Räuberschlucht und Rebenland
Diese Woche Mont Sujet, Twannbachschlucht und Schafiser Weinprobe (BE)
Der Bus ab Bahnhof Biel war pumpenvoll: Wanderer, Kletterer mit Seilen, Biker, deren Velos Bikes das Einsteigen fatal komplizierten. Wir atmeten auf, als wir nach längerer Fahrt oben in Les Prés-d-Orvin, Bellevue, aussteigen konnten.
Das erste, was ich bemerkte: ein Himmel wie im Kino. Wolken, weiss, wattig und von einer Körperlichkeit, die auch auf Fotos beeindruckt.
Bauernwürste mit Ahorn, fein
Wir zogen los, dem Mont Sujet entgegen. Dessen Name hat nichts mit Subjektphilosophie zu tun hat. «Sujet» kommt vom französischen Patoiswort «Suche» gleich «kleiner Gipfel». Gross war dann allerdings, als wir oben waren, die Sicht. Wir sahen die Seen der Region und allerhand Juraberge, darunter natürlich der Chasseral mit seiner Antenne. Den höchsten Punkt unseres Mont Sujet zeigte übrigens nur ein Stein im Boden an, wohingegen wir auf dem tieferen Nebengipfel ein Kreuz ausmachten – ungerechte Welt!
Abwärts nahmen wir ein Stück weit denselben Weg und kehrten in der Bergerie du Haut ein. Das stilechte Jura-Gehütt gehört der Gemeinde Lamboing, hat nur in der warmen Jahreszeit offen, wird von Freiwilligen im Turnus gehütet. Man kann auch übernachten. Die geräucherten Bauernwürste vom Bartlomé in Lamboing mochten wir sehr; ich hatte eine mit Ahorn oder Ahornsirup darin, fein.
Sensationelle Twannbachschlucht
Wir stiegen weiter ab, nahmen dabei die Variante via den Skulpturenweg, Figuren der Brienzer Schnitzerschule säumten den Pfad. Endlich traten wir aus dem Wald, hatten vor uns die Ebene um Diesse mit der Kerbe der Twannbachschlucht und das in einer Mulde ruhende Dorf Lamboing; sein Dächermeer erinnerte mich an eine tunesische Kleinoase.
Die Twannbachschlucht ist jedesmal wieder eine Sensation: die überhängenden Felsen, der Bach, die Bändigung der vermoosten Wildheit durch den Menschen mit Treppen, Holzbohlenstufen, Geländern. Nach 20 Minuten in der Schlucht bogen wir rechts ab Richtung Ligerz. Erhaben der Moment, da wir aus dem Wald traten: Nun waren wir im Licht, im Genuss, im Land der Winzer; wir fanden uns im Hang über dem Bielersee inmitten der Reben. Vor uns lag die Petersinsel.
Wald, Wein und die Räuberschlucht
Wir hielten vorwärts, passierten das Kirchlein von Ligerz, einst eine Pilgerkapelle und heute beliebt bei Brautleuten, die eine Bilderbuch-Hochzeit anstreben. Von Ligerz setzten wir gleich fort nach Schafis. Dort, wussten wir, war Weinprobe.
Schafis ist ein Dörflein zehn Gehminuten nach dem Bahnhof von Ligerz; ein paar Häuser bilden eine Gasse und Geborgenheit. Überall war ins Freie gestuhlt. «Weinprobe» nennt sich ein Fest der Winzer, bei dem man degustieren und kaufen kann. Wir assen: frittierten Egli die einen, Käseschnitte die anderen. Und wir tranken Weisswein. Später besorgte ich mir bei meinem Lieblingswinzer Teutsch ein paar Flaschen Gutedel, also Chasselas.
So war das letzten Mai und… in einer guten Woche ist wieder Weinprobe in Schafis – man gehe hin! Und um mein Gefühl zur ganzen Unternehmung nachzuliefern: Das war eine meiner allerschönsten Wanderungen. Ein abwechslungsreicher Dreiakter: Zuerst Jura mit Kalk, Wald, Weide und freier Sicht vom Berg. Dann eine Räuberschlucht. Und schliesslich der französisch behauchte Traubenhang und der See als Seelenspiegel. Eine Schifffahrt auf ihm, von Ligerz nach Biel, machte den Tag perfekt.
Route: Les Prés-d’Orvin, Bellevue (Bus ab Biel SBB) – Noire Combe – Bergerie du Bas – Bergerie du Haut – Mont Sujet – Bergerie du Haut – Skulpturenweg – Lamboing – Les Moulins – Twannbachschlucht – Abzweiger im unteren Teil der Schlucht – Kirchlein Ligerz – Ligerz – Schafis – Ligerz (Bahn oder Schiff nach Biel).
Gehzeit: 4 1/2 Stunden.
Höhendifferenz: 400 Meter auf-, 1000 abwärts.
Charakter: Drei ganz verschiedene Etappen, zuerst Jurawanderung, dann Schluchtwanderung, dann Weinwanderung. Aussichtsreich. Paradiesgartenverhältnisse in den Reben über dem Bielersee.
Höhepunkte: Der Blick vom Mont Sujet. Die Einkehr in der Bergerie du Haut mit den Bartlomé-Würsten. Der Schummer der Twannbachschlucht. Schafis, die Weinprobe, der Wein.
Hund: Ruppig in der Twannbachschlucht.
Einkehr unterwegs: Bergerie du Bas (Montag zu). Bergerie du Haut (am Wochenende bei gutem Wetter). In Lamboing und Ligerz.
Tipp I: Weinprobe in Schafis am 19. und 20. Mai: Eine Mischung aus Winzerzeremonie, Degustationsanlass, Volksfest.
Tipp II: Die Saucisses paysannes fumées von Metzger Bartlomé in Lamboing sind hervorragend: www.lion-rouge.ch
Tipp II: Besonders schön ist die Rückkehr nach Biel mit dem Schiff.
Privater Blog: widmerwandertweiter.blogspot.com
5 Kommentare zu «Räuberschlucht und Rebenland»
Hallo Zäme,
Das isch jo e Überraschig. I fröie mi uf öie Bsuech bi üs im Houzfasschäuer bimene chüele Glas Wy!
Liebi Grüess,
Fabian Teutsch
Und ich wandere auch noch in anderen schönen Gegenden, nämlich unter anderem… http://www.webwandern.ch/etappen/ – Viel Vergnügen!
Der Kriminalroman zur Wanderung: Der Richter und sein Henker von Friedrich Dürrenmatt.
cool, www schon wieder in unserer region unterwegs ;-)
hallo thomas
vielen dank für die interessante wanderung… das werden wir auf jedenfall angehen…
an dieser stelle, besten dank für die tollen berichte und vorschläge. weiter so.
ich wünsche dir eine schöne wandersaison 2012.
gruss von
raphael wellig / http://www.raphaelwellig.ch