Je kälter, desto länger das Vorspiel
Der Winter ist die Jahreszeit der Tänzer – die Ballsaison ist in vollem Gang. In den Schaufenstern glitzern Paillettenkorsagen neben eleganten Fracks. Während sie die Füsse fliegen lassen, buhlen die Damen auf dem Parkett um Aufmerksamkeit. Overdressed – das gibt es bei diesem Schaulaufen nicht. Auch die Läufer lassen in den Wintermonaten die Füsse tanzen. Overdressing kann für sie aber verheerend sein.
Kälte und Nässe verleiten oft dazu, den wärmsten und kuscheligsten Pullover überzustreifen. Zwar ist der erste Schritt an die frischen Luft damit angenehmer, dieses Wohlgefühl endet allerdings nach kurzer Zeit: Ein Sportler, der vor dem Laufen bereits warm hat, schwitzt nach wenigen Minuten. Deshalb sollten Sie bei Trainingsbeginn leicht frösteln. Es hilft, sich beim Griff in den Kleiderschrank den Frühling vorzustellen. Denn nur wer bei seiner Kleiderwahl mit rund 10 Grad höheren Temperaturen rechnet, liegt richtig.
Wind im Rücken, wenn die Luft draussen ist
Markus Ryffel, Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Los Angeles 1984, warnt beim Laufen in der Kälte vor Baumwolle: «Sie saugt den Schweiss auf.» Bleibt das nasse Shirt während des Trainings auf der Haut liegen, kühle der Körper aus. Der ehemalige Langstreckenläufer empfiehlt Funktionswäsche, welche den Schweiss nicht absorbiert. Und während für die Tänzerinnen im Ballsaal eine Schicht bereits zu viel ist, rät Ryffel Läufern zu deren drei: «Mit mehreren Schichten wird die Feuchtigkeit besser nach aussen abtransportiert.» Direkt auf die Haut gehöre zudem bei kalten Temperaturen ein Thermo-Shirt, direkt an die Luft eine Wind abweisende Jacke. Das hilft gegen den Windchill-Effekt, denn eine Windgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern senkt die gefühlte Temperatur um bis zu fünf Grad.
Markus Ryffel empfiehlt, besonders auf die Extremitäten zu achten, denn bei Kälte und vor allem bei beissendem Wind schaffe es der Körper kaum, die Hände, Füsse und den Kopf warm genug zu halten. «20 bis 30 Prozent der Körperwärme geht über den Kopf verloren», weiss er. Apropos Wind: Falls Sie die Wahl haben, laufen Sie zu Beginn Ihres Trainings gegen die Böen an, um am Schluss mit Rückenwind nach Hause zu fliegen. Das hat zwei Vorteile: 1. Sie legen den strengeren Streckenabschnitt bei vollen Kräften zurück und lassen sich vom Wind helfen, wenn die Luft draussen ist. 2. Wenn Sie verschwitzt sind, kann Ihnen die kalte Luft im Rücken weniger anhaben.
Drohender Flüssigkeitsverlust
Bei kalten Temperaturen muss der Sportler besonders auf das Vorspiel achten. Weil der Körper länger braucht, bis er seine Betriebstemperatur erreicht hat, ist im Winter das Einlaufen vor intensiveren Trainingseinheiten besonders wichtig. Ryffel betont zudem, dass mit dem Quecksilber auch die Laufgeschwindigkeit sinken sollte. «Im Winter empfiehlt sich ein Tempo einzuhalten, bei dem man durch die Nase atmen kann.» Diese wärme und befeuchte die Luft, bevor sie die Lungen erreiche. Auch ein Schal vor Mund und Nase sorge dafür, dass die Bronchien durch die kalte Luft weniger gereizt werden. Zeige das Thermometer aber weniger als -10 Grad an, sei ein Läufer gut beraten, auf sein Training im Freien zu verzichten.
Zu beachten ist zudem, dass Kälte im Vergleich zu Hitze bei Sportlern seltener ein Durstgefühl hinterlässt. Trotzdem ist der Körper, gerade wegen seiner Funktion als Luftbefeuchter, auf genügend Flüssigkeit angewiesen. Es gilt also vor, während und nach dem Training – aber auch im Alltag – genügend zu trinken.
Licht im Rücken
Die Wintermonate bringen kürzere Tage. Wer nicht über Mittag in die Laufschuhe steigen kann, muss morgens oder abends in der Dunkelheit trainieren. Auf beleuchteten Wegen und Strassen umgeht der Läufer schlecht sichtbare Wurzeln, Steine und Unebenheiten, die allesamt potenzielle Stolperfallen darstellen.
Licht ist aber auch wegen der Auto- und Velofahrer wichtig. Ryffel ist oft frühmorgens unterwegs und weiss: «Häufig verlassen sich Läufer lediglich auf eine Stirnlampe. Sie vergessen, dass sie damit nur für entgegenkommende Fahrzeuge sichtbar sind. Naht ein Auto aber von hinten oder von der Seite, nützt diese Lichtquelle nichts.» Genau wie die Tänzerinnen keinen Ball ohne ihre Handtasche beehren, muss auch der Läufer im Winter besonders auf die kleinen Dinge achten: Laut Ryffel ist die Stirnlampe zwar unerlässlich, zu den Winteraccessoires gehörten aber auch helle Kleidung mit reflektierenden Streifen oder gar ein Licht, das nach hinten gerichtet ist.
Und wie die Tänzer und Tänzerinnen die Balletikette befolgen, sollten sich auch Sportler abends an gewisse Regeln halten – anders als auf dem Parkett geht es dabei um die Sicherheit:
- Bevorzugen Sie grundsätzlich verkehrsarme Strassen.
- Rennen Sie nicht auf die Fahrbahn, auch wenn Sie Vortritt haben. Achten Sie vor dem Queren der Strasse immer darauf, dass Sie gesehen werden. Warten Sie ein Zeichen oder Augenkontakt des Autofahrers ab.
- Laufen Sie auf der linken Seite dem Verkehr entgegen, falls kein Trottoir vorhanden ist.
- Geräusche warnen vor Gefahren. Hören Sie deshalb beim Training keine oder nur leise Musik.
- Laufen Sie als Frau nicht alleine, sondern in der Gruppe. Die sichersten Begleiter sind männliche Zwei- und grosse Vierbeiner.
9 Kommentare zu «Je kälter, desto länger das Vorspiel»
hallo pia
vielen dank für die ausgezeichneten tipps.
ich wünsche dir ein gutes neues jahr 2013.
gruss von
raphael wellig http://www.raphaelwellig.ch
Ist mir noch in den Sinn gekommen: Die Achillessehne ist bei niedrigen Temperaturen auch gefährdet, wenn sie nicht genügend warm hat, weil dann die Durchblutung mangelhaft ist.
Da ich schon einmal eine Achillessehnen-Entzündung hatte, bin ich vorsichtig. Versuchsweise habe ich mir nun für zu Hause nun noch ein paar warme Finken gekauft. Aussen sieht es aus wie Wildleder und innen ist ein Pelz aus Kunstfasern, könnte aber auch Lammfell sein. Die Wirkung ist sehr gut, das Befinden an den Füssen und den Sehnen nur noch gut.
Als nächsten Versuch lasse ich mir aus Faserpelz zwei Achillessehnen-Wärmer nähen, mit Klettverschluss. Bei kalter Witterung zusätzlich diese um die Fussgelenke/Achillessehne. Beim joggen oder Velofahren.
Hallo Macel,
Ich habe mir nach einem bösen Sturz auf Glatteis im Februar ein paar Yaktrax Pro zugelegt.
Diesen Winter habe ich sie rund ein Dutzend Mal im Einsatz gehabt. Ich finde, sie geben sehr
guten Halt auf Schnee, Matsch und vereisten Flächen – kein Gerutsche mehr.
Beim Anziehen muss ich acht geben, dass ich sie richtig in das Profil meiner Schuhe „einfüge“,
und nicht zu stark mit dem Bändel anziehe, da sie mir sonst nach einer halben Stunde vorne
über den Schuh rutschen. Aber der Grip war auch dann immer noch gut.
Über kurze Abschnitte auf Asphalt lasse ich sie an. Nach so wenigen Einsätzen habe ich noch
keine Abnützungserscheinungen festgestellt.
Im Winter laufe ich immer mit Mütze. Je nach Temperatur mit einer dünneren oder dickeren. Ich hatte aber immer Probleme mit den Handschuhen. Nach einigen KM hatte ich immer nasse Hände im Handschuh. Habe dann auf fingerlose Handschuhe, dass heisst solche die noch das erste Fingerglied abdecken, umgestellt. Da kann ich, wenn ich kalt habe die Faust machen und wenn ich zu warm habe, die Finger strecken und abkühlen. Funktioniert prima.
Ich habe mir auch mal ,Schneeketten‘ für den Laufschuh zugelegt (Yaktrax Pro), aber noch nie verwendet. Hat jemand längere Erfahrungen mit diesen ?
Die Yaktrax sind einfach genial. Ich laufe oft im Wallis, dort sind die Strassen nicht alle gepfadet und oft vereist. Mit den Yaktrax kann ich sicher sein, dass ich nirgends ausrutsche. Sie stören überhaupt nicht, auch wenn es wieder trockene Strassenabschnitte gibt.
Habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen!
Ich habe gute Erfahrungen gemacht, die Kappe abzuziehen, um nicht zu warm zu haben. Wenn es ganz kalt ist, Stirnband und Kappe. Dann kann ich die Kappe abziehen und die Stirne und die Ohren sind immer noch geschützt.
Man kann auch den Versuch macdhen, die Handschuhe abzuziehen. Und die Ärmel nach hinten ziehen.
Sehr guter Hinweis mit dem leichten Frösteln zum Laufbeginn. Wenn ich bei einstelligen Plustemperaturen die Leute dick eingepackt sehe frage ich mich eh, wie die Wärmeabfuhr erfolgen soll, wenn sie dann auf Betriebstemperatur sind. Am besten sich für die jeweiligen Aussentemperaturbereiche eine „Aalegi“ vornehmen (z.B. „zwischen 0 und +10 Grad dünne lange Tights und oben 2 Schichten etc.“) und sich daran halten, wenn man die Wohlfühlkombination gefunden hat. Und nicht vergessen: Wer im Frühling od. Herbst ein Ziel (z.B. Marathon) hat sollte jetzt mit dem Wintertraining begonnen haben, nach dem Motto „lieber oft und lang statt kurz und nie!“. Run on.
Gute Tipps. Man kennt sie. Trotzdem ist es gut, sie wieder zu lesen. Ich laufe im Winter nur ein- bis zweimal pro Woche und konzentriere mich auf Hometrainer und Schwimmen. Ausser man ist Spitzenläufer, ist dies sicher besser als auf dunklen, vereisten Strassen zu laufen. Die Tage werden ja immer länger und man kann das Lauftraining wieder vermehrt aufnehmen.