoch als gute Wahl. Zum einen wegen der Aussicht: Unter uns liegt das Gürbetal, das Chabisland zwischen Bern und Thun. Dahinter wölbt sich die Hügeldecke des Emmentals. Und vor uns ragt das Stockhorn. Und dann sind da die bemerkenswerten kleinen und grossen Dinge am Weg, der immer wieder mal ein bisschen steigt und fällt. Nach Englisberg reckt sich im Wald ein Bär aus Holz in die Höhe, eine Kinderschreck-Skulptur. Bald passieren wir den „Teufelsstein“, der einst auf dem Aaregletscher anritt. Und an einem Bauernhof entdecken wir ein Schild mit dem Motto „Live well – laugh often – love much!“
René und ich haben uns unterdessen das halbe Leben erzählt, nun weiss ich, woher sein Wanderhang stammt. Ursprünglich SBB-Disponent, sattelte er bald, um dem Büro zu entkommen, auf die Outdoorbranche um, ging zu einem grossen Reisezubehörladen, gründete ein Trekking-Unternehmen und arbeitete für mehrere Freizeitorganisationen. Heute, mit 47, ist er wieder im Trockenen tätig, als Marketing- und Kommunikationsmann in Spiez.
Das zweigeteilte Restaurant
Nachdem uns eine seilgesicherte Treppe durch Sandsteinfluhen samt Höhle steil abwärts geleitet hat, erreichen wir das Restaurant Gutenbrünnen. Wir essen. Dann gibts zum Dessert den Rest der Strecke: Sie tangiert das Textilmuseum der Riggisberger Abegg-Stiftung und führt durchs hübsche Tobel des Mülibaches hinab zur Station Thurnen. Unter dem alten Wellblech-Tonnendach warteten einst die Kurgäste der Belle Epoque auf die Kutsche hinauf zum Gurnigelbad.
Im Restaurant „Bahnhof“ des Nachbarortes Burgistein, wo René samt Familie wohnt, nehmen wir ein Bier. Dies war, sagt René, seine 1747. Wanderung. Noch mehr staune ich darüber, wie sie hier das Nichtraucher-Raucher-Problem gelöst haben. Eine Scheibe zerschneidet die Wirtschaft, wie einst eine Mauer Berlin zerschnitt. Da sitzen sie nun, der Housi auf der einen, der Fredu auf der anderen Seite, sehen sich und sind doch getrennt. Wenn das nicht eine Geschichte für Renés nächstes Buch hergibt!
Route: Theoretischer Beginn des Höhenwegs: Bahnhof Kehrsatz. Die Kolumne startet etwas weiter oben beim Heim Kühlewil (Bus ab Bahnhof Kehrsatz). Kühlewil – Englisberg – Winzenried – Hofmatt – Rossweid – Falebach – Gutenbrünnen – Uf der Mur – Abegg-Stiftung (Riggisberg) – Mühlethurnen – Station Thurnen.
- Dauer: 4 1/2 Stunden.
- Höhendifferenz: circa 450 Meter aufwärts, 700 abwärts.
- Charakter: Panoramaweg, immer wieder geht es auch leicht auf- oder abwärts. Wegen der Steilpartie vor Gutenbrünnen sind gute Schuhe nötig.
- Höhepunkte: Die Sandsteinfluh vor Gutenbrünnen mit der Höhle. Das nahe Stockhorn. Das grüne Gürbetal.
- Einkehr: Restaurant Gutenbrünnen. Mo, Di geschlossen. www.gutenbruennen.ch
- Landeskarte 1:25 000: 1187, „Münsingen“ deckt den Grossteil ab. Gratisprospekt mit guter Karte beim Verkehrsverband Region Gürbetal, 031 819 39 39.
Wanderblog: http://widmerwandertweiter.blogspot.com/
Neuerscheinung: René P. Moor, „Gehzeiten“. www.wanderwerk.ch
Thomas Widmers Wanderbücher gibt es im Echtzeit-Verlag, www.echtzeit.ch.
3 Kommentare zu «Die 1747. Wanderung von René P. Moor»
Diese Route werde ich auch machen. Es gibt scheinbar viel zu entdecken, täglich und direkt vor der eigenen Nase. Alf shukker.
Schwacher Artikel über eine Gegend die eigentlich viel mehr zu bieten hat. Die Routenwahl scheint wohl eher auf eine möglichst kurze Verbindung zwischen Beizen ausgerichtet zu sein. Schade.
Come On
Gracias
Ivan