«Es tat extrem gut, dass so viele Leute hinter uns standen»

Es regnet, windet, stürmt und ist kalt – wie an einem schlechten Novembertag bei uns. Seit Stunden sitzen wir in einem Hangar im Stützpunkt Constable Point und warten darauf, nach Island abfliegen zu können. Am Nachmittag sah es noch so aus, als könne heute kein Flugzeug starten. Vorher hats aber geheissen, es gehe jetzt doch.

Insgesamt hatten wir wirklich ein Riesenglück, dass wir unser Expeditions-Ziel hier in Grönland erreichten: Bei der Ankunft war das Wetter fast zu schön, um wahr zu sein. Unsere abenteuerliche Schlauchbootfahrt zum Berg verlief trotz einer Panne glimpflich. Im unteren Teil der Big Wall hatten wir zwar Steinschlag, aber die Durchsteigung gelang uns – auch dank des guten Wetters.

Rückblickend bin ich echt froh, dass wir den Gipfel so rasch angegriffen haben. Ich weiss nicht, ob die Besteigung danach noch möglich gewesen wäre. Denn kaum waren wir zurück, kippte das Wetter. Simon und ich mussten bereits bei unserer kurzen Zusatztour im strömenden Regen abseilen. Seither blieb es unbeständig, die Temperatur sank bis knapp über den Gefrierpunkt.

Unsere Schlauchbootfahrt heute früh von der Inuit-Siedlung Ittoqqortoormiini verlief sehr stürmisch. Beim Anlegen in Constable Point ging auch noch eines der Boote kaputt, es hat einen Riss bekommem, als wir es an Land zogen. Wir müssen es jetzt mit nach Island nehmen und dort in die Reparatur geben. Das haben wir schon organisiert. Unser Anschlussflug geht via Koppenhagen nach Zürich.

Eisberg Grönland

Unvergesslich schöne Eisberge hier in Grönland. Dieses Bild haben wir vor zwei Tagen während unserer Nacht-Fahrt gemacht. Heute konnten wir leider nicht mehr fotografieren, das Meer war viel zu stürmisch. Wir mussten schauen, dass wir Constable Point heil erreichen!

Die Big-Wall-Route heisst «Eventyr»

Aber zum Glück hat alles irgendwie geklappt. Wir sind noch immer mega happy, dass wir die Big Wall geschafft haben, fühlen uns immer noch wie im Märchen. Wir entschieden uns, die neue Route «Eventyr» zu nennen – dänisch (und norwegisch) für Märchen und Abenteuer. Wir finden, das passt perfekt, ist einzigartiger als «Fairy Tale» und wurde auch von vielen Blog-Leserinnen und -Lesern vorgeschlagen. Ganz herzlichen Dank! Selber wären wir wahrscheinlich kaum darauf gekommen.

Unsere Zusatzroute taufen Simon und ich «Moonlight Sonata» – in Anlehnung an Beethovens Mondscheinsonate. Die Route ist ein echter Klassiker und wir kletterten sie in einer Nacht.

Dank an alle!

Daniel, Simon, Thomas, Jost und ich danken allen von Herzen, die unseren Bergblog mitverfolgt haben und für die vielen Kommentare. Es tat extrem gut, dass so viele Leute hinter uns standen. Eine echte Unterstützung! Für uns eine ganz neue, aber wunderbare Erfahrung.

Morgen im Bergblog: Was Reinhold Messner und Hans Kammerlander zur Erstbegehung der 1325-Meter-Bigwall von Roger Schaeli, Simon Gietl und Daniel Kopp sagen.

(Aufgezeichnet von Natascha Knecht)

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4 Kommentare zu ««Es tat extrem gut, dass so viele Leute hinter uns standen»»

  • hanna sagt:

    zuerst einmal: herzlichen Glückwunsch für die gelungene Expedition. Nun bleibt nichts mehr anderes zu wünschen als eine gute Heimreise.

  • Joachim Adamek sagt:

    Kære venner,

    das Foto von dem in der Mitternachtssonne dahintreibenden Eisberg ist granidos. Von faszinierender, zugleich aber auch schauriger Shönheit. Es erinnert mich daran, daß wir Menschen das Schicksal der Eisberge teilen: Wir treiben eine Weile dahin, ohne zu wissen, wohin, um schließlich im Meer der Zeit unterzugehen.
    Ich glaube Euch, daß Ihr auf der Fahrt nach Constable Point, andere Probleme hattet, als ans Fotografieren zu denken. Wenn man mit einem kleinen Boot bei schlechtem Wetter auf dem Meer unterwegs ist, wird es rasch heikel, und man begreift einmal mehr, wie winzig und hilflos man gegenüber den Naturgewalten ist.
    Um seine Begrenztheit zu erleben, bedarf es allerdings keiner Extrem-Situtation. Bereits der Wunsch, ein paar Zeilen zu schreiben, genügt, um sich in luftiger Höhe auf dem Drahtseil wiederzufinden. Damit man beim Voranschreiten die Balance nicht verliert, muß man tiefes Vertrauen zu sich selber haben. Natürlich gehört auch ein bißchen Übung dazu.
    Ich staune immer wieder, wie es den Menschen gelingt, sich den vielfältigen Herausforderungen erfolgreich zu stellen, ob in Grönland oder anderswo. Imgrunde ist das Geheimnis denkbar einfach: Wir sind eben keine Eisberge, sondern Wesen aus Fleisch und Blut. Wir sind nicht dazu verdammt, nebeneinander herzuschwimmen, bis wir in den Fluten untergehen.
    “Grønland er en helt anden verden” — eine ganz andere Welt. Mit diesem Slogan wirbt das Land um Touristen. Ob das stimmt, oder nicht, muß jeder für sich selbst herausfinden.
    Oft beginnt die fremde Welt schon jenseits der eigenen vier Wände. Es gibt überall viel, und es gibt reichlich zu entdecken.
    Als ich vor langer Zeit ein Jahr in Århus gelebt habe, der zweitgrößten Stadt Dänemarks, deren Universität weltweit einen ausgezeichneten Ruf genießt, war ich die ersten Wochen bei Freunden zu Gast. Ihre Tochter, die damals in die letzte Klasse der Grundschule ging, hat mich einmal beim Essen gefragt, ob ich weiß, wer Dänemark beschützt. Ich wußte es nicht und wollte auch nichts Falsches sagen. Darauf sie: Ein Mann, der tief unten im dunklen Keller eines Schlosses sitzt. Am Øresund. Holger Danske. — Ein Märchen? Viele Dänen verneinen das entschieden.

  • Christian Marogg sagt:

    Salutti zusammen

    Herzlichen Dank, dass wir so „live“ dabei sein durften. Und nun hoffe ich auf eine baldige Multivisionsshow on Tour mit noch mehr tollen Fotos :-)

    Liebe Grüsse
    Christian

  • carine sagt:

    Perfekte namen für perfekte touren! Nochmals herzlichen glückwunsch,
    Carine

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