Die schnellste Doktorandin der Schweiz

Sie ist eine der schnellsten Velofahrerinnen der Welt, lebt in Hausen am Albis im Kanton Zürich und hofft, sich bald Frau Doktor ETH nennen zu dürfen: Emma Pooley.

Aufgewachsen in England, versuchte sich Pooley während des Ingenieur-Studiums in Cambridge noch im Triathlon und als Langstreckenläuferin, bevor sie an der britischen Strassen-Meisterschaft überraschend Vierte wurde. Ihr Palmarès seither lässt sich sehen: Silber im Zeitfahren an den Olympischen Spielen 2008 in Peking, britische Zeitfahr-Meisterin 2009, Weltmeisterin im Zeitfahren 2010 und britische Meisterin Zeitfahren und Strasse im selben Jahr. Daneben gewann sie seit 2007 zahlreiche weitere internationale Rennen wie die Trofeo Alfredo Binda in Italien, die Grande Boucle Féminine (die «Tour de France der Damen»), La Flèche Wallonne in Belgien oder die Tour de l’Ardèche.

2005 kam sie in die Schweiz, um am geotechnischen Institut der ETH Zürich zu arbeiten und ihren Doktor zu machen. Wäre sie nicht in die Schweiz gekommen, meint sie, wäre sie wohl nie so intensiv in den Radsport eingestiegen: Erstens kam sie hier in ihrem ersten (Schweizer) Profi-Team «Specialized Designs for Women» unter, und zweitens kommt ihr als starker Bergfahrerin die Topographie hier mehr entgegen als in England.

Jetzt sitzt mir die drahtige, sympathische 30-Jährige im Café bei der ETH auf dem Hönggerberg in Zürich gegenüber und trinkt ihren Milchkaffee. Etwas gestresst wirkt sie – gut nachvollziehbar bei ihrem aktuellen Programm: In nächster Zeit will sie ihre Doktorarbeit, die bereits einige Aufschübe erlebte, endlich fertigstellen. Nebenbei bereitet sie sich auf die Radsaison vor, läuft und schwimmt auch und lernt zudem noch Italienisch. Fürs Radtraining im Winter benutzt sie meistens das Quervelo, oder aber sie trainiert auf der Rolle. Auch sie mag es nicht besonders, sich bis zur Unförmigkeit anzuziehen und trotzdem kalte Hände zu haben. Deutsch spricht sie fast akzentfrei, und zwar Schweizer Dialekt.

In der kommenden Saison wird sie nicht mehr für ein UCI-registriertes, sondern für ein Schweizer Team fahren. Bei Bigla, gesponsert vom gleichnamigen Hersteller von Büromöbeln, wird sie vor allem ihre Erfahrung den jungen Fahrerinnen des Teams weitergeben. Sie wird auf Weltcup-Rennen und den Giro Donne verzichten, und stattdessen neben mehreren internationalen Rennen viele in der Schweiz bestreiten. Kürzertreten bedeutet dies keineswegs; zugleich will sie wieder in den Triathlon einsteigen und Anfang Juni am Halb-Ironman in Rapperswil starten. Auch die Zurückhaltung im Radsport soll nur temporär sein: Die Olympischen Spiele 2016 in Rio sind Pooleys Ziel.

Nach den Lieblingsstrecken in der Schweiz gefragt, nennt Pooley Chur-Arosa als Lieblingsrennen und den Pragelpass als schönsten Pass – am liebsten von der steilen Muotathaler Seite her.

Ich erzähle ihr, dass ich 2011 beim Alpenbrevet «direkt» hinter ihr als zweite Frau über die Ziellinie fuhr. Darauf bin ich bin ein wenig stolz, obwohl meine Chancen klein waren, sie doch noch knapp zu übersprinten: Eindrückliche 1,5 Stunden nahm sie mir damals ab!

Sie meint zu diesem Rückstand, das sei nicht viel, sondern komme fast nur durch die Startplatzierung und genug Windschatten am Anfang zustande. Sie sei ganz vorne gestartet und habe am Anfang gekämpft, um vom Windschatten der ersten Gruppe profitieren zu können.

Ein Tipp fürs nächste Mal also? Nun, ich bezweifle, dass das auch für mich die richtige Taktik wäre – auf einer Runde wie dem Alpenbrevet dosiere ich meine Kräfte lieber. Ich kann durchaus damit umgehen, dass Pooley wohl einfach die stärkere Velofahrerin ist als ich. Ich wünsche ihr einen gelungenen Abschluss der Doktorarbeit und weiterhin viel Erfolg auf dem Velo – als rasende Frau Doktor!

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3 Kommentare zu «Die schnellste Doktorandin der Schweiz»

  • clados sagt:

    Super Emma! Gratulation zur beruflichen und sportlichen Leistung! Sie sind eine super Frau und ein Vorbild. Ich hoffe, ich schaffe das mit der ETH auch. Alles Gute!

  • Läuferlein sagt:

    Danke für das spannende Portrait! Nicht zu vergessen übrigens, dass Emma beim letztjährigen Luzern-Marathon den starken zweiten Rang belegt hat!

  • Thomas sagt:

    Schönes Portrait! Emma ist eine super Athletin, extrem sympathisch und wohltuend unaufgeregt. Hatte auch schon ein paar Mal die Ehre mit ihr in einer Trainingsgruppe (ASVZ, RSC Regensdorf) zu fahren. Ich wünsche Ihr auch alles Gute auf dem Weg zum rasenden Doktortitel!

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