Best of Outdoorblog: Je dünner die Luft, desto extremer der Egoismus

Zwischen Weihnachten und Neujahr gönnt sich das Outdoorblog-Team sportliche Tage an der frischen Luft. Deshalb publizieren wir in dieser Zeit unsere Highlights aus dem vergangenen Jahr.

Der dritte Beitrag unserer Best-of-Sammlung stammt aus der Feder von Natascha Knecht.

Gasherbrum Rettung

Der pakistanische Träger erlitt am Gasherbrum ein Lungenödem und wäre fast gestorben. Seine Expeditionsgruppe wollte keine Energie verschwenden, ihm zu helfen. Zum Glück gibts noch einzelne Alpinisten, die alles geben, um ein Menschenleben zu retten. (www.gasherbrum2011.it)

Über Leichen gehen – im Höhenbergsteigen ist das keine Seltenheit. Entlang der Normalroute auf den Mount Everest liegen Dutzende Tote und die Alpinisten stapfen einfach vorbei. Wie kalt sich Menschen verhalten können, wenn sie sich ein Gipfelziel in den Kopf gesetzt haben, zeigt der Vorfall, der sich soeben im Karakorum-Himalaja an den Gasherbrums (bis 8080 Meter hoch) abgespielt hat:

Ein pakistanischer Träger erkrankte auf rund 5900 Metern schwer, wahrscheinlich an einem Lugenödem und Hypertonie. Er blutete aus Mund und Nase, schaffte es kaum noch, sich aus eigener Kraft vorwärts zu bewegen. Dass er stirbt, wenn ihm keiner hilft, war für die meisten anwesenden Expeditionsteilnehmer kein Grund, Energie für seine Rettung zu verschwenden. Selbst die japanische Gruppe, die den Pakistani als Träger angeheuert hatte, unternahm nichts.

Gasherbrum-Basislager

Das Gasherbrum-Basislager (www.gasherbrum2011.it)

«Sadik ist gut vierzig Jahre alt, verheiratet und Vater von fünf Kindern. Die Familie lebt im pakistanischen Dorf Machulu im Hushe-Tal. Bis vor einem Jahr arbeitete er als Chauffeur, nun liess er sich auf den lukrativeren Job ein, den Alpinisten die Ausrüstung ins Höhenlager zu schleppen. Sein erster Auftrag endete jetzt fast in einer Tragödie», berichtet der italienische Bergsteiger Giuseppe Pompili, der dabei war, auf seiner Website. «Als Träger verdient Sadik zwar mehr, aber er riskiert dafür sein Leben. Nebst den Gefahren am Berg kommt noch das Risiko hinzu, einen rücksichtslosen Auftraggeber zu bekommen, der dich wie ein Maultier behandelt, deinen Lohn drücken will und dich beschimpft. Ein Auftraggeber kann dir sogar verbieten, einem Träger-Kollegen zu helfen, der sich in Lebensgefahr befindet. Sie glauben, ich übertreibe? Nicht im Geringsten. So ist es hier geschehen. Gestern.»

Hilfe abgelehnt und sogar verboten

Die gute Nachricht vorweg: Zum Glück sind nicht alle Bergsteiger gleich. Sadik konnte in einer kräftezehrenden Aktion über Gletscher mit vielen tiefen Spalten und exponierten, schmalen Passagen gerettet werden. Als erstes halfen ihm drei Träger und ein Sherpa des Schweizer Teams von Kobler & Partner. Die Koordination der Rettung übernahm spontan der Österreicher Erfolgsbergsteiger Gerfried Göschl, der sich unten im Basislager befand. Er konnte mehrere Alpinisten – die meisten aus seinem eigenen Team plus die Italiener um Giuseppe Pompili – dazu bewegen, Sadik mit Notfallsauerstoff, Medikamenten und einem Rettungsschlitten entgegenzusteigen. Von der pakistanischen Armee kamen später zwei Ärzte. «Alle anderen Gruppen hier im Basislager und am Berg, darunter viele bekannte Höhenbergsteiger, lehnten jegliche Hilfe ab oder beliessen es bei Lippenbekenntnissen. Pakistanischen Trägern wurde es sogar verboten zu helfen, um fit für das eigene Team zu bleiben», berichtet Göschl.

Gasherbrum Rettung

Überlebt: Sadik erhält von italienischen und pakistanischen Ärzten erste medizinische Hilfe. (www.gasherbrum2011.it)

«Wir konnten weiteren, dringend benötigten Notfallsauerstoff organisieren und mit dem pakistanischen Koch der Japaner hoch schicken. Dies wollte eine Teilnehmerin der japanischen Gruppe erst noch verhindern.» Und Göschl zum Schluss: «Mit grossem Stolz bedanke ich mich ganz herzlich bei allen Beteiligten dieser Rettungsaktion. Diesen Menschen liegt ein Leben viel mehr am Herzen als jegliches egoistisches Verhalten. Sie schauen nicht weg wie so viele andere. Möglicherweise werden es im Nachhinein viele bestreiten, aber alle hier haben von dem Notfall gewusst.»

Gerfried Göschl erreichte übrigens wenige Tage danach, am vergangenen 13. Juli, den Gipfel des Gasherbrum I.

Solche Ego-Geschichten ereignen jedoch auch anders rum. Zum Beispiel letzten Mai am Kangchendzönga (8586 Meter): Eine amerikanische Bergsteigerin, die nach dem Gipfel beim Absteigen an einem Öden erkrankte, wurde von ihren Sherpa-Bergführern einfach zurückgelassen. Sie lag auf über 7000 M.ü.M. bewusstlos mit dem Gesicht im Schnee. Zwei Expeditionskollegen fanden sie zufällig. Die einzige Notsauerstoffflasche, die im Hochlager aufzutreiben war, rückten die Sherpas trotz des sehr kritischen Zustands der Frau nur gegen sofortige Bezahlung von 400 US-Dollar heraus (Normalpreis 280 US-Dollar).

Was finden Sie, wie viel Egoismus am Berg ist gesund?

Erstpublikation am 20. Juli 2011.

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22 Kommentare zu «Best of Outdoorblog: Je dünner die Luft, desto extremer der Egoismus»

  • Steve sagt:

    Völlig krank so ein Verhalten. Den Leuten sollte man verbieten, nach verweigerter Hilfe, auf den Berg zu steigen.

  • Ich denke nicht, dass ein Verbot wirklich sinnvoll wäre. Solange sich die Touren im „sauberen“ Bereich abspielen seh ich keine Probleme. Das Verhalten der Leute die die Touren machen, daran sollte man was ändern, aber wie???
    Egoismus ist nicht nur bei Sport und Wettbewerb ein Problem. Das Ganze Leben ist eine Straße, befleckt von Egoismus. Ändern wird man daran leider nie etwas, solange man versucht andere zu verändern. Alle Menschen sollten SICH SELBER fragen: „Wie würde ich in dieser Situation reagieren…?“

    Zum Glück gibt es anscheinend immer wieder Leute, die genau das machen und daraus eine Lehre ziehen. Behandel andere Menschen nur so, wie du selber behandelt werden willst,

    liebe Grüße

  • Fridolin sagt:

    Man sollte diesen Extremtourismus verbieten und die Berge in Ruhe lassen. Wenn man einfach so eine Everestbesteigung auf den Geburtstag geschenkt kriegt, läuft in der Welt einiges schief.

  • ralf sagt:

    wie kann man stolz auf sich sein wenn man um jeden preis einen gipfel erreicht, aber dafür menschen sterben müssen die ebensogut überleben könnten wenn man einfach nur helfen würde. kann man da wirklich stolz auf seine „leistungen“ sein?

    ist eine gipfelbestürmung wirklich mehr wert als ein leben? wie egoistisch und kabutt kann man überhaupt sein, dass man in so einer situation einfach weiterlaufen kann und einfach so die augen schliessen kann?

    what goes around comes around…..

  • Berg-mann sagt:

    Hallo zusammen,
    es ist tragisch zu lesen dass genau da (in den Bergen) einer den anderen zurueck laesst, oder zumindestens wird es so geschrieben. Ich lebe in den Anden und besteige regelmaessig 6000er und 5000er (hoehere gibt es hier nicht, ueber 7000 meine ich) und habe auch schon so einige haarstraeubende Dinge gesehen welche jedoch hier kaum aufsehen erregen.

    Es ist hier wie ueberall das selbe, wer das ambiente nicht kennt sollte sich zuerst informieren bevor er oder sie berichte verfasst und blogt. Wer aus der schweiz kommt und einen 6000, 7000 oder was auch immer besteigen will wird es nicht mit 1’000’000.- CHf schaffen, es braucht vor allem Zeit, und erfahrung und das ist es was niemand kaufen kann um es in wenigen Tagen zu schafen.

    Man sollte nicht vergessen dass Tensing Norgai in den 50er Jahren der erste Sherpa war der den Everest bestiegen hat zusammen mit so einem Neu Seelaender. Ich bin mir sicher dass seit dem schon so mancher Traeger zurueck gelassen worden ist damit der Geldgierige Auslaender einen Gipfel erreichen konnte.

    Hoffentlich werden sie nie in der situation sein muessen eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen.
    (mit Altruismus hat das naemlich nichts zu tun.)

    • Jürg sagt:

      Wahnsinnig inkonsistent, dieser Beitrag. Ist es eine schwerwiegende Entscheidung, einen Gipfel zu erreichen oder einen Menschen sterben zu lassen? Wirklich? Es wäre bestimmt schwerwiegend, das eigene Leben zu riskieren, um einen anderen zu retten. Aber darum geht es hier gar nicht. Es heisst bloss, Gipfel oder Mensch. Ich war noch nie in dieser Höhe, aber auch schon in Extremsituationen und ich kann ehrlich sagen, dass ich nie einen Begleiter hätte sterben lassen, nur um ein Ziel zu erreichen.

  • Jutta sagt:

    Ich bin eigentlich kein Bergsteiger und die einzige Höhenerfahrung, die ich habe, ist der Kilimandjaro, den man ja bekanntlich als Raucher über 40 mit ein bisschen Übergewicht am besten bezwingt…. ich kann mich aber erinnern, dass man in der Höhe (Kilimanjaro ist 5895m) nur noch sehr simple Gedanken hat. Schön hier…Foto…Durst….Wasser…. Wahrscheinlich braucht es zum Altruismus etwas kompliziertere synaptische Verknüpfungen, die in extremen Höhen sehr schwer zu bewerkstelligen sind. Viele Fehlentscheidungen sind vielleicht auf die Nicht-Funktion des Über-Ichs zurückzuführen… fragt mal einen Höhen-Psychologen!

    • Jürg sagt:

      Nein, es gibt genügend Beispiele für Menschen, die auch unter solchen Bedingungen noch altruistisch handeln. Und eigentlich geht es ja nich mal darum. Es ist viel simpler. Die Frage war bloss: Stirbt ein Mensch oder erreichen wir den Gipfel. Wer diese Frage für den Gipfel beantwortet hat seine Menschlichkeit in der Höhe verloren. Traurig.

  • braxx sagt:

    Das Ego von diesen selbstsüchtigen Kleingeistern wird durch die Berichte über ihre „Heldentaten“ nur noch gestärkt (ich meine nicht diesen Artikel). Von mir aus können sie alle verrecken. Schade um die Büezer, menschlich betrachtet, aber eben, das ist das erhöhte Risiko, welche sie bewusst eingehen. Meistens sind sie eher noch genetisch auf die Höhen angepasst, so sind die wohlstandsverwöhnten HerrInnen mehr in Gefahr. Ist ja grundlegend alles kein Wunder, wenn der Körper in einer Gesellschaft wichtiger wird als der Geist.

  • Mele sagt:

    Vielleicht sollte man ohne “Wenn und Aber“ die Namen der Egoisten nennen, die nicht helfen wollten, oder auch in Zukunft nicht helfen. Womöglich haben die Leute noch vor deren Leistung Respekt, die “über Leichen“ erbracht wurde.

    • Berg-mann sagt:

      Wie gesagt, wer das Ambiente nicht kennt sollte nicht blogen viel besser fragen stellen um zu verstehen. Versteht micht nicht falsch, gehe nicht ueber leichen jedoch als HELD sterben auch nicht.

      In diesen hoehen ab 6000 m.u.m. muss genau analysiert werden welche Hilfe wann angemessen ist. Um das zu koennen muss eben erfahrung da sein und dann entscheidet man(n) oder frau wass getan wird.

      Ich war kuerzlich auf einem 5’200 m.u.m. wo das zurueck in die Zivilisation ca. 14 std. gedauert hat, wenn da sich jemand verletzt muss vorgaengig ganz genau abgeklaert werden was zu einer Rettung benoetigt wird.

      Viele Europaer (Schweizer und andere) kommen hier her und meinen mit 500 Dolar koennten sie so was machen.
      Ich bin mir 99% sicher dass ein Berfuehrer bei oben genantem Beispiel den Reichen Schnoesel in einem sicheren Camp , medizinisch versorgt zurueck laesst um hilfe zu holen, zumindest wuerde ich das machen. Wie auch anders, 120Kg auf meinem Ruecken zurueck schleppen, das macht niemand.

      wer sich auf andere verlaesst ist schon verlassen! (bereitet euch selber maximal vor)

      • Bergsteiger sagt:

        Lieber Berg-mann

        Sie sind wohl der einzige, der jemals in extremen Situationen waren. Nein nein und nochmals nein es gibt für diese egoistischen Bergsteiger, die ja selbst erst auf den Gipfel wollten KEINE Entschuldigung.

        • Berg-mann sagt:

          nun gut, habe ja keine anderen komentare erwartet von zu diesem thema.
          Habe gesagt dass ich nicht über leichen gehe jedoch muss jede Situation genau analysiert werden und manchmal jemand in einem Save-Camp zurück gelassen werden muss um Hilfe zu holen.

  • Mark sagt:

    So lange Tag für Tag ungezählte Menschen mangels Nahrung oder einfachster medizinischer Versorgung sterben, fällt es mir schwer mich über solche Berichte zu ereifern. Schliesslich begeben sich sich Extrembergsteiger und ihre Helfer ja wissentlich in Lebensgefahr.

    • Brunsli sagt:

      Sie denken also die Sherpas laufen zum eigenen Vergnügen mit auf die Berge und sind deshalb auch selber Schuld, wenn sie gesundheitliche Probleme haben?

      Vermutlich lebt es sich sehr gut, wenn man die Augen vor der Not von anderen Menschen dermassen verschliessen kann und dabei in der geheizten Stube voller Weihnachtsguetzli sitzen kann.

      • Berg-mann sagt:

        Die Sherpas laufen tatsaechlich da hoch um Arbeit zu haben und wer schon einmal auf hoehen ab 6000 m.u.m. und mehr war weiss dass man es nur schafft wenn das pers. Vergnuegen die hauptsache ist.

        Also, JA sie laufen da hoch aus eigenem Vergnuegen und jeder Weiss dass niemand anderes Schuld ist als jeder Selber wenn man erkrankt oder am trande des todes steht.

        Das hat dann nichts zu tun mit Augen verschliessen und so….

        • Brunsli sagt:

          Natürlich haben Sie recht. Auch die Arbeiter in Schwefelminen würden es vermutlich nicht schaffen ohne das persönliche Vergnügen zu wissen, dass damit die Familie ernährt werden kann. Sorry Berg-mann, aber da scheinen Sie echt schon mal unter zu viel Sauerstoffmangel gelitten zu haben.

          • Berg-mann sagt:

            da hat einmal mehr das eine nichts mit dem anderen zu tun. Ich habe mehrere male in der Hoch-Bergwelt (über 6’000 m.ü.m. mitgeholfen und hatte es immer als „Vergnügen“ erachtet zu helfen ansonsten würde man es weder schaffen zuhelfen noch die höhe erreichen.

            Es ist einfach zu kritisieren von der warmen Wohnstube aus und ja wer da oben war weiss das man unter sauerstoff mangel leidet und manchmal aus der Nase blutet hat noch nicht viel mitdem Tod zu tun.

    • Markus Steffen sagt:

      Genau! Jeder der sich in die Todeszone (über 7500m) begibt muss damit rechner das er Stirbt. Eine 8000er Besteigung ist eh nichts mehr „wert“, für 50 000.- oder so wird ma da ja fast hochgetragen! Mit Sherpas, Sauerstoffflaschen, … kann ich auch einen 8000er besteigen ( naja, möglicherweise auch nicht :D ).

    • Ernst Stampf sagt:

      Dumm und dümmer. Diese Helfer sind auch nur bezahlte Arbeiter! Sie kommen nicht in die Schlagzeilen, sie dürfen nur schleppen. Darum gehören sie genau in dieselbe Kategorie wie diese Menschen, die mangels Nahrung oder einfachster medizinischer Versorgung sterben.

      • Berg-mann sagt:

        Man sollte NIE vergessen dass Schlagzeilen oft 180 Grad verdreht werden damit es eben Schlagzeilen werden.

        Auch schon der Titel ; Je dünner die Luft, desto extremer der Egoismus ist schon seeeeehr Egoistisch von der Redaktion, denn je Duenner die Luft desto weniger funktioniert der Egoismus jedoch umso mehr der unterbewuste Ueberlebenskampf.

    • Berg-mann sagt:

      Hier ist der Nagel auf den Kopf getroffen worden, fuer menschen die auf ca. 600 m.u.m. leben ist schon einen hoehe von 3000 m.u.m. kritisch und sollte gut studiert werden und nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

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