Steinschlag! «Es kommt einiges von oben runter»

Smon Gietl. Kanzel, Big Wall

Auf dieser kleinen Rampe auf 600 Meter Kletter-Höhe haben wir heute unser Materiallager für den Gipfelsturm eingerichtet. Im Bild: Simon Gietl. Die Aussicht von hier ist unvergesslich: Eisberge schwimmen wie winzige Zuckerwürfel auf dem Meer.

In den vergangenen zwei Tagen kamen wir unglaublich gut voran. Wir haben den unteren Teil dieses Granit-Turms geschafft – und sind heute bereits 150 Meter unter der Head Wall (Gipfelwand) angelangt. Es läuft traumhaft!

Die Route durch die Big Wall

Unsere Route durch den Monster-Granitturm.

Wir entschieden uns für eine Route, welche vom mittleren Teil des Wandfusses senkrecht und teils überhängend empor führt. Die extreme Steilheit macht die Kletterei zwar anspruchsvoll, aber der Materialtransport geht einfacher.

Das Material ziehen wir in Haulbags (robuste Säcke) an Fixseilen hoch. Dazu eignet sich am besten überhängendes Gelände. Denn: Je weniger steil ein Fels ist, desto schwerer liegt das Material auf und desto schneller verheddert es sich im Gestein – sehr mühsam und kraft- und zeitraubend.

Mittlerweile haben wir insgesamt 250 Kilo Kletterutensilien sowie Essen und Trinken für fünf Tage auf einer kleinen Kanzel in gut 600 Meter Höhe deponiert – und sind perfekt vorbereitet für den Gipfelsturm!

Pikant: Es gibt viele lose Steine in der Wand und die zwei Vorkletterer müssen aufpassen, dass sie die untere Seilschaft nicht verletzen. Wir haben zeitweilig starken Steinschlag, es kommt einiges von oben runter.

Roger Schaeli in der Big Wall

Kaum Tritte, kaum Griffe: Roger Schaeli beim Material hochziehen.

Mit einem Top-Team unterwegs

Die Kletterschwierigkeit liegt im 8. alpinen Grad – also ziemlich anspruchsvoll – und beinhaltet viel Riss- und Reibungskletterei. Zum Teil fast glatte Felsstruktur. Oben stellt sich die Gipfelwand dann noch mal auf und wird für uns zunehmend schwieriger.

Als bisherige «Schlüsselstelle» entpuppte sich die 16. Seillänge: Wir konnten uns kaum sichern, weil die Risse in der Wand zu wenig tief sind, um die Klemmgeräte (Friends) zu platzieren. Simon kletterte diesen Abschnitt vor und schaffte die Stelle sogar im ersten Versuch (onsight). Ich bin hier mit einem Top-Team unterwegs!

Wir harmonieren alle wunderbar. Jeder weiss, was zu tun ist, keiner diskutiert lange herum.

Wenn es das Wetter erlaubt, starten wir den Gipfelsturm sofort

Spuren einer vorherigen Begehung haben wir in unserer Big Wall soweit keine entdeckt. Nachdem wir vor ein paar Tagen herausgefunden hatten, dass der Berg Grundtvigskirken heisst, erreichte uns die Information, dass 1999 ein schwedisches Team in diesem Massiv kletterte. Die Schweden bestiegen zwei Gipfel via Südost-Seite in 25 Seillängen. Unsere Wand befindet sich jedoch auf der auf Nordost-Seite und wir rechnen für unsere Gipfelbesteigung mit 40 bis 50 Seillängen.

Die Uhr zeigt jetzt zehn Uhr abends, wir sind soeben hundemüde ins Basislager zurückgekehrt. Eine Erstbegehung ist eine Schinderei: Material transportieren, Vorklettern, einen Weg durch die Wand suchen, sich selber sichern. Das strengt auch psychisch an. Uns fehlt jetzt die Kraft, um noch Fischernetze auszuwerfen, wir begnügen uns wieder mit unseren gefriergetrockneten Menüs – obschon es draussen feinen Seafood gäbe.

Das Wetter ist fast zu schön, um wahr zu sein! Nach dem Znacht prüfen wir die Prognosen. Wenn es stabil bleibt, greifen wir morgen den Gipfel an – und bleiben dann drei bis fünf Tage nonstop in der Wand. Das Wetter macht mich auf einer Expedition immer etwas nervös. Schlafen werde ich trotzdem tief und fest, so müde bin ich.

Daniel Kopp

Daniel Kopp – ein sehr starker Kletterer. Auch er ist viele Seillängen vorgestiegen

(Aufgezeichnet von Natascha Knecht)

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11 Kommentare zu «Steinschlag! «Es kommt einiges von oben runter»»

  • Hallo Roger und Kumpanen
    Ihr habt wirklich wunderbares Wetter! Ihr könnt noch lange bleiben?! Bei uns „schiffets“ der ganze Tag! Eure Tour ist wirklich fantastisch zum mitverfolgen! Wetter, Team etc. alles stimmt. Roger, alter Zimmermann pass auf deine Füsse auf!?!
    Nochmals viel Erfolg und Grüsse aus Flühli.

  • Susanne sagt:

    „ehr send de hammer“
    – A – L – L – E – Z !!

  • helene totmoser sagt:

    Hallo! Ich halt Euch die Daumen. Toll, Eure Erlebnisse mitverfolgen zu können. Einfach nur atemberaubend und gewaltig schön. Toi, Toi, Toi.

  • Renate Gietl sagt:

    Ihr schafft das! Ich wünsche euch viel Glück!!!!

  • Yvonne sagt:

    Faszinierend… ich war schon in Grönland (habe in Island gearbeitet und von da aus Tripps nach Grönland unternommen). Die Bilder sind toll und euer Vorhaben packend.
    alles Gute weiterhin auf eurem steilen Weg to the top of the rock :-)

  • Lisbeth sagt:

    Hallo Boys,
    Jede Tag go ich go läse wies witer got. Bin immer gschpannt was ihr so aträffed. Isch es riiiiese Ding die Wand. Aber irsinnig schön zum luege. Viel Glück bim wieter chlätere und hebed euch sorg. Düme blibed drückt.

  • Pat sagt:

    Hallo Jungs

    Täglich verfolge ich Euere Taten und bin fasziniert davon.
    Ich kann zwar nicht klettern, schätze aber die Berge sehr und darum geniesse ich es umso mehr von Euch auf diese Weise mit in eine solches Unterfangen genommen zu werden.

    Ich wünsche Euch ein schönes Erlebnis und dass Ihr Euer Ziel gesund erreicht.
    Pat

  • Karin sagt:

    Ui ui ui jetzt geht’s los!!! Viiiel Glück euch! Passed uf oi uf!

  • Susanne sagt:

    Hallo zäme
    Absolut genial euer Vorhaben! Viel Erfolg und Spass. Und passt auf euch auf!
    Grüessli, Susanne

  • Bastian sagt:

    Liest sich sehr spannend, euer Blog. Die Wetterweh mag euch – zum Glück! Petri Heil, oder was man euch auch immer wünschen mag. :)

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