Die Kinderüberraschungen

Es ist der erste Wintertag mit etwas Schnee, doch vorerst dominieren durch den Wald zur Degenried noch grün und braun. Gestartet bin ich bei der Haltstelle Burgwies des 11er-Trams – und übrigens geht es in dieser Kolumne um eine Wanderung, die grossteils auf Stadtzürcher Boden verläuft.

Im alten Burgwies-Depot ist heute ein Trammuseum untergebracht. Es muss eine tolle Show gewesen sein, als im Mai 2007 das Lisbethli, der Pedaler, das Kurbeli und andere alte Fahrzeuge am Limmatquai paradierten, um schliesslich diesen Ort anzusteuern.

«Dschumbo» speit sogar Wasser

«Elefantenbach» steht auf dem Wanderwegweiser: Das ist meine Richtung. Wer Kinder dabei hat, denen diese Route Abwechslung und Vergnügen bietet, kann ihnen ankündigen, dass sie einen Elefanten antreffen werden. Nachdem die Witikonerstrasse im Schlyfi-Rank unterquert ist, kommt das Tier in Sicht. Es ist aus Beton, steht im Schlängelbach und speit Wasser aus seinem Rüssel. 1898 liess ein Verschönerungsverein es aufstellen. Man taufte es «Dschumbo» nach dem Elefanten, der im Londoner Zoo Kinder trug.

Im spitzen Winkel zweige ich links ab und erreiche binnen kurzem das Waldrestaurant Degenried. Vor einiger Zeit nach einem Umbau wiederöffnet, kombiniert es Smoothjazz mit «alpine chic» wie weiss-rot-karierten Tischdecken und Hirschgeweihen. Ich fühle mich wohl in dem Lokal – und um die Kinderfreundlichkeit der Route zu belegen: Es gibt einen besonders feinen Coupe Dänemark.

Napoleons Kugeln stecken noch

Nach der Einkehr geht es im Wald steil aufwärts. Gegen das Wasserreservoir Looren hinauf liegt Schnee. Durch die Bäume wird der Turm auf dem Loorenkopf sichtbar, einer Erhebung des Adlisberges. Auf eigenes Risiko, wie mir eine Tafel beibringt, ersteige ich ihn. Tatsächlich sind die Holztritte glitschig. 153 Stufen, 33 Höhenmeter, dann bin ich oben. Keine Chance, Eiger, Mönch und Jungfrau zu erblicken wie an guten Tagen. Doch immerhin, da ist der bleigraue Zürichsee. Wald, Wald, Wald. Der Greifensee.

Mein nächstes Ziel heisst Witikon. Es wurde 1934 dem wachsenden Zürich einverleibt und ist heute recht verstädtert. Auf Wikipedia habe ich gelesen, dass in der Mauer der reformierten Kirche österreichische Kanonenkugeln aus der Napoleonzeit stecken. Damals kam es in und um Zürich zu zwei Schlachten zwischen den französischen Truppen, die die Revolution exportieren wollten, und Europas beharrenden Kräften um das österreichische Habsburg.

Die Show-Mühle

Der Trichtenhauser-Fussweg führt ins Schattenloch der Trichtenhauser Mühle. Kürzlich ass ich dort zum ersten Mal, ich mochte das Cordon bleu ebenso wie das Trutzambiente des Hauses. Gemüllert wird am Wehrenbach längst nicht mehr, das Wasserrad, 1984 aus dem Zürcher Oberland herbeigeschafft, ist pure Show. Kinder werden es lieben. Vorsicht: Der Mühleweiher ist abgesperrt, wirkt aber doch unheimlich.

Trichtenhausen, Truhtilhusa, ist als Name 946 erstmals dokumentiert. Im Aufstieg erobere ich mir die Moderne zurück; vorbei am weissen Turm der St. Michaelskirche gelange ich in zehn Minuten zu der Forchbahn-Station Zollikerberg. Um eine vierte Attraktion für Kinder zu nennen: der Rosengarten, in dem ich oft einkehre, weil ich um die Ecke wohne, unterhält ein Spielzimmer und einen Spielplatz – und die Pizza ist sehr gut.

Route: Zürich-Burgwies (Tram Nr. 11 ab HB) – Elefantenbachweg – Schlyfi-Unterführung – Elefant – Degenried – Loorenkopf-Turm – Witikon – Trichtenhausen – Zollikerberg Station.

Gehzeit: 3 Stunden.

Höhendifferenz: 450 Meter auf-, 250 abwärts.

Charakter: Leichte Route. Bei der Besteigung des Loorenkopf-Turms muss man im Winter vorsichtig sein. Kinderfreundlich, weil abwechslungsreich.

Höhepunkte: Der Schlängelbach vor und nach der Schlyfi. Die Aussicht vom Turm. Die trutzige Trichtenhauser Mühle.

Einkehr: Degenried. In Witikon. Trichtenhauser Mühle. Rosengarten bei der Station Zollikerberg.

Privater Blog: widmerwandertweiter.blogspot.com

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11 Kommentare zu «Die Kinderüberraschungen»

  • Stephan sagt:

    Dieser Artikel schildert einen meiner Lieblingsspaziergänge (ist keine Wanderung). Als Hottinger-Kind kenne ich diesen City-Wald zu gut. Nur bin ich der Meinung, dass man ihn leicht modifiziert erleben sollte:

    1. Start am See (z.B Blatterwiese)
    2. Botanischer Garten / Burgweg zum Burgwies
    3. Wie beschrieben rauf zur Schlyfi zum Degenried (aber dort nicht ins Restaurant, auch wenn renoviert, sondern Gillplausch und Fussball oder Räuber und Poli für grössere Kinderansammlungen)
    3. Statt zum Looren, rüber zum Dolder (nicht ins Dolder Grand)
    4. weiter über das Dreiwiesen (an der so geliebten FIFA) zum Zoo (nicht unbedingt in den Zoo)
    5. Dem Orelliweg/Spyriweg entlang Richtung Strickhof und
    6. der Endstation Irchelpark.

    Alternativ: bei 6 anfangen und in 1 baden gehen.

    Viel spass! :-D

  • Alfred sagt:

    Wir haben die Wanderung umgekehrt und nach der Besichtigung des Tram Musems haben wir noch ein tolles Fondue im Restaurant Burgwies genossen…. http://www.burgwies.ch

  • Danielle sagt:

    Als Nicht-mehr-Zürcherin und überhaupt Nicht-Zürcherin, aber mit langjährigem Wohnsitz in den Kreisen 7 und 8 hab ich grad ein bisschen Längizyti bekommen nach Witikon, Züriberg, dem Adllisberg und der ganzen Gegend. Unzählige Male bei jedem Wetter durch all die Tobel gestiegen, durchs Küsnachter Tobel auf den Pfannenstiel, auf der anderen Seite wieder runter durchs Meilemer Tobel, oder durchs Erlenbacher Tobel, und immer wieder hin und her zwischen Stadt und Witikon via Elefantenbach. Thomas Widmers Wanderungen sind immer ein Genuss, auch zum Lesen.

  • Vielen Dank für die Kommentare; und danke, Daniel, Sie haben recht? TW

  • Daniel sagt:

    Die Kanonenkugeln sind (gemäss Wikipedia) französisch. Die Österreicher waren in der Kirche und wurden von den Franzosen belagert. (Also haben die Franzosen auf die Kirche geschossen und nicht die Österreicher)

  • Und auch im Trammuseum waren wir – und in einem „Elefanten“ haben wir unsere Trauung gefeiert: http://www.dieangelones.ch/2011/11/unser-besuch-im-tram-museum-zurich/

    Mehr familientaugliche Ausflüge gibt es hier: http://www.dieangelones.ch/category/freizeit/ausfluge/

  • Hansueli Koch sagt:

    Da Sie das Trammuseum und (natürlich) den Elefanten im Bach erwähnen: Unter den alten Trams gibts/gabs auch einen Elephanten, zuletzt – in meiner Jugend – auf der Linie ‚7‘ eingesetzt. Wir sprangen jeweils auf der Bahnhofbrücke oder bei der Ausfahrt von der Station Stauffacher auf den anfahrenden Motorenwagen (oder Anhänger) auf, um sofort darauf vom Kondukteur der Unverantwortlichkeit gezeiht zu werden. Wir nickten brav mit den Köpfen, nur um bei der Einfahrt auf dem Bahnhofplatz wieder abzuspringen (und selbstverständlich ein anderes Mal wieder auf). – Ich verstehe, dass dies heute viel zu gefährlich wäre, aber als ich zur Demonstration meinen Kindern auf einer Publikumsfahrt, die ja im Sommer alle Monate oder 14 Tage statfindet, zeigte, wie’s geht, erhielt ich (50-Jähriger) vom jugendlichen, aber forschen Museumskondukteur einen barschen Verweis. Er konnte ja nicht wissen (oder will es nicht wahrhaben), dass dies früher gang und gäbe war. Jetzt wohne ich viel zu weit weg von Zürich, aber wehe, ich komme mal an einem Museumstram-Samstag in die Stadt …! (Verhindern lässt sich der Auf- oder Absprung nämlich nicht.)

    • Hansueli Koch sagt:

      Erinnere mich gerade, dass der Siebner in den frühen 60er-Jahren ja gar nicht über den Stauffacher fuhr, also muss er noch auf einer andern Linie eingesetzt worden sein, tja so lasch ist das Gedächtnis. Aber dass wir auf der Bahnhofbrücke, also dort, wo es gar keine Haltestelle gab, auf- und abgesprungen sind, ist mir noch sehr deutlich in Erinnerung. Der Verkehr war zwar schon gefährlich, aber längst nicht so wie heute. Und wie man auf- oder abspringt, will ich hier nicht verraten, es soll ja niemand auf die Idee kommen – hihi.
      (Stattfinden schreibt man mit 2 ‚t‘, ich weiss, aber wer Rechtschreibefehler findet, darf sie gerne behalten, wie mein Bruder immer so schön schreibt).

  • martin tschuemperlin sagt:

    Ich wunderte mich schon ewig, seit wie lange
    Jumbo nun so in diesem Rauschbach steht, auch
    wir spielten als Kinder dort herum.
    Herr Widmers Reiseberichte sind immer wieder
    für ein paar Entdeckungen gut.
    Ich warte darauf, dass er einen Gastroführer
    veröffentlicht!

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