Wanderung ins Paradies


Der perfekte Ferientag in der Nordostschweiz sieht so aus: Per Zug nicht zu spät am Morgen nach Schaffhausen. Daselbst Bummel durch die stimmungsvolle Altstadt und danach Besichtigung der Festung Munot oder auch des Rheinfalls gleich vor der Stadt. Uff, an dieser Stelle fällt mir auf, dass ich klinge wie ein Touristiker!

Ich bin halt einfach begeistert von meiner Ausflugsidee, die auch höchst familientauglich ist. Teil zwei des Dreiteilers beginnt um 13.18 Uhr: Schifffahrt ab Schaffhausen Richtung Osten. Auf dem Rhein erreichen wir in exakt einer Stunde Diessenhofen. Wir entspannen uns, geniessen die Reise durch diese grosse Kulturlandschaft Europas, linsen hinüber nach Deutschland.

Mission Impossible in Dissenhofen

Im thurgauischen Diessenhofen steigen wir aus, und der Plan ist nun, dem Fluss entlang wieder Richtung Schaffhausen zu laufen. Zwei Stunden dauert die Wanderung zum Paradies und dann zur Station Langwiesen. Doch bevor wir starten, müssen wir Diessenhofen besichtigen. Das Städtchen ist in der Anlage der Gassen und Gebäude durch und durch mittelalterlich. Imposant der Siegelturm, das Lager für Urkunden und Dokumente.

Etwas anderes, was mich an Diessenhofen fasziniert, ist neuzeitlichen Ursprunges: Swift, eine internationale Genossenschaft verschiedener Banken, baut am Ortsrand in aller Diskretion eine innereuropäische Datenzentrale. Ein Rechenzentrum für finanzielle Transaktionen, das sich dem Zugriff der amerikanischen Geheimdienste entziehen will – und natürlich steuert meine wildernde Phantasie an dieser Stelle eine Mission-Impossible-Szene bei: Tom Cruise bricht im Solde eines obskuren US-Nachrichtendienstes nachts in die Hochsicherheitsanlage ein, indem er sich kopfvoran abseilt, elegant diverse Alarmsysteme ausschaltet und den Laserschranken ausweicht.

Das Paradies in Langwiesen

Zurück in die Realität. Unten am Rhein wandern wir bei der Schifflände los. Haben wir das Haus der Pontoniere passiert, gibt es für zwei Stunden praktisch keinen Hartbelag mehr, stattdessen aber gewalzten Waldboden, Kies und Schotter, Wiesengrund, Wurzelterrain, Sand, Morast und Holzstege. Immer wieder macht sich zwischendurch die Geschichte bemerkbar. Nach 15 Minuten ist da das alte Dominikanerinnenkloster St. Katharinental, heute Reha- und Altenpflege-Einrichtung. Später gelangen wir ins Auengebiet Schaaren, wo 1799 in den Koalitionskriegen der Habsburger Erzherzog Karl, Napoleons monarchischer Widersacher, den Rhein querte. Sein direkter Kontrahent war Napoleons General Masséna, von dessen Biografie mir ein Detail stärker im Kopf haftet als alle heroischen Schlachten: 1808 bei der Jagd verfehlt Napoleon sein Ziel. Die Kugel prallt ab. Das kostet Masséna ein Auge.

Nach etwas mehr als anderthalb Stunden sind wir beim Paradies – danach dauert es nur noch eine Viertelstunde bis zum Bahnhof von Langwiesen ZH. Gut so, denn mit vollem Bauch wandert man nicht gern weit. Das Paradies, wieder ein ehemaliges Kloster, gehört heute dem Industriekonzern Georg Fischer AG, der auf dem Areal ein Ausbildungszentrum sowie die sogenannte Eisenbibliothek mit 40 000 Titeln zum Werkstoff Eisen unterhält. Vor allem aber gibt es hier ein Restaurant direkt am Rhein. Dies ist der geeignete Ort, um den Tag bei Weisswein und Egli-Filets ausklingen zu lassen.

Route: Diessenhofen Bahnhof – Diessenhofen – Diessenhofen Schifflände – St. Katharinental – Schaaren – Paradies – Langwiesen.

Gehzeit: 2 Stunden. Für das hübsche Diessenhofen sollte man eine Zusatzstunde einkalkulieren.

Einkehr unterwegs: Paradies (Gemeinde Schlatt), Fisch- und Ausflugsbeiz am Rhein. www.paradiesli.ch. Täglich geöffnet.

Charakter: Zuerst ein historisches Städtchen, dann eine Flusswanderung. Leicht. Kurz. Erholsam. Hartbelag praktisch nur am Anfang (vom Bahnhof zum Rhein) und am Schluss (Paradies – Langwiesen).

Höhepunkte: Das alte Diessenhofen. Der grosse Rhein. Die Einkehr mit Fischgericht im Paradies.

Thomas Widmers Wanderbücher gibt es im Echtzeit-Verlag: www.echtzeit.ch.

Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com

Beliebte Blogbeiträge

5 Kommentare zu «Wanderung ins Paradies»

  • Martina L. sagt:

    Wir haben diese tolle Wanderung dieses Frühjahr mit Hund gemacht. Super schöne Wanderung, danke für den Tipp!

  • Thomas M. sagt:

    Eine schöne Variante, die wir gestern gemacht haben (allerdings in umgekehrter Richtung): Im Paradiesli geht man vom Rhein weg und dem Wanderweg nach in Richtung Cholfirst und dort nach Feuerthalen/Schaffhausen. Der Cholfirst ist der bewaldete Hügelzug mit Antenne im Hintergrund. Es sind dann zwar noch ein paar Höhenmeter zu überwinden am man wird belohnt mit ein paar schönen Waldwegen.

  • Otto Liebschitz sagt:

    Der Biergarten ist top. Man kommt übrigens auch mit dem Auto hin.

  • Wüest Bruno sagt:

    Dank einem im Bus liegengebliebenen „Kultur & Gesellschaft“-Teil des Tagesanzeigers änderte ich kurzentschlossn meine am Freitag geplante Wanderung ab der Tössegg und entschied mich für die Wanderung ins Paradies. Es war wirklich ein paradiesischer Tipp. Danke

  • Pierre Geier sagt:

    Na Klasse. Pommes und Schnitzel aus der Friteuse wie überall. Das gibts schon an jeder Imbissbude.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.