Schreibverbot für zwei langjährige NZZ-Journalisten?

Christian Lüscher am Donnerstag den 20. August 2015

Soll Schreibverbot haben: Der langjährige NZZ-Journalist Jürg Dedial. Foto: Manuela Matt, ZSP

Jürg Dedial, Oswald Iten und ehemalige NZZ-Kollegen trafen sich im April in einer Beiz. Sie gründeten eine Gruppe, die sich inoffiziell als «die wahren Freunde der NZZ» bezeichnete. Eine Anspielung auf die Aktionärsgruppe «Freunde der NZZ». Die Generalversammlung stand an und man wollte Zeichen setzen. In einer Flugblattaktion vor dem Kongresshaus forderten Jürg Dedial und seine Leute den Rücktritt von Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod.

In ihren Augen verdienten der Verwaltungsrat und die Unternehmensleitung nach dem historischen Somm-Manöver das Vertrauen der Aktionäre nicht mehr. «Diese Organe haben die NZZ in eine Krise geführt, der Lächerlichkeit preisgegeben und unverantwortbaren Risiken ausgesetzt», schrieben sie. Sie wollten den Führungsgremien die Entlastung verweigern, die Wiederwahl des Präsidenten verhindern, eine ausserordentliche Versammlung fordern und einen neuen Verwaltungsrat beauftragen, CEO Veit Dengler abzusetzen.

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NZZ-Journalist Oswald Iten ist mehrfach preisgekrönt. Foto: Peter Fromenwyler, Keystone/Zuger Presse

Das Flugblatt hatte für Dedial Konsequenzen. Der im März ernannte Chefredaktor Eric Gujer richtete dem Journalisten aus, dass er ihn aus der Autorenliste im Impressum entfernen liess. Als Begründung gab Gujer eine «Verletzung der Loyalitätspflicht gegenüber der NZZ» an. Gemeint war seine Rolle bei der besagten Flugblattaktion.

Und nun soll Gujer auch ein generelles Schreibverbot gegen Dedial und Kollege Iten erlassen haben.

Das schreibt Jürg Dedial in einem Mail an Branchenkollegen:
«Der Entschluss des Chefredaktors zu einem Schreibverbot aus nichtjournalistischen Gründen ist gleichwohl ein vermutlich präzedenzloser Vorfall in der jüngeren Geschichte der NZZ. Er irritiert umso mehr, als ich es war, der Eric Gujer im September 1987 (und nicht 1986) als Mentor in die Geheimnisse der NZZ einführte und für ihn auch während seiner Berliner Korrespondentenjahre in der Redaktion verantwortlich war. Seit dieser Zeit hat sich bei der NZZ einiges verändert. Eine Diskussion über den Inhalt des Flugblattes und die Frage, warum die Autoren damit illoyal gegenüber der NZZ gewesen sein sollen, hat leider nie stattgefunden.»

Die Pressestelle der NZZ bestätigt Guyers Schreibverbot nicht: «Eric Gujer erlässt keine Schreibverbote. Neben unseren festen Redaktorinnen und Redaktoren gibt es einen wechselnden Kreis freier Autorinnen und Autoren, die für die «Neue Zürcher Zeitung» schreiben. Diesen Kreis überprüfen wir selbstverständlich laufend, um unsere hohen Qualitätsstandards sicherzustellen.»

Der Qualitätshinweis erstaunt in diesem Zusammenhang: Autor Iten ist mehrfach preisgekrönt und weit über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Und Dedial machte sich als Auslandredaktor und Hüter der gepflegten Sprache einen Namen.

7 Kommentare zu “Schreibverbot für zwei langjährige NZZ-Journalisten?”

  1. […] machten Sie jüngst im Umgang mit zwei langjährigen, inzwischen pensionierten Kollegen, denen Sie ein Schreibverbot erteilt haben. Dies als Reaktion auf ein kritisches Flugblatt der beiden Autoren gegen den Kurs der […]

  2. Osservatore sagt:

    Sehr bedenklich, was sich zur Zeit bei der NZZ abspielt!

  3. Das ist ja schlimmer als bei Putin! :p

  4. Thierry sagt:

    Da ich leider ein Opfer dieser Diktatur wurde, kann und muss ich nicht mehr aufs Maul sitzen.
    Der Untergang der NZZ ist nur durch eine sofortig Entlassung, des VR und des CEO noch zu verhindern.
    Abschreiber, der Schliessung der NZZ-Print in Schlieren, werden immer grösser und grösser.
    Es bezahlen am Schluss nur die Entlassenen Mitarbeiter die Rechnung und Die Herren V.D und E.J bekommen noch ne Fette Abzahlung.

    Danke FDP
    Danke VR und GL der Neuen Zürcher Zeitung.

    Ps: Diktatur ist die besste Beschreibung der Führung der NZZ.

  5. Bruno Froehlich sagt:

    Die “alte” Tante hatte schon bessere Zeiten. Sehr bedauerlich diese Entwicklung, hat die Peinlichkit im Vorfeld der Ernennung eines neuen Chfredaktor nicht gereicht, wie viele andere duerfen wir von der einst Fahnentraegerin von Demokratie und liberaler Geisteshaltung noch erwarten ?

  6. Stefan Schmidhauser sagt:

    Beim einst liberalen Meinungsblatt herrscht offenbar selbstherrliche Diktatur. Schade!