Wandern ist doof
Diese Woche zum Fischrestaurant Schwybogen am Vierwaldstättersee
Meine Routen sind oft lang. Da darf man sich und den Lesern auch einmal etwas Kürzeres gönnen, oder? Die Wanderung dieser Woche ist eher ein Spaziergang. Sie führt zu einem sagenhaften Fisch-Restaurant. Nimmt man zurück denselben Weg, eignet sie sich auch für den Kinderwagen – und hey, passt diese demonstrativ antikompetitive Schlenderei nicht perfekt zum Buch, das ich eben las? Eine Neuerscheinung. Sie heisst «Wandern ist doof».
Der Unterhaltungsroman der Schwyzerin Blanca Imboden handelt von einer deutschen Hotelfachfrau, die beim Kreuzworträtseln gewinnt – eine Wanderreise in die Schweiz. Dabei ist Wandern doch doof! Aber natürlich verkehrt sich die Meinung bald in ihr Gegenteil. Die Reise richtet sich an Singles, die sich in den Bergen näherkommen. Conny aus Frankfurt findet, derweil sie und andere einsame Seelen von Morschach aus ins Gelände ziehen, sowohl Gefallen an einem ihrer Begleiter als auch an der Wanderei. Und also steht nach einigen amourösen Verwicklungen fest: Wandern ist gar nicht doof.
Zurück zu unserer Unternehmung. Wir starten bei der Schiffstation Treib, die wir in kurzer Schifffahrt von Brunnen aus erreichen. Die Treib ist ein helvetischer Mythos. Schon im frühen Mittelalter entstand hier ein Hafen, der Schutz vor dem brutalen Föhn des Urnersees bot. Und auch Verfolgte fanden Unterschlupf und durften während dreier Tage nicht arretiert werden. Die fünf Orte der alten Eidgenossenschaft hielten im Haus zur Treib ihre Tagsatzungen ab, sozusagen eine frühe eidgenössische Session.
Grosser Mythen – der perfekte Wanderberg
Von der Treib geht es auf dem Fahrsträsschen, das in leichter Steigung ein wenig vom Seeufer fortführt, hinauf nach Volligen. Dort dürfen die Augen schwelgen: Drehen wir uns um, stehen da die Mythen; schöner als den Grossen Mythen kann man einen Wanderberg gar nicht ersinnen. Und vor uns haben wir zur Rechten das Rigi-Massiv und weiter vorn den Bürgenstock. Und der See streckt sich in Bläue gen Luzern.
Nach Volligen sinkt der Weg, wobei wir den Wegweisern in Hechtform folgen. Endlich stehen wir über der Bucht Schwybogen. Seit über 300 Jahren ist dies die Domäne der Familie Näpflin, deren Gebäulichkeiten ganz für sich stehen, erreichbar auf unserem Weg oder aber per Privatboot. Die Hechtgabel im Familienwappen verweist darauf, dass die Näpflins immer schon fischten. Am Morgen, wenn es noch dunkel ist, geht es hinaus auf den See, die Netze des Vorabends einzuholen. Und dann wird der Fang filetiert und ist bereit für die Gäste.
Nein, Wandern ist nicht doof
Als ich im Schwybogen einkehrte, waren da nicht viele Leute: ein Werktag, das Radio hatte Gewitter angesagt. Ich genoss meine Albeli, trank einen Zweier Twanner und sinnierte darüber, wie eigen dieses Land ist. Welch charaktervolle Flecken es bereithält. Und dass es doch eigentlich eine Tragödie ist, wenn man dieses grandiose Fischrestaurant erst im 50. Altersjahr kennenlernt.
Hernach die Rückkehr. Ein Stück weiter oben beschloss ich bei der Wegverzweigung, nicht zur Treib zurückzugehen. Ein kurzer Aufstieg via Triglis auf dem signalisierten Weg, ein schnelles Gespräch mit einem jungen Bayern auf dem Jakobsweg, dem ich die Berge benennen musste, und schon war ich oben auf dem Seelisberg. Nein, Wandern ist nicht doof. Aber Spazieren oder Leichtwandern macht zwischendurch auch Spass.
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Route: Schiffstation Treib – Strässchen nach Volligen – Volligen – Schwybogen – retour bis zum Wanderabzweiger nach Seelisberg – Triglis – Seelisberg Post.
Gehzeit: 2 Stunden.
Höhendifferenz: 470 Meter aufwärts, 100 abwärts.
Kinderwagen: Von der Treib zum Schwybogen und retour kommt man auch gut mit einem sportlichen Kinderwagen. 1 1/2 Stunden. Je 200 Meter auf und ab.
Wanderkarte: 245 T «Stans», 1: 50 000.
Charakter: Spaziergang zum Fischschmaus. Auch die Augen geniessen: den Vierwaldstättersee und die Bergzacken rundum.
Höhepunkte: Die Schifffahrt von Brunnen zur Treib. Der blaue Seespiegel. Die Vorfreude beim Anblick der Schwybogen-Bucht von oben.
Kinder: Gut machbar.
Hund: Gut machbar.
Einkehr: Schwybogen. www.schwybogen.ch. Momentan Di Ruhetag. Ab 1. Juli durchgehend geöffnet. Durchgehend warme Küche. Auch in Volligen kann man einkehren: Restaurant Volligen. www.volligen.ch. Mo Ruhetag.
Buch: Blanca Imboden, «Wandern ist doof». Wörterseh. Fr. 24.90.
Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com
6 Kommentare zu «Wandern ist doof»
Also wir finden Wandern auch nicht doof, nicht mal unsere Kleinen! Aber so ein paar kürzere Wanderwege kann man sich ja dann auch mal gönnen und sind wirklich eine ideale Ergänzung für einen entspannten Sonntag, vor allem wenn die Wanderungen dann noch am See entlang gehen. Und es ist auch mal schön auf den Wanderrouten nicht einen 10 Kilo schweren Rucksack mitzuschleppen und den Spaziergang (wie du ihn nennst), ich würde es trotzdem wandern nennen, zu geniessen!
Wandern ist vor allem in der Schweiz alles andere als doof. Die wunderschöne Natür lässt sich doch am besten bei einer Wanderug entdecken! Das hier sieht ausserdem nach einer wunderschönen Route aus, vielen Dank dafür!
Wir sind begeisterte Wanderer,über 70J-.sehr oft auf den Routen vom Verfasser. Möchte mich Blanca u.Hr.Rittermann gedanklich anschliessen.Weshalb…auch wir werden älter und möchten weiterhin von Hr.Widmer`s interessanten Vorschlägen profitieren.Wanderungen, auch unter der 3 std.Marke können ein tolles Vergnügen sein…primär sollte vor allem der Elebniswert im Zentrum sein. Danke herzlichst für die tolle Arbeit!
Wunderschöne Region zum Wandern, beim Lesen kamen Erinnerungen hoch – danke dafür!
Genau solche Wandertipps für Anfänger haben mir eine ganze Weile gefehlt.
Wäre vielleicht eine Marktlücke: Ein Buch mit garantiert LEICHTEN Wanderungen.
Diese hier bietet trotzdem viel Aussicht und Abwechslung.
DANKE.
Blanca
sauber. das wäre auch was für mich; eine gehzeit von 2h hat durchaus auch wandermuffel-potential.