Wenn Silber mehr wert ist als Gold

Nach einem Endspurt-Thriller und Tenniskrimi die verdiente Belohnung: Nicola Spirig und Roger Federer mit ihren Medaillen. (Bild Keystone)
Ein Wochenende, zwei Sportler, zwei Medaillen. Nicola Spirig und Roger Federer holten die Schweiz aus der Olympiamisere. Sie mit einer Silber-, er mit einer Goldmedaille. Diesen Eindruck erweckte jedenfalls der Niederschlag im Schweizer Blätterwald am Montag danach – obschon es die Triathletin ist, die Gold nach Hause bringt. Trotzdem prangte auf diversen Titelseiten das Konterfei des Tennisspielers, während Nicola Spirig in den Sportbund verbannt wurde – zum Teil nicht einmal auf die erste Seite. Spirigs Gold vermochte offenbar in der Medienwaage Federers Silber nicht aufzuwiegen.
Der Schein trügt nicht: Eine kleine Recherche in der Schweizer Mediendatenbank liefert dazu den Zahlenbeweis. Mit der Eingabe «Nicola Spirig» spuckt sie am 6. August 79 Treffer aus, 129 sind es für Roger Federer. Bei beiden Sucheingaben erscheinen auch Beiträge, in welchen Journalisten beide Sportler gewürdigt haben. Noch deutlicher sprechen die Anzahl Zeichen, welche die Redaktionen den beiden Medaillengewinnern gewidmet haben: Die Artikel, welche die Triathletin erwähnten, vereinen insgesamt 279’138 Zeichen. Die Beiträge sind zwischen 7891 und 402 Buchstaben lang. Der Tenniskönig war den verschiedenen Redaktionen an diesem besagten Montag 420‘000 Zeichen wert, die Länge der Beiträge bewegte sich dabei zwischen 10’583 und 204 Buchstaben.
Vom Basler Entlein zum Schweizer Schwan
Es ist unumstritten, dass Federer mit seinem Tenniskrimi gegen Juan Martin Del Potro die Schweizer vor ihren Bildschirmen fesselte. Nach dem längsten Dreisatzspiel der Profigeschichte im Halbfinal, enttäuschte aber der Final am Sonntagnachmittag. Keine Frage, dass sich Roger Federer den Erfolg erkämpfte und die Silbermedaille verdient mit nach Hause nimmt.
Nachdem er die Führung der Weltrangliste wieder übernommen hat, krönt er nach 858 Siegen und 193 Niederlagen (51:7 im Jahr 2012) zweifellos eine beispiellose Karriere. Mit seiner charmanten Art fliegen dem 31-Jährigen die Schweizer Herzen zu – er hat sich vom Basler Entlein zum Schweizer Schwan gemausert. Er ist ein Idol von jungen Tennisspielern und solchen die es noch werden möchten.
Wenn Siege und Charisma nicht reichen

Spirig mit Freunden und Familie (v.l.): Freund Reto Hug, Bruder Thomas, Schwester Kathrin, Nicola, Mutter Ursula, Vater Sepp, Coach Brett Sutton (Bild: Jörg Greb)
Nicola Spirig lieferte dem Publikum einen Thriller. Wohl kaum ein Fernsehzuschauer hielt nicht den Atem an, als die Schweizerin endlich zum Endspurt ansetzte, die Führung übernahm, mit dem Herzen einer Löwin kämpfte, um wenige Millimeter vor der Schwedin Lisa Norden über die Ziellinie zu laufen. In der Triathlon World Series der International Triathlon Union belegt Spirig mit 3109 Punkten den zweiten Platz, nur 25 Punkte hinter der Neuseeländerin Andrea Hewitt.
Die Zürcher Unterländerin verbuchte in ihrer eindrücklichen Karriere bisher 53 Siege in verschiedenen Disziplinen, mehrheitlich als Triathletin. Alleine 2012 entschied die 30-Jährige sieben von neun Wettkämpfen für sich. Den letzten nur wenige Wochen vor Olympia in Antwerpen über die halbe Ironman-Distanz. Spirig ist eine attraktive Sportlerin, deren charismatisches Lächeln nicht minder fotogen ist als jenes des Tennis-Asses. Auch Spirig hat es verdient, sich zum Idol zu mausern – dafür reichen Siege und Charisma aber nicht aus. Es braucht Sendezeit, etliche Zeichen und Platz auf den Titelseiten.
Ist Spirigs Gold weniger wert als Federers Silber?
28 Kommentare zu «Wenn Silber mehr wert ist als Gold»
hallo mitenand
natürlich ist die gold medaille von nicola spirig mehr wert als die silber von roger federer.
was soll den das getue, herr federer hätte doch auch gerne gewonnen. jeder sportler gewinnt gerne einen final.
das ist nicht ehrlich mit einer silber medaille so zu strahlen.
der trainings aufwand von frau nicola spirig ist auf jedenfall viel höher als der von federer. aber leider ist oft, oder meistens
selten eine objektive bericht erstattung da.
ich wünsche allen viel spass beim sport.
gruss von
raphael wellig / http://www.raphaelwellig.ch
Keine sportliche Leistung ist an und für sich irgendwas wert – jedenfalls für niemanden, ausser den Sportler selbst. Den Wert erhält sie nur dadurch, dass andere Menschen gerne dabei zugucken und mitfiebern. Und Tennis zu gucken, finden die meisten Menschen interessanter als Triathlon. Ich übrigens auch, und ich mache Ausdauersport und stand noch nie auf einem Tennisplatz.
Man kann eine Sportart nicht beliebig positionieren indem man ihr jede Menge Sendezeit reserviert. Die Sender müssen auch die Wünsche des Publikums berücksichtigen. Es war z.B. gewagt von SF einige Minute „zuviel“ Wildwasserfahren zu bringen während eine typische Publlikumssportart etwas zu bieten hatte. Entsprechend der Verriss am nächsten Tag in der Presse.
Wenn SF Sport jetzt z.B. jedes Wochenende ausgiebig über Triathlon berichten würde ist anzunemen dass viele Zuschauer sich einen anderen Sportsender suchen würden der den gewohnten Fussball etc. bringt. Es hat nichts mit der Wertigkeit der MEdaillen zu tun. Die Journalisten die RF mehr Platz einräumten versuchten einfach den Bedürfnissen der Leser entgegenzukommen. Das ist alles.
Genau! Die Medien versuchen der Nachfrage ihrer Konsumenten gerecht zu werden. Es gibt nun mal weniger Konsumenten, die sich für Triathlon interessieren als solche, die Tennis sehen wollen. Das hat nichts mit dem Geschlecht der Athleten zu tun. Man kann auch zu viel in solche Zahlen hineininterpretieren… Wetten, wenn auf einmal verhältnismässig viel Frauen Beachvolley gezeigt würde, hiesse es den Männern gehe es bloss um die Spielerinnen und deren knappe Bekleidung…
Es ist die Diskussion, die tatsächlich zu führen ist. Es ist ja nicht einfach so, dass Tennis viel spannender wäre als andere Sportarten. Aber es wird am Schweizer Fernsehen unglaublich viel und regelmässig gezeigt. Würde man die Triathlons im gleichen Umfang medial begleiten, würden diese möglicherweise auch populärer.
Das ganze ist sicher keine Gender-Frage sondern hat einzig mit der Sportart zu tun. Triathlon ist eine Randsportart, genau so wie OL, Schwimmen und dergleichen. Wie hiess nochmals die Gewinnerin der Bronzemedaille im Triathlon an der Olympiade in Sydney? Tipp: Schweizerin und nicht McMahon oder Spirig. Einzig absolute Ausnahmesportler/innen aus Randsportarten wie Niggli, Bucher, Günthör oder Röthlin erhalten mehr Medienpräsenz aber immer noch deutlich weniger als jeder durchschnittlich begabter Fussballer. Leider!
Leichtathletik ist eine Randsportart?
Leichtathletik ist ein Oberbegriff analog Ballsportarten. Innerhalb der Leichtathletik ist Marathon durchaus eine Randsportart oder der 800m-Lauf, genauso wie Volleyball bei den Ballsportarten obwohl Volleyball weltweit am meisten Aktive hat. Die Leichtathletik als solches ist in der Schweiz sicher Randsportart – leider. Oder wird die SM im Fernsehen übertragen und findet man eine ganzseitige Berichterstattung in der Zeitung? Ausser das Zürcher-Meeting oder knapp noch Lausanne sicher nicht. Schon Mal ein Crosslauf live übertragen worden? Beim Fussball oder Eishockey wird jedes Testspiel live übertragen, sogar wenn es Schweiz – San Marino wäre. Frag doch Mal morgen auf der Strasse 100 Personen wer Torschützenkönig an der EM geworden ist und wer 800m Olympiasieger wurde.
mehr „wert“ fuer wen?
Athlet: Der Wert der Medaille ist fuer die Triathletin sicher hoeher. Olympia ist was zaehlt. Im Tennis? Wimbledon wird nicht umsonst auch Tennis Olymp genannt. Federer war vor Olympia eine Ikone und er wird es auch nachher bleiben. Unabhaengig von seiner Leistung in London, fuer Federer interessiert sich die ganze Welt. Spirig war vorher schon bekannt, aber den nationalen Status hat sie sich in London erschwommen, erfahren und erlaufen.
Wie es fuer die Athleten persoenlich aussieht, wissen wir jedoch nicht.
Schweiz: Triathlon ist bei Olympia noch nicht so lange dabei und hat wohl nicht den Status von Tennis oder gar Leichtathletik. Das Interesse fuer Tennis scheint im allgemeinen hoeher als das Interesse fuer Triathlon, wieso auch immer. Vermutlich haben mehr Leute das Tennis Finale gesehen als den olympischen Triathlon. Deswegen koennte die Tennis Medaille durchaus hoeher gewichtet werden. Allerdings haben alle Zuschauer im Tennis Finale eine Schweizer Niederlage gesehen, und nicht den Gewinn einer Silbermedaille.
Herzlichen Glueckwunsch an beide!
Ich habe mich schon mehrere Male beim Tages-Anzeiger über den Umstand beschwert, dass generell der sporliche Erfolg von Frauen in einer unverzeilichen Art und Weise hinter demjenigen der Männer gestellt wird. In übergrosser Aufmachung sieht man öfter sich küsseneden und umarmenden Männer, strammen Waden werden in Vordergund gestellt in einer Art und Weise als ob es sich um das Schönste und Begehrenwerteste handeln würde. Hingegen anmutend schöne Körper von durchtrainierten Frauen, die zweifellos einem mit ihrer einmalig erotischen Ausstrahlung das Herz höheer schlagen lassen als jeder beharrten Männergestalt, werden konsequend verbannt.
lieber herr csaszar. mit ihrem bewegenden statement für mehr frauen-erotik im sport werden sie wohl bei unseren emanzipierten sportlerinnen keine rose gewinnen!
Die Frage müsste anders lauten – wem von beiden ist die Medaille mehr wert? Das löst die Frage ganz ungeachtet der Anzahl der erschienen Artikel.
Noch weniger wert ist offenbar die Silbermedallie von Nino Schurter, der hat’s nicht einmal in diesen Artikel geschafft…
Danke für den Input. Dieser Artikel wurde vor Schurters Rennen geschrieben.
…oder die goldmedallie des springreiters, an dessen namen ich mich nicht einmal mehr errinnern kann :D
nun ja… es hängt immer vom Betrachter ab…
an Steve Guerdat mit Nino des Buissonnets werde ich mich wohl noch sehr lange erinnern und auch an nicole spirig
ich denke ein Olympiasieger der mit der Schweizerflagge triumphiert hat wird auch nicht vergessen
und die Goldmedaillen sind auch viel mehr wert als Silber und Bronze
für die Sportler ist jede Medaille sehr schön aber nicht für die Nation…
Sowohl Federers Silber sowie Schurters Silber waren für mich eine Enttäuschung…
aber vergessen werde ich beide nicht… sie sind beide sehr gute Sportler
Federer ist eine Legende… und Schurter ist die Nummer 1 „zudem noch Bündner“
Ich habe sowohl das ganze Rennen von Nicole Spirig, sowie die Spiele von Federer, das Rennen von Schurter und auch das gesamte Turnier von Steve Guerdat geschaut…
alle Medaillenhoffnungen wurden erfüllt aber nicht mit korrekter Farbe „zwei mal“ aber das hat nicht nur mit dem Sport zu tun…
wenn olympia läuft ist es mir egal ob die Schweiz Gold in Kugelstossen, in Triathlon, auf 100 Meter den Bolt schlägt oder ob es schlussendlich in „gehen“ ist… ich würde alles schauen… in Olympia kämpfen die Schweizer für die Nation… und das ist Olympia nicht die Sportarten…
Ich kann mich an Medaillen im Schiesssport erinnern, die gegenüber jener von Spirig einen Bruchteil an Begeisterung auslösten. Insofern, ja, es gibt interessantere und weniger interessante Sportarten, auch bei Olympia, und Ausdauersportarten sind nun mal nicht gerade publikumswirksam.
Tennis ist beliebter als Triathlon.
Leider für alle Triathleten, zum Glück für alle guten Tennisspieler, die ihr Hobby zum Beruf machen.
Natürlich ist Nicola Spirigs Medaille mehr wert als das Silber von Roger Federer, doch hat eben Tennis weit mehr Medienpräsenz als Triathlon. Wahrscheinlich wäre auch dann noch mehr über RF geschrieben worden, wenn er den Kampf um Bronze verloren hätte, aber soweit (keine Medaille) kams ja zum Glück nicht.
Die Leistung von Frau Spirig ist sicher spitze und bewundernswert. Wenn man die Prominenz der beiden Sportarten vergleichen will, kann man ja einen einfachen Test machen: Wieviele Leute kennen die wichtigsten paar Konkurrentinnenen von Frau Spirig und wieviele Leute kennen die wichtigsten paar Konkurrenten von Herrn Federer. Voilà, ist halt so.
@ Köbi: Auch das hängt ganz klar mit Sendezeit und Titelseiten zusammen…
Es ist schon so, Frauenmedallien werden von den Medien praktisch ignoriert bzw. gegneüber den männlichen Kollegen in den Hintergrund gestellt.
@Sabrina: Praktisch ignoriert? Also ich konnte in jeder Zeitung, die ich in die Finger gekriegt habe, ausführlich über die Goldmedaille von Nicola Spirig nachlesen, und zwar mindestens im gleichen Umfang wie über das Gold von Guerdat. Kommt wahrscheinlich weniger auf das Geschlecht an, dafür umso mehr um den Stellenwert der Sportart. Tennis ist nun mal allgegenwärtig, Triathlon interessiert die grosse Masse nur an Olympia und im Herbst beim Iron Man-Finale auf Hawaii. Das mag ungerecht erscheinen, ist aber nun mal so.
Hat eher damit zu tun, das fast jeder Tennis kennt, und eher wenige sich für Triathlon interessieren… mein Mann und ich machten früher Triathlon, es ist ein toller Sport, aber die meisten wissen nicht mal den Unterschied zwischen den verschiedenen Distanzen (Olympic, Sprint, IronMan usw). Schade!
Sorry, war für Sabrina gedacht, nicht für dich Nick! :-)
Danke für euren Input. Habe heute eine Liste der Zuschauerzahlen beim SF gesehen, da waren Triathlon und Reiten auf den Plätzen 8 und 9. Allerdings sind auch solche Vergleiche mit Vorsicht zu geniessen. Natürlich haben Sportarten die am Abend gespielt werden, immer mehr Zuschauer als diejenigen die am Tag (noch unter der Woche) stattfinden. Es wäre auch Zeit den anderen Sportarten (ausser Fussball, Eishockey, Tennis und F1) mehr Sendezeit zu widmen und auch Direktübertragungen durch zu führen. Dies wäre nur fair gegenüber den anderen Sportarten und ihren erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler sowie ihren Fans.
Dieses Thema auf die Geschlechter der Sportler zurückzuführen, ist schon ziemlich gewagt. Hätte jemand wie eine Martina Hingis Silber gewonnen, während ein Mann in einer Randsportart (z.B. der Mountainbiker, dessen Namen ich nicht einmal mehr weiss) Gold geholt hätte, wäre sicher auch viel mehr über das Tennis-Silber geschrieben worden.
Triathlon ist nun einmal eine Randsportart, vor nicht allzu langer Zeit sogar noch ein Extremsport. Ausserhalb der olympischen Spiele liest man darüber nur selten etwas, weil es einfach nur wenige Leute interessiert.
es ist wohl vom gesamt-palmares abhängig, wie nachhaltig der „idol-charakter“ der jeweiligen sportler/innen ist. in der momentaufnahme betrachtet, finde ich, dass frau spirig’s gold-medaille im vordergrund steht. sie mit einem roger federer, welcher seit jahren in seiner disziplin (fast) alles abgeräumt hat, zu vergleichen finde ich aus der warte von nicola spirig aus nicht fair. fazit: jeder erfolg verdient seine beachtung – die nachhaltigkeit jedoch schafft idole.