Das erste Gesicht der Schweiz
Diese Woche von Neuenburg via La Tène nach Gampelen (NE/BE)
Neuenburgs Farbe ist eigentlich gelb; gelb wie der Kalkstein, aus dem seine stattlichsten Gebäude bestehen. Kürzlich, nachdem ich mit dem Funiculaire vom Bahnhof hinab an den See gefahren war, drängte mir eine zweite Farbe auf. Da war ein weiter Platz in Rot, eine Freizeitfläche. Und ganz nah sah ich die neogotische «Eglise Rouge» in einem ähnlichen Show-Rot.
Ich lief los, dem Seeufer entlang Richtung Nordosten. Die folgenden gut 70 Minuten bis zum Laténium waren abwechlsungsreich. Mal ging ich auf Asphalt, dann wieder auf Kies, Holzschnitzeln, Gras. Ich kam vorbei am Fussballstadion La Maladière. Am Bootshafen. Und an Pfahlbauten mit Fünfsternkomfort; die schönsten Bungalows des zur Expo.02 gebauten Hotels La Palafitte stehen auf dem See. Dessen weite Fläche erinnert an ein Meer. Besonders im Winter, wenn sich das gegenüberliegende Ufer im Nebel verliert.
Dann das Laténium, dem ich letztes Jahr eine Zeitungsseite widmete. In dem archäologischen Museum gibt es nämlich einen drei Meter hohen Menhir aus der Jungsteinzeit; einen Mann aus Stein mit langer Nase, der uns über die Distanz von 6500 Jahren zulächelt – das früheste Gesicht der Schweiz sozusagen.
Frühgeschichte und Spaziergang
Wer nun grad keine Lust auf Museum hat, der kann auch nur en passant ein Auge voll Vorgeschichte und Frühgeschichte mitnehmen. Der Wanderweg führt durch den Park des Museums, so dass man eindrückliche Dinge gratis besichtigt: Dolmengräber, Grabhügel, Schalensteine, Menhire, eine keltische Brücke, einen Römergarten, jungsteinzeitliche Hütten.
Fährt man danach mit dem Bus retour, hat man einen tollen Spaziergang gemacht. Ich zog weiter, passierte das blaue Kirchlein von St-Blaise und langte im Naturschutzgebiet La Ramée an: umgestürzte Bäume, Efeu, Schilf, überschwemmte Flächen; zum echten Bayou fehlten bloss die Alligatoren. Hernach ein Umweg ums Gelände einer Psychiatrischen, und ich langte in La Tène an der Nordostspitze des Sees an. Der Name steht für einen Campingplatz. Für ein Restaurant, in dem ich einen Tee nahm. Und für einen Fundplatz der Prähistorie.
Bald darauf erreichte ich den Zihlkanal, gebaut gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Teil der Juragewässerkorrektionen, die das Grosse Moos in eine gewaltige Gemüse-Anbaufläche verwandelten. Hier riecht es sogar im Winter nach Kohl. Auf dem Fussgängersteg der Eisenbahnbrücke querte ich den Kanal, der den Neuenburger- mit dem Bielersee verbindet.
Das Ziel war Ins
Dann jene Einkehr, auf die ich mich gefreut hatte: Seit 1677 gibt es das Restaurant Rothaus, doch die Küche ist bekannt als jung und frisch. Mein Cordonbleu war ausgezeichnet, ich wurde freundlich bedient. Irgendwann musste ich doch weiter. Als Ziel hatte ich mir Ins vorgenommen. Kurz nach dem Restaurant musste ich den befestigen Damm der Bahnlinie Bern-Neuenburg unterqueren. Im schmummrigen Tunnel lag Wasser. Ich stellte mich auf die Fersen, stürmte tapfer los, und stand gleich zehn Zentimeter tief im Wasser. Ich hatte die Lache unterschätzt.
Angesichts meiner nassen Füsse im Frost beschloss ich ein frühzeitiges Wanderende. Mein iPhone als Navigationshilfe nutzend, bog ich von einer der typischen langen Geraden des Mooses links ab. Bald war ich in Gampelen, bald kam ein Zug, bald sass ich in der Wärme – Neuzeit ist Komfort.
Route: Neuenburg See (Funiculaire vom Bahnhof) – Bootshafen – Palafitte – Laténium – St-Blaise – La Tène Camping und Restaurant – Zihlkanal – Rothaus – Gampelen (das letzte Stück – 15 m – ist kein markierter Wanderweg, sondern Strasse).
Gehzeit: 3 1/4 Gehzeit. Wer eine Stunde länger gehen will, hält nach dem Rothaus statt nach Gampelen nach Ins.
Höhendifferenz: vernachlässigbar.
Wanderkarten: 242T «Avenches» und 232T «Vallon de St-Imier», 1: 50 000.
Laténium: Das Museum ist Montag geschlossen, übrige Tage: 10 bis 17 Uhr. Der Park am See und Wanderweg ist immer offen. www.latenium.ch
Charakter: Seeuferweg, später Übergang ins Grosse Moos. Immer wieder Stücke Hartbelag, aber auch Wiese, Wald, Wurzelpfade, Ried, Holzschnitzel und Kies. Im Gebiet La Ramée und im Grossen Moos können Partien sehr nass sein. Gute Schuhe oder Gummistiefel anziehen!
Höhepunkte: Das Hotel «Palafitte», moderne Pfahlbauerei. Der Freiluftpark des Laténium mit den Jungsteinzeithütten. Die Stille im Gebiet La Ramée. Die Einkehr im Rothaus.Die winterliche Stille des Grossen Mooses.
Kinder: Abwechslungsreich, also kinderfreundlich. Im und vor dem Laténium gibt es viel Staunenswertes.
Hund: Keine Probleme.
Einkehr: Rothaus, Ruhetage im Winter: Mo/Di. Auch im Laténium und in La Tène kann man einkehren.
Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com
6 Kommentare zu «Das erste Gesicht der Schweiz»
Das hört sich ja klasse an! Die Strecke wird bestimmt den Kindern gefallen! Wir fahren im April in das Wanderland Schweiz und freuen uns schon unglaublich auf das Wandern. Ich habe mir sogar neue Wanderstiefel gekauft und ein Wanderwege Magazin für die Schweiz abonniert! Jetzt steht (hoffentlich) den Wanderungen nichts mehr im Weg. Hoffentlich spielt das Aprilwetter mit!
Das iPhone-App MapOut zusammen mit SchweizMobil PC und iPhone -App verwende ich sehr oft. Ist empfehlenswert. Für Wanderungen und Velotouren gut geeignet. Schnelle GPS Navigation.
Die Strecke wander ich mind. einmal im Jahr, kann sie ebenfalls jedem empfehlen, super Beitrag , gerne gelesen und gemerkt das es bald wieder Zeit wird :-)
Gruß
Eddine
La Tène ist nicht einfach eine gewöhnliche Fundstelle prähistorischer „Sachen“ – La Tène ist der Namensgeber der LA-TENE-ZEIT. Interessierte finden mehr Infos via WIKIPEDIA und GOOGLE.
nein. „der rote platz“ geht gar nicht. da sehe ich panzer vor dem geistigen auge und ganz viele jusos mit kommunistischen transparenten….*schauder*. aber sonst, sicher ganz nett… 8)
Im Anbetracht der Temperaturen auch: das ernste Gesicht der Schweiz! Ich kenne diese Strecke gut, sehr schön zum Wandeln.