Des Wanderers bester Freund

Diese Woche aufs Hirzli (GL)


Sehr früh an einem Sonntagmorgen. Ich erhob mich aus dem Bett, tat die ersten Schritte. Nein, kein Muskelkater. Wir waren am Vortag fünf Stunden gewandert, aufs Rosinli, einen Hügel im Zürcher Oberland. Nun hatte ich Lust auf mehr. Mehr Draussen. Mehr Berg. Mehr Wind. Mehr Sonne. Mehr Atmen. Die Internet-Wetterkarte sagte: Regen von Westen rapid vorrückend. Und sie sagte: Föhn in den Föhngebieten, daher noch kein Regen. Rita fiel mir ein, die Wanderfreundin. Ich simste sie an, ob sie Lust auf Hirzli hätte. Sie hatte.

Um zehn waren wir am Bahnhof Bilten, Linthebene, Glarnerland. Der Föhn blies. Der Himmel war voller Wolkenschlieren, doch hell. Vor uns hatten wir unseren Hang. Und ganz nah hockte ein Büsi an einem Kanal. Die Ohren gespitzt, blickte es in die Wiese. Eine Maus, vermutlich. Im Steilwald stiegen wir auf, zur Rechten den Biltnerbach, ein Monster, notdürftig gezähmt mit Mauern und Schwellen. Der Weg war breit, Kehre um Kehre schraubten wir uns aufwärts, sprachen wenig, sagten nur Dinge wie: «Toll!» «Ja, toll!»

Durchgebogen wie ein kranker Rücken

Endlich die erste Alp, Unter Niedern, ein bizarrer Steingarten, die Felsen niedergekollert vom Planggenstock. Hernach die zweite Alp, Ober Niedern. Wir passierten das Gedenkkreuz vom Männerturnverein Bilten für einen der ihren. Er war mit 51 Jahren gestorben. Ein Foto zeigte ihn als Rucksackträger, lächelnd. Wir waren betroffen, fragten uns, welche Art von Wanderunfall ihm passiert war.

Weiter aufwärts, noch mehr Licht, der Himmel jetzt nah. Dann waren wir oben. Die Rundsicht – ein Traum. Das Hirzli ist mit 1640 Metern nicht hoch. Aber es gehört zur vordersten Bergreihe der Glarner Alpen gegen Norden. Ein Balkon, gebaut aus Nagelfluh, während die benachbarten Berge Brüggler und Wageten Kalkberge sind. Wir schwelgten in der Bläue des schmalen Walensees. Und wir benannten Gipfel: Mürtschenstock, Speer, Federispitz, Glärnisch, Schilt. Rita deutete die Rauchfahne bei Zürich: Kehrichtverbrennung Hagenholz.

Gleich unter dem Gipfel begegneten wir Christoph, ebenfalls Journalist, viel jünger als wir. Früher war er ab und zu in meinem Grüppli mitgewandert. Er stellte uns seine Frau vor, das Töchterlein im Traggestell, einen Freund. Sie waren von Niederurnen mit der Seilbahn ins Morgenholz hinauf gefahren und von dort aufgestiegen.

Wir verabschiedeten uns. Hielten nun hinab zum Bodenberg. Vor dem Bergrestaurant Hirzli hockte dort ein altes Haus. Sein Dach, gedeckt mir roten Ziegeln, war durchgebogen wie ein kranker Rücken.

Des Wanderers bester Freund ist der Föhn

Die Einkehr machte froh. Älplerrösti für mich, ein Pfeffer für Rita, dazu Rotwein. Nein, keine Seilbahn, befanden wir beim Essen. Denn noch immer hielt das Wetter. Wir gingen das Niederurnertal hinab, ein Hochtal für alle, für die Biker, Wanderer, Kletterer. Ich verspürte seltsamerweise, wie mir am einen Fuss eine Blase wuchs.

Beim Morgenholz schwenkten wir links in den Hang. Wieder ein Abstieg via Matt und Gfell, meine Knie knackten. Überraschend kam dann das Schlössli, ein Ausflugsrestaurant eine Geh-Viertelstunde über Niederurnen. Wir kehrten noch einmal ein.

Der Rest der Wanderung: ein Auslaufen zum Bahnhof Ziegelbrücke. Ich hinkte. Der Himmel wurde allmählich düster. Wir blickten uns noch einmal um. Das Hirzli zackte trotzig zum Himmel. Und bald begann es zu regnen. Ich dachte: des Wanderers bester Freund ist der Föhn.

***

Route: Bilten Bahnhof – Bilten – Unter Niedern – Ober Niedern – Hirzli – Forsthaus – Bodenberg/Rest. Hirzli – Bergstation Morgenholz – Matt – Gfell – Schlössli Niederurnen – Niederurnen – Ziegelbrücke.

Gehzeit: 6 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: Je 1220 Meter auf- und abwärts.

Wanderkarte: 236 T «Lachen», 1: 50 000.

Kürzer: Wesentlich leichter kommt man aufs Hirzli, wenn man hin und zurück die Seilbahn von Niederurnen zum Morgenholz im Niederurnertal benutzt. Allerdings ist sie schnell überlastet. www.niederurnertaeli.ch. So beträgt die Höhendifferenz auf und ab je 660 Meter und die Gehzeit je nach Variante (verschiedene Wege) drei bis vier Stunden.

Charakter: Einsamer, sehr anstrengender Aufstieg von Bilten; im Sommer ist man froh über den vielen Wald. Normale Trittsicherheit vonnöten, keine ausgesetzten Stellen. Uneingeschränkte Rundsicht vom Hirzli.

Höhepunkte: Die Zähmung eines Steilwaldes durch einen Weg. Die Rundsicht vom Hirzli. Die Einkehr im gut geführten «Hirzli», Bodenberg. Die stufenweise Rückeroberung des Flachlandes im Abstieg. Die Reben von Niederurnen.

Kinder: Sehr anstrengend, eventuell nutzt man die Seilbahn.

Hund: Anstrengend, sonst kein Problem.

Einkehr: Restaurant Hirzli, Bodenberg, im Niederurnertal. Mo, Di geschlossen. www.niederurnertaeli.ch. «Schlössli» eine Viertelstunde über Niederurnen. Mo, Di geschlossen. www.schloessli-niederurnen.ch.

Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com

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