Olympia statt Seniorensport
Dies ist der dritte Beitrag von Gast-Bloggerin und Wassersportlerin Siri Schubert*
Schon als ich als Schüler und Jugend-Paddlerin an Kanu-Regatten teilnahm, war sie in meinen Augen eine Ikone – Josefa Idem, deren Name bei jeder Siegerehrung durch die Lautsprecher tönte. Das war vor knapp 30 Jahren.
Bei den Olympischen Spielen 1984 und 1988 verfolgte ich ihre Rennen gebannt. Sie heimste in Los Angeles eine Bronze-Medaille im Kajak-Zweier ein. Es folgten weitere Medaillen im Einer-Kajak über die 500 Meter Sprint Distanz: Bronze in Atlanta, Gold in Sydney und noch mal Silber in Athen und Peking.
Gut, dass ich mir Josefa Idems Namen gleich von Anfang an gemerkt habe: In London ist die 47-Jährige (sie wird im September 48) wieder dabei und hat Chancen auf eine Medaille im Kajak-Sprint. Sie ist die erste Frau, die an insgesamt acht Olympischen Spielen teilnahm – von wegen einmaliges Erlebnis! 2009 wurde die gebürtige Deutsche, die inzwischen die italienische Staatsbürgerschaft hat, zudem die älteste Medaillengewinnerin bei einer Kajak-Sprint-Weltmeisterschaft.
Ihre Gegener könnten ihre Kinder sein
Sie ist allerdings nicht die einzige, die sich in einem Alter, in dem andere gemütlich am Swimmingpool liegen, noch mit Elite-Sportlern, die ihre Kinder sein könnten, misst. Birgit Fischer, eine bereits mit acht olympischen Gold- und vier Silbermedaillen ausgezeichnete Kajak-Sprinterin, wollte mit 50 Jahren in London das Comeback schaffen, musste die Pläne aber wegen Herzrhythmusstörungen aufgeben.
Wenn Wildwasser-Abfahrtsrennen olympisch wären, dann würde sich sicher noch eine weitere Frau in den Club der schnellen Ü-40-Damen einreihen. Die 43-Jährige Schweizer Wildwasser-Kajak-Sprinterin Sabine Eichenberger hat im Juni den Wildwasser Gesamtweltcup gewonnen, ein weiterer Erfolg zu ihren zwei Weltmeistertiteln und den bisherigen drei Weltcup-Gesamtsiegen. Dazu hat auch sie schon olympisches Metall erpaddelt: In Atlanta holte sie im Kajak-Vierer über die 500-Meter-Distanz Silber.
Rekorde brechen mit 15 und, später, mit 40 Jahren
«Das Alter ist nur eine Zahl,» betitelt die amerikanische Schwimmerin Dara Torres ihre Autobiografie, in der sie erläutert, dass viele der Annahmen über die Abnahme der Leistungsfähigkeit im Alter nur im Kopf und nicht real existieren. Die inzwischen 45-Jährige Schwimmerin nahm an fünf Olympischen Spielen teil und verpasste die Qualifikation für London ganz knapp um 0,09 Sekunden. Den amerikanischen Rekord in den 50 Metern Freestyle brach sie mit jugendlichen 15 und dann noch einmal mit reifen 40 Jahren.
Tatsächlich scheinen vor allem Wassersportlerinnen (mal abgesehen vom Reitsport und Schiessen) den Altersdurchschnitt für erfolgreiche Leistungssportlerinnen zu heben. Und das in Disziplinen, die Sprintkraft, Reaktionsschnelle und Koordination erfordern – Fähigkeiten, die normalerweise als Domäne der Jugend gelten. Dass Ausdauerleistungen auch von älteren Sportlern erbracht werden können, gilt inzwischen als akzeptiert und wird von Top-Marathonläufern jenseits der 40er-Grenze immer wieder belegt, aber bei Sprintern und Sportarten wie Wildwasser-Rennen, die nicht nur Schnellkraft sondern auch ausgesprochen gute Balance und blitzschnelle Reaktionen erfolgen, sind sie eher ungewöhnlich.
Zwar nehmen im Alter sowohl maximale Herzfrequenz und Belastbarkeit der Sehnen sowie die Trainierbarkeit der Schnellkraft ab, wie Dr. Marlene Mauch, Spezialistin für Leistungsdiagnostik und Biomechanik in der Praxisklinik Rennbahn bestätigt, doch das heisst noch lange nicht, dass das Sportler über 40 schon zum alten Eisen zählen. Im Gegenteil, wer noch olympische Ambitionen hat, aber schon mehr als drei runde Geburtstage gefeiert hat, sollte sich, wenn möglich, im Wassersport versuchen. «Wassersportarten sind nicht so beanspruchend für den Körper wie High Impact Sportarten wie Laufen oder Sprinten, deshalb kann man Wassersport auch viel länger aktiv und leistungsorientiert betreiben», sagt Dr. Marlene Mauch.
Nicht jeder glaubt jedoch, dass sich die betagten Sportler noch mit den jugendlichen Spitzenathleten messen sollten, schliesslich hatten sie ihre Chance, als sie jung waren. Was meinen Sie – sollte jeder auch das tun, was er kann und sind die 40er die neuen 30er? Oder sollten olympische Ambitionen den jungen Sportlern vorbehalten bleiben?
*Siri Schubert ist Journalistin, Medienberaterin und begeisterte Wassersportlerin. Nach mehr als 10 Jahren in den USA, die meiste Zeit davon in Kalifornien, lebt sie jetzt in Basel.
10 Kommentare zu «Olympia statt Seniorensport»
Kanu fahren ist super man ist in der Natur und es ist auch ein anstrengender Sport also gut für die Fitness.
Wobei ich niemals so aussehen will wie die Josefa
„Wer betreibt schon Kanusport?“ Ich bin 71 und habe erst mit 54 zu paddeln begonnen. Das Alter ist kein Thema, es ist das Erlebnis auf dem Wasser und es braucht nicht immer nur Spitzenleistungen. Alle Athleten an den olympischen Spielen bewundere ich für ihre Ausdauer und Selbstdisziplin. Wenn immer möglich paddle ich mit vielen Freunden aus den Kanuclubs auf Wildwasser und Meer. Klar, ich bin nicht mehr so reaktionsschnell und auch nicht mehr so kräftig, wie früher, aber das Wasser fasziniert mich nach wie vor und gibt mir grosse Lebensfreude. Wer mehr wissen möchte sollte sich mit dem Philosophen und Kayaker Doug Ammons und seinen Schriften bekannt machen. Er hat es geschafft die in meinem Unterbewusstsein vorhandene Anziehung des Wassers in Worte zu fassen.
„Wer betreibt schon Kanusport ?“ Das klingt zwar unwissend und deshalb auch naiv. Ich bin 84 Jahre und paddele heute noch gerne, wenn ich die Gelegenheit habe. Als 12-jähriger fing ich an, und spürte die gewaltige Anziehungskraft des Wassers. Ich bin Rennen im C1 und C2 gefahren und habe auch Slalomkämpfe bestritten, das alles hat dazu beigetragen, daß ich mich heute noch sauwohl fühle und überaus aktiv und beweglich sein kann. Wenn ich auch nicht die Absicht habe, 2016 an den Spielen teilzunehemen, ist Kanusport auch ein Garant für ein schönes Leben. Und….. es waren immer die Kanuten, die den mangelnden Medaillensegen mit ihren Leistungen aufpoliert haben.
Die Teilnahme sollte sicherlich nicht vom Alter abhaengig sein, solange man die leistung erbringt soll man teilnehmen koennen.
es kommt auch darauf an, wie verbreitet eine Sportart ist. Wer betreibt schon Kanu?
Ich.
Liebe Siri Schubert,
ich teile Ihre Begeisterung für die „älteren Semester“ bei den Olympischen Spielen; warum auch nicht, wenn die Leistungen noch erbracht werden. Ansonsten hätten sich diese Athleten auch kaum für die Teilnahme qualifiziert. Nur die Frage am Schluss des Beitrages finde ich etwas naiv. Nein, die 40er sind nicht die neuen 30er. Es sind immer noch die 40er und werden es auch bleiben. Auch in früheren Zeiten gab es ältere Athleten, die in verschiedenen Disziplinen noch Erfolge feiern konnten. Wie schon eingangs erwähnt, müssen sich auch solche Sportler zuerst qualifizieren, um an den Spielen teilnehmen zu können. Solange disee Leistung erbracht wird, ist das auch in Ordnung.
MfG, M. Riess
Es muss ein Umdenken stattfinden: Spizensport ist (je nach Disziplin) auch nach dem 30. oder 40. Lebensjahr kein Problem. Der Ausnahmeläufer Haile ist beispielsweise auch weit über 40!
geb. 18. April 1973, also unter 40.
nun. obwohl ich ja eigentlich glaube, dass frau idem mit vorname josef heisst, muss ich eingestehen, dass kajak-fahren anspruchsvoll ist – und – auch für’s auge was bietet. auch der gestrige sieg von felix sanchez zeigt, dass man auch im fortgeschrittenerem alter noch in der lage sein kann, spitzenleistungen abzurufen und dies nicht nur beim wassersport.