Avalon liegt im Glarnerland
Diese Woche durch die Chärpfbrugg und übers Wildmadfurggeli
Von Westen her kommt gutes Wetter. Zu langsam. Den ganzen Weg von Mettmen über das Wildmadfurggeli nach Elm wird es nieseln und nebeln.
Im Bus vom Bahnhof Schwanden hinauf nach Kies finde ich knapp noch einen Sitzplatz. Die meisten Sitze belegen fidele Thurgauer, Mannen vom Land um die 35. Offensichtlich sind sie irgendein Club. Und da man in diesem Alter in der Regel nicht viele freie, familienlose Wochenenden hat, sind sie sehr, sehr amüsierwillig. Betrunken sind sie, morgens um neun.
Unterwegs stoppt der Bus ausser Plan, eine Haltstelle ist da nicht auf dem atemberaubend engen Strässchen. Ein alter Mann steht am Strassenrand, er hat gewunken, steigt aber nicht ein. «Ich ha nu wellä ächlä gschprächlä», glarnert er.
Das Naturwunder
In der Seilbahn hinauf nach Mettmen kriege ich von meinen Mitostschweizern Rosé im Partybecher kredenzt, wir sind nun Freunde. Oben trinke ich einen Kaffee im Berggasthaus, das ich zu gemütlich finde mit seiner Holzstube, um ohne Einkehr vorbeizuziehen. Und dann geht es los, auf dem Dammweg zur Linken dem Garichti-Stausee entlang. Zauberhaft liegt er im Dunst, dass man an ihm eine Avalon-Story oder Keltensaga verfilmen könnte.
Jetzt der Clou: Biegt man gegen Ende des Sees links ab, steil in den Hang Richtung Widerstein und Berglimatt, kommt man am schnellsten zum Wildmadfurggeli, dem Passübergang nach Elm. Diesen Weg nahm ich vor drei Jahren. Diesmal mache ich es anders: Ich halte kurz noch geradeaus; ich peile diesmal das Wildmadfurggeli via Ober Stafel und Schwarz Chöpf an. Und das hat – siehe gleich – seinen Sinn.
Auf einer komfortabel breiten Rampe entferne ich mich vom Seerundweg, gewinne Höhe. Bald schon ein schöner flacher Alpboden. Kühe glotzen mich an, wie ich aus dem Nebel auftauche, und nähern sich; sie sind anlehnungsbedürftig und wollen Zuneigung. Das kühle Wetter setzt ihnen zu, einsam stehen sie in der Landschaft und sehnen sich nach anderen Geschöpfen.
Blaue Lippen und Goldwaschen
Nach den Alpgebäuden von Ober Stafel erscheint der Grund meiner Routenwahl: eine Art Tiefgarageneinfahrt im Hang, ungeschlacht, als hätte sie ein Glarner Rübezahl gemauert. Der gut 30 Meter lange Tunnel heisst Chärpfbrugg (Kärpfbrücke) und ist ein Naturwunder. Der Niderenbach hat sich durch weiches Gestein gefressen; das harte Gestein darüber blieb bestehen und bildet das Dach.
Ich betrete den schummrigen Tunnel, das grobe Geröll ist glitschig, der Bach spritzt und sprudelt, aber ansonsten: keine Probleme. Als ich ihn überwunden habe, habe ich freilich nasse Füsse. Der Pfad zieht alsbald weiter hinauf zum Punkt Schwarz Chöpf, dort heisst es links abbiegen zum Wildmadfurggeli. Die Metallgebilde am Weg sind Teil eines Skulpturenweges. Warum bloss muss man auch das Gebirge mit Menschenware möblieren?
Auf dem Wildmadfurggeli kann ich ein Miniseelein ausmachen, sonst gar nichts. Der Pass ist ein Felslabyrinth, ein Steingarten. Für den Abstieg wähle ich ab Gelb Chöpf die rechte Variante und gerate ins Elmer Skigebiet. Über mir baumeln Sesselliftsitze im Nebel. Endlich komme ich beim Ämpächli an. Zwei kleine Mädchen, barfuss und die Lippen blau vor Kälte, sind in «Elmar’s Goldmine» eifrig am «Goldwaschen».
Die Gondel schaukelt mich nach Elm hinab. Als ich später in Zürich erfahre, dass dort schon seit zehn Uhr morgens die Sonne schien, stört mich das nicht. Ich habe mir die Chärpfbrugg erobert, die schon so lange auf meiner Wunschliste stand.
Infos
- Route: Mettmen (mit dem Bus vom Bahnhof Schwanden nach Kies, mit der Seilbahn nach Mettmen) – Ober Stafel – Chärpfbrugg – Schwarz Chöpf – Wildmadfurggeli – Gelb Chöpf – Ämpächli (Gondel hinab nach Elm-Sportbahnen zur Busstation Richtung Schwanden).
- Dauer: vier Stunden.
- Höhendifferenz: circa 700 Meter auf-, 800 abwärts.
- Charakter: Am Wochenende viel begangen, da ein Klassiker der Zürcher. Anstrengend. Grosse Berglandschaft.
- Höhepunkte: Der Stausee Garichti mit üppiger Vegetation rundum. Das Naturwunder der Chärpfbrugg. Das Felsblocklabyrinth beim Wildmadfurggeli.
- Einkehr: Bei den Bahn-Bergstationen am Anfang (www.mettmenalp.ch) und am Schluss (www.sportbahnenelm.ch).
- Landeskarte 1:25 000: Elm/1174.
Thomas Widmers Wanderbücher gibt es im Echtzeit-Verlag, www.echtzeit.ch, oder auf www.thomaswidmer.ch
Neu: Wanderblog http://widmerwandertweiter.blogspot.com/
2 Kommentare zu «Avalon liegt im Glarnerland»
Im Sommer 2006 bin ich begeistert von dieser Landschaft diesmal alleine diesen Weg gegangen. Solche Erlebnisse gehören zu den Highligths eines Menschenlebens. Super
danke für die Bemerkung über die Möblierung der Gebirge.