Roger Köppel war als 35-jähriger Chefredaktor des «Magazins» bekannt für seine überraschenden Analysen. Kurz nach der Jahrtausendwende frappierte er die Leserschaft mit einem erstaunlichen Befund: Was Legionen von SVP-Gegnern, Bundesräten und besorgten Chefredaktoren und anderen Meinungsmachern während der letzten acht Jahre vergeblich versucht hätten, sei nun Tatsache: Die Schweizerische Volkspartei sei drauf und dran, sich als historische Episode in die politische Zeitgeschichte zu verabschieden: «Sie wird uns als dominierende Kraft der Schweizer Politik in Zukunft nicht mehr beschäftigen müssen.»
Köppel belegte in dieser Oktober-Ausgabe (Nr. 41/2000) der Wochenendbeilage des «Tages-Anzeigers» seinen Befund mit vier Tatsachen: Die SVP hätte sich mit ihrem Ja zu einzelnen Initiativen in die Randzonen der politischen Esoterik entfernt. Der schleichende Abgang des «grossen Vorsitzenden» Christoph Blocher hätte den Weg frei gemacht für VPM-Gestalten wie den Zürcher Konservativen Ulrich Schlüer, der die Ideale einer Schweiz vor 50 Jahren eruiere, und keiner (ausser Filippo Leutenegger) höre hin. Die Partei hätte durch ihre Zugewinne bei den letzten Parlamentswahlen 1999 (Wähleranteil 22,5 Prozent) ihre kritische Grösse erreicht und sich einen Klumpfuss an nationalkonservativen, defensiven Elementen eingetreten. Und die Verschiebung des politischen und wirtschaftlichen Klimas in der Schweiz («in ihrem Ausmass noch nicht wirklich begriffen») hätte sich eindeutig zuungunsten der SVP verschoben: «Die Wirtschaftskrise wurde überwunden. Die Schweiz normalisierte ihr Verhältnis zur EU mit den bilateralen Abkommen.»
Knapp fünfzehn Jahre später scheint der heutige Unternehmer und Chefredaktor das nicht mehr so eng zu sehen. Ulrich Schlüer wurde 2011 abgewählt, den Nationalkonservatismus sieht Köppel inzwischen als fortschrittlich («Weltwoche»). Er trat diese Woche in die SVP Küsnacht ein, im Herbst wird er auf der Parteiliste für den Nationalrat kandidieren, um den Nationalkonservatismus in die politische Zukunft zu führen. Einen Monat vor den Wahlen gedenkt die Schweiz des 500. Jahrestags der Schlacht von Marignano.
Schlagworte: Nationalrat, Roger Köppel, SVP, Weltwoche
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