Teamzeitfahren – ein Freundschaftsrisiko?

Liebe Leserinnen und Leser, die Tortour 2013 hat ihre Tücken, dazu gehört auch das Fahren in der Mannschaft. Anette Michel bloggt heute über erfolgreiche Teamleistungen.


Es gefällt mir, hinter dem grossen Rücken des Fahrers vor mir zu rollen; fast zieht mich sein Sog von alleine mit. Jetzt aber fährt er links weg und übergibt mir die Führung. Der Fahrtwind bläst mir entgegen, und ich muss den Druck auf die Pedale verstärken. Ich versuche das Tempo zu halten, etwa eine halbe Minute lang. Dann blicke ich nach hinten, um sicher zu sein, dass die Strasse frei ist, gebe mit dem Ellbogen das Zeichen für die Ablösung und lasse mich links entlang der Gruppe zurückfallen, während der nächste Fahrer die Führungsarbeit übernimmt.

Das Anstrengendste für mich kommt jetzt: auf der Höhe des letzten Fahrers beschleunige ich wieder auf das Tempo der Gruppe, möglichst schon etwas Windschatten erhaschend, und reihe mich zuhinterst wieder ein. Die Anstrengung des Vorausfahrens macht sich bei mir meist erst hier bemerkbar: Ich fange an nachzuatmen, und genau dann muss ich mein Tempo steigern. Ist das aber geschafft, kann ich mich im Windschatten der Gruppe erholen.

Der Windschatten ist dein Freund

Vergangene Woche haben wir für die Tortour, ein Rennen das über 1000 Kilometer non-stop durch die ganze Schweiz führt und Mitte August stattfindet, das Fahren im Team geübt: Dort wird unser 6er-Team «Tamedia» in der ersten Etappe bei Schaffhausen, in der Mitte im Rhonetal und auf der allerletzten Etappe wieder nach Schaffhausen gemeinsam fahren. Sonst ist das Windschättelen an der Tortour – leider! – verboten.

Der Windschatten ist ein guter Freund des Radfahrers, und er macht den Sport erst interessant. Beim Fahren im Windschatten lässt sich dank des geringeren Luftwiderstandes rund 30 Prozent Energie sparen. Dank dem «Windschättelen» sind überhaupt taktische Manöver möglich im Radsport, er gibt dem Konzept der Teams Sinn. Wegen ihm hege ich Sympathien für grossgewachsene Radfahrer – hinter ihnen lässt es sich besonders aufwandarm rollen.

Teamzeitfahren ist extrem anspruchsvoll

Mit Freunden und dem Radsportclub fahre ich regelmässig abwechslungsweise im Wind, doch Erfahrungen mit regelrechten Teamzeitfahren habe ich erst deren zwei gesammelt. Und dabei gemerkt, dass das Teamzeitfahren wohl zu den grössten Herausforderungen im Radsport gehört: Es gilt, dabei möglichst ans Limit zu gehen, ohne aber die Schwächsten Teammitglieder zu verlieren. Sind nicht alle gleich stark, birgt das Teamzeitfahren erhebliche Risiken für den teaminternen Frieden. Meine Begegnungen mit Teamzeitfahren fanden einmal in einem Training auf der Radrennbahn in Aigle statt, ein zweites Mal an einem Rennen von Yverdon nach Neuchâtel über knapp 40 Kilometer, das 2010 anstelle einer Velokurier-Schweizermeisterschaft durchgeführt wurde.

Beide Male war unsere Teamchoreografie chaotisch, und bis zu zwei Fahrer gingen unterwegs verloren, was durchaus zu schlechter Stimmung führte. Auf der Bahn konnte ich am Schluss das Tempo des Teams nicht mehr mitgehen und fuhr als dritte und damit entscheidende Fahrerin alleine über die Ziellinie. Am Neuenburgersee kamen wir zwei Mal von der Route ab (auf der Bahn ist das zum Glück schwierig) und fuhren über einen beträchtlichen Umweg ins Ziel. Einer der Fahrer, den wir unterwegs verloren hatten, war sogar bereits im Ziel, als wir dieses endlich fanden! Nun, an der Tortour sollten uns solche Fehler nicht passieren.

Wenn es klappt, gibt es nichts Schöneres

Die erste Hälfte unseres Trainings war euphorisierend: Im Abendlicht rasten wir mit 45 Kilometer pro Stunde das Bachsertal hinunter, die Ablösungen funktionierten bestens, obwohl wir erst zum zweiten Mal gemeinsam unterwegs waren. Auf dem Rückweg wird der Übermut etwas gebremst: Stets leicht bergauf und mit etwas Gegenwind klappt das Ganze nicht mehr so wunderbar. Es geht harziger, nicht immer klappt der Anschluss an die Gruppe nach dem Abgeben der Führung, die Gruppe fällt auseinander und das Tempo wird gedrosselt. Teamcaptain Matthias fasste die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:

      1. Keine Temposprünge.

 

      2. Die Führung abgeben, bevor man müde wird.

 

    3. Klar kommunizieren.

Der Startschuss zur Tortour fällt am Freitag, 16. August, um 2 Uhr früh. In der Nacht wird das gemeinsame Fahren wohl kaum einfacher … Nach der Tortour werde ich Ihnen hier berichten, wie das Fahren im Team geklappt hat. Und ob wir das mit der Kommunikation hingekriegt haben – oder ob diese nach dem Rennen eingestellt ist.

Was sind Ihre Erfahrungen beim Fahren im Team?


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9 Kommentare zu «Teamzeitfahren – ein Freundschaftsrisiko?»

  • Roland K. Moser sagt:

    Vor ein paar Jahren bin ich zufällig in eine Gruppe von Junioren geraten, welche am trainieren waren. ich bin dann mitgefahren und hat inkl. Wechsel alles wunderbar geklappt.
    Mir hat es dann einen Deckel eines Bidons abgesprengt (Gasbildung von Elektrolytgetränken o.ä., der Deckel ist auf jeden Fall weggeflogen). Ich habe dann angehalten, den Deckel wieder draufgetan und versucht wieder aufzuholen. Keine Chance. In der Gruppe war es kein Problem, das Tempo mitzuhalten, ohne Windschatten keine Chance.

  • Martin sagt:

    Aus meiner Sicht ist das Teamzeitfahren weit weniger ein Problem als hier von Anette geschildert. Von „Freundschaftsrisiko“ ganz zu schweigen.
    Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal an der Tortour mitgemacht und kann jedem Team nur raten, auf der ersten Etappe im Teamzeitfahren nicht schon so krass Tempo zu bolzen, dass man jemanden verlieren könnte. Schont eure Kräfte, es bleiben noch genug Einzeletappen, um ans Limit zu gehen. Die Teametappen sind aus meiner Sicht dafür nicht geeignet, auch, weil mindestens 2 davon in der Nacht stattfinden. Eine/r des 4er oder 6er Teams wird so oder so das schwächste Glied sein und diese Person wird dankbar sein, wenn für die übrigen Etappen noch etwas Energie übrig sein wird.
    Also, mein Tipp: Langsam angehen. Dann besteht auch kein Freundschaftsrisiko ;-)

  • Marcel sagt:

    Also das Bachsental hinter schaff ich alleine schon die 45 km/h :-)
    Aber ein Teamzeitfahren kann man dort auf dem Radweg vergessen. Dieser ist viel zu uneben und zu kurvig. Zudem ist der Weg ja nicht durchgehend.

    • David sagt:

      Muss dieser denn durchgehend sein um ihn benützen zu können??
      Findet ein Rennen statt soll dieses natürlich schon auf der Strasse stattfinden, aber ansonsten sollte es doch möglich sein..
      Zumal der Radweg echt gut ist..

      • andre sagt:

        @david: allerdings ,,, bei diesem speed von marcel oder aehnlichen guemmelern … schon um den greifensee benutz ich praktisch nie den radweg, schon nur um unfaelle mit anderen (inlinern, andere radfahrer, spaziergaenger etc, die nebeneinander fahren resp rumstehen) zu vermeiden …. die doofen autofahrer die dann mich von der strasse gern weghupen stoeren mich schon lange nicht mehr …

  • David sagt:

    Mir ist beim lesen dieses Artikels leider bloss aufgefallen das ihr bei eurem Training im Bachsertal, es nicht geschaft habt den Radweg zu benützen, eigentlich schade für nen Rennradblog.. Ist doch der Radweg keine 2m neben der Strasse.
    Für’s Training tuts auch der Radweg, das Rennen findet dann auf der Strasse statt. (ich selbst fahre ca 7000km Rennrad pro Jahr, und muss mir öfters von Bekannten was anhören, über diese „Gümmeler“ die es nicht auf den Radweg schaffen..

    • Dietrich sagt:

      tschuldigung, aber wo ist hier bitte der Radweg? Im Bachser ist er bekanntlich nicht durchgehend und da wo diese Fotos aufgenommen wurden hat es keinen. Also genauer hinschauen…..

    • Roland K. Moser sagt:

      Im Training fürs Team-Zeitfahren auf den Veloweg? Dann müssen Sie eine Grenadier-Gruppe vorausschicken, welche ihnen den Weg freimacht, sonst sind die Unfälle programmiert.

  • Ernst Schädeli sagt:

    bitte im Bachsertal den schönen, Inlineskater-und Fussgängerfreie Radweg benutzen.

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