Der Draghi-Plan ist kein Durchbruch

Mario Draghi an einer Pressekonferenz der EZB in Frankfurt am 6. September 2012. (Foto: Keystone)

Jubel ist verfrüht: Mario Draghi an einer Pressekonferenz der EZB in Frankfurt, 6. September 2012. (Foto: Keystone)

Gemäss den Reaktionen auf den Märkten und in einer Reihe von Publikationen hätte man glauben können, die neu von Mario Draghi beschlossenen Massnahmen (hier und hier) seien der Anfang vom Ende der Eurokrise. Diese Sichtweise ist falsch.

Hier die Gründe:

  • Zuerst, warum der neue Plan der Europäischen Zentralbank EZB in die richtige Richtung weist: Die Notenbank ist grundsätzlich bereit (verpflichtet sich aber nicht dazu), unbeschränkt kurzfristige Staatsanleihen (mit einer Laufzeit bis zu drei Jahren) von gefährdeten Staaten zu kaufen, wenn diese Staaten die Hilfe des Euro-Rettungsfonds (EFSF bzw. ESM) in Anspruch nehmen und sich den strengen Auflagen dafür stellen und die auch erfüllen. (Eine Darstellung der jüngsten EZB-Entscheide haben meine FuW-Kollegen hier in Form der wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen). Das positive ist, dass die EZB die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung durch explodierende Renditen von Staatsanleihen gefährdeter Länder (was sich letztlich in deren Zinskosten niederschlägt) anerkennt und hier eine Aufgabe für sich selbst sieht. Exlodierende Zinskosten senken die Chancen eines solchen Landes weiter, einen Staatsbankrott zu vermeiden. Weitere Sparrunden werden nötig, was ein Land noch tiefer in die Krise drückt. Beides wiederum führt zu noch höheren Zinsen. (In einer Währungsunion und bei fixierten Währungskursen ist dieser Kreislauf besonders ausgeprägt, mehr dazu hier).
  • Doch genau genommen hat Mario Draghi nichts mitgeteilt, als was er und andere Notenbanker schon in den Grundzügen angekündigt haben. Was neu ist, entspricht im Vergleich zu den bisherigen Erwartungen sogar einem Rückzieher: Anders als anfänglich erwartet, legt sich die EZB nicht öffentlich auf eine Obergrenze (Cap) bei den Renditen von Staatsanleihen gefährdeter Staaten, bzw. auf den Unterschied (Spread) ihrer Rendite zu jenen Deutschlands fest. Das hat Bedeutung: Denn wenn alle wissen, dass die Zentralbank eine solche Grenze mit allen Mitteln verteidigen würde, dann braucht sie dafür weniger Mittel, da es sich angesichts der unbeschränkten finanziellen Feuerkraft gar nicht lohnt, gegen die EZB zu spekulieren. Die von der Schweizerischen Nationalbank gesetzte Kursuntergrenze bietet hier Anschauungsunterricht. Ein unklares Ziel ist schwieriger und teurer zu verteidigen.
  • Der Hauptgrund, weshalb die EZB-Übung nicht weit reicht, ist der politische Hintergrund. Jens Weidmann von der deutschen Bundesbank hat nicht zum ersten Mal deutlich gemacht, dass er von den Plänen wenig hält. Erneut hat er auch dagegen gestimmt. Bedeutsamer ist, dass er dafür in seinem Heimatland fast schon als Volksheld gefeiert wird. Ein Kommentar in der «Süddeutschen» ist dafür beispielhaft. Kommentator Marc Beise wirft der EZB vor, sich «zur heimlichen Herrscherin Europas» aufzuschwingen und das Missmanagement schwacher Staaten zu belohnen. Wörtlich schreibt er:

«Der Euro ist unumkehrbar», sagt EZB-Präsident Mario Draghi. Eine solche Aussage steht dem obersten Notenbanker nicht zu. Eine solche Aussage können nur Regierungsvertreter treffen, die sich vor ihrem Volk verantworten müssen.

  • Die Stabilität und der integrale Erhalt der Eurozone hat angesichts ihrer vielfältigen institutionellen Mängel einen Preis. Wenn die Bevölkerungen Europas den Euro nicht zu tragen bereit sind, ist die Eurozone in ihrer jetztigen Form verloren. Das weiss auch Mario Draghi. Liest man seine Veröffentlichungen der letzten Monate durch, wird deutlich, dass alle Massnahmen nur einen Sinn mit Blick auf sein Langfristziel (zehn Jahre) ergeben: Eine sehr viel stärkere Integration der Eurozone, bzw. der Europäischen Union. In diesem kurzen Paper – gemeinsam verfasst mit EU-Kommissionspräsident Barroso,  EU-Ratspräsidenten Van Rompuy  und Eurogruppenchef Juncker – wird die Einführung einer faktischen Fiskalunion, einer Bankenunion und einer weit fortgeschrittenen politischen Union mit ausgebauten demokratischen Kontrollmöglichkeiten angeregt.
  • Die radikale Ablehnung der Pläne von Mario Draghi in Deutschland geben wenig Hoffnung, dass die Bevölkerung der grössten Volkswirtschaft – die daher auch den grössten absoluten Teil der Kosten für den Bestand der Eurozone aufwenden müsste – bereit ist, die weiteren Integrationsschritte tatsächlich mitzutragen. Wobei in Deutschland auch vergessen geht, wie stark das Land tatsächlich von der Währungsunion profitiert und mit welchen Problemen und Kosten es konfrontiert wäre, wenn die Eurozone tatsächlich auseinanderbrechen würde. Mehr dazu hier und hier.
  • Wenn sie tatsächlich umgesetzt werden, können die neuen Massnahmen der EZB (unbeschränkte Anleihenkäufe) zwar – wie oben beschrieben – den Kreislauf nach unten aufhalten und damit Zeit gewinnen, mehr aber nicht. Das Grundproblem bleiben die dramatischen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit, die durch die Währungsunion noch akzentuiert wurden und werden. In den ersten Jahren waren die Zinsen für Deutschland zu hoch und für die heutige Krisen- und damaligen Boomländer zu tief, jetzt ist es umgekehrt. Das übliche, rasch wirkende Heilmittel für Länder mit einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit – Währungsabwertungen – bleiben ebenfalls ausgeschlossen. So ist der Euro für Deutschland zu billig und für die Länder in der Krise zu teuer.
  • Dass die EZB ihre Unterstützung (Anleihenkäufe) an den Antrag eines Landes an den Eurorettungsfonds (EFSF oder ESM) knüpft, ist auf dem Hintergrund der Erfahrungen und der deutschen Skepsis verständlich. Die Unterstützung des Rettungsfonds erfolgt nur, wenn ein Land sich einem beaufsichtigen strengen Sparprogramm unterwirft. So will die Zentralbank verhindern, dass tieferen Zinsen als Folge ihrer Massnahmen den Reformeifer erlahmen lassen und dass sie am Ende auf gekauften Anleihen hohe Verluste erleidet. Doch die Sparprogramme kommen für die Länder, die sie beanspruchen müssen, einer enormen Schmach gleich. So versucht Spanien alles, um einen solchen Antrag zu umgehen. Die gesunkenen Renditen spanischer Anleihen dürften den Druck für einen Antrag weiter dämpfen, was an sich ein Paradox darstellt: Denn sie sind nur gesunken, weil die EZB ihre potenzielle Unterstützung für den Fall eines Antrags angekündigt hat. Hier die Entwicklung der Renditen zweijähriger spanischen Staatsanleihen (Quelle: Reuters) und gleich Anschliessend ein Bloomberg-Interview mit dem Ökonomen Nouriel Roubini, der dasselbe Thema angeht:

     

  • Politiker mögen es generell nicht, wenn sie harte Sparmassnahmen durchführen müssen, die sie bei ihrer Klientel unbeliebt machen. Doch das ist nicht der einzige Grund für die Abwehr gegen einen Antrag für Unterstützung unter harten Bedingungen. Die alleinige Ausrichtung auf Austerität hat in den bisher betroffenen Ländern wenig Früchte in Form eines wieder ansteigenden Wachstums gezeigt. Reduzieren der verschuldete Privatsektor und der Staat gleichzeitig ihre Ausgaben und bietet der Export kein Ventil, dann bricht die Wirtschaft weiter ein. Die Idee der Europäischen Vereinigung wird dadurch nicht eben beliebter.
  • Die gefährdeten Länder Europas, allen voran Spanien, brauchen neben einem Plan zur Reduzierung der Schulden und wirtschaftlichen Reformen auch konjunkturpolitische Massnahmen, um aus der tiefen Rezession mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent zu kommen. Die neuen Pläne der EZB helfen hier nicht. Eine höhere Inflation im gesamten Euroraum will die Notenbank weiter bekämpfen. Die Zunahme der Geldmenge durch allfällige Käufe von Staatsanleihen will sie durch eine Reduktion an anderen Orten (ein Beispiel wäre die Emmission eigener Anleihen, wie es die Nationalbank mit SNB-Bills tut) vollständig «sterilisieren». Der Vorwurf, die EZB riskiere eine riesige Inflation ist daher fehlgeleitet. Die Geldpolitik ist und bleibt für Länder wie Spanien tatsächlich viel zu restriktiv.
  • Eine Lockerung – zum Beispiel durch eine zeitlich grosszügigere Auslegung der Sparziele, um die Konjunktur nicht vollends abzuwürgen – können nur die Mitgliedsländer der Eurozone beschliessen und durch Unterstützungsmittel  ermöglichen. Der Widerstand in Deutschland gegen die Massnahmen der EZB macht aber deutlich, dass auch in dieser Hinsicht kaum etwas zu erwarten ist.

Update:

Unerwähnt geblieben ist oben das heute gefällte Urteil des deutschen Verfassungsgerichts zum Rettungsschirm ESM, der den EFSF-Schirm ablösen soll. Das Gericht hat ihn durchgewunken. Ohne einen solchen Entscheid wäre es noch viel schwieriger gewesen, zu einer Lösung zu kommen. Doch zeigt sich in der ganzen Unruhe im Vorfeld der Entscheidung wieder, was oben schon Thema ist: Die EZB-Beschlüsse haben keine Wirkung, wenn der politische Wille und die Bereitschaft vor allem Deutschlands fehlt, die Eurozone in ihrer jetztigen Form zu retten und auch einen Preis dafür zu bezahlen.

23 Kommentare zu «Der Draghi-Plan ist kein Durchbruch»

  • Linus Huber sagt:

    A member of Congress who has been pushing for more transparency, including an audit, of the Federal Reserve for years says the announcement today the quasi-governmental agency is going to print more money to try to help the U.S. economy isn’t surprising.

    Nor is it smart, said U.S. Rep. Ron Paul.

    “No one is surprised by the Fed’s action today to inject even more money into the economy through additional asset purchases. The Fed’s only solution for every problem is to print more money and provide more liquidity,” Paul said.

    “Mr. Bernanke and Fed governors appear not to understand that our current economic malaise resulted directly because of the excessive credit the Fed already pumped into the system.”

    Ron Paul scheint der einzige Politiker zu sein, welcher vermag, die gegenwärtige Situation richtig einzuschätzen.

    • Reto Derungs sagt:

      Genau. Diesen Mechanismus kann man auch beobachten bei Drogensüchtigen: Aus Furcht vor dem „Aff“ (im Term der Oekonomie: Liquiditätsklemme) erhält der Patient (der überschuldete Staat) von der linken Sozialmafia (den marionettenhaften Zentralbanken) das Heroin oder das Feigenblatt Methadon (frischgedrucktes Geld oder das Feigenblatt Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt). Der Drögeler siecht hin bis zum frühen Tod (der Staat wird mit neuen Schulden erstickt bis zum Bankrott).

  • ast sagt:

    Aus meiner Sicht wird sich die EU aufspalten. Hier einer der Gründe:

    „Wie am Mittwoch aus Kreisen des Arbeitsministeriums in Athen verlautete, schlage die Troika vor, dass das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre erhöht wird. Zudem solle die Sechs-Tage-Woche wieder eingeführt werden. Die Arbeitnehmer sollen, wenn der Betrieb dies als nötig einstuft, bis zu 13 Stunden am Tag arbeiten. Kündigungsfristen und Abfindungen sollen halbiert, im staatlichen Bereich allein bis zum Jahresende 15 000 Menschen gehen. Athen lehnt bislang alle diese Massnahmen ab.“

    Aus meiner Sicht würde das überhaupt nicht nutzen, selbst wenn das umgesetzt werden könnte. In der Eurozone gibt es ein Verteilungsproblem, das kann man nicht durch solche Lösungen ändern. Würde das in GR eingeführt, dann müsste dies alsbald auch in anderen Ländern wie Italien, Spanien, Portugal etc. umgesetzt werden. Zudem gibt es weder in Griechenland noch Anderswo genügend Arbeit für eine 13 Stunden-Woche -es sei denn man würde Zwangspräsenz einführen -völlig nutzlos. Mir scheint das Vorhaben riecht nach Arbeitslager und Zwangsversklavung einer ganzen Gesellschaft -nur damit die EU erhalten bleibt. In diesem Fall sehe ich Europa ist am scheitern.

    • Martin Holzherr sagt:

      Solche radikale Veränderungen der Lebens- und Arbeitsverhältnise wie sie behaupten, die Troika habe sie vorgeschlagen, sind nicht realisierbar, das dürfte allen klar sein.
      Doch ihre Argumentation für eine 13 Stunden-Tag gebe es nicht genug Arbeit ist falsch: Sie schreiben: “ Zudem gibt es weder in Griechenland noch Anderswo genügend Arbeit für eine 13 Stunden-Woche“. Das ist falsch, denn es kommt nicht darauf an wieviel sie arbeiten, sondern ob die Produkte, die ihre Arbeit erzeugen zuerst einmal nachgefragt werden und zweitens konkurrenzfähig sind. Die Arbeitszeit verlängern macht also nur dann Sinn, wenn der Gesamt-Lohn gleich bleibt oder nur wenig steigt, wenn sie also die Stückkosten reduzieren.
      Wenn auch nur ein Teil ihrer Behauptungen stimmt, was die Vorschläge der Troika betrifft, so gibt es allerdings keine andere Alternative für Griechenland als die Eurozone zu verlassen. Denn solche radikalen Änderungen der Lebens- und Arbeitsverhälntisse sind nur in einer Zwangssituation möglich nicht aber aufgrund eines Aushandlungsprozesses.

      • ast sagt:

        Herr Holzherr, ein Tipp.. Sie können den Text oben in Anführungs -und Schlusszeichen als Suchtext in google eingeben, dann werden Sie sehen -es ist das was die Trojka durchsetzen will.

        Was die Nachfrage nach Produkten anbetrifft, ich hatte nicht an eine gute oder schlechte Firma gedacht, sondern an einen Staat. Nicht einmal in China gibt es soviel Arbeit im Durchschnitt. Kleinstaaten wie die Schweiz sind ein Sonderfall, der im Übrigen auch kaum ewig noch anhält bei der durchschnittlichen Nachfrage über alle Konzerne gemessen. Denken Sie auch an weitere Automatisierung und Rationalisierung -in Zukunft wird -egal für welches exportierbare Produkt- immer weniger Angestellte benötigt.

        • ast sagt:

          Noch hinzugefügt -ich selbst habe andere Vorstellungen als jene welche glauben dass der Wettbewerb der Märkte ein idealer Zustand sei -mit dieser Art von Finanzsystem- . Wenn wir das weiterhin fordern, dann zerstören wir sukzessive die gesamten Ressourcen der Erde. Was sollen die Griechen bitte schön tun -die Touristen rauswerfen und stattdessen Mobiltelefone herstellen und Grossbanken gründen -eine Industrieluft wie in China produzieren am Mittelmeer?

          Warum sollte ein Agrarstaat ärmer leben müssen als ein solcher mit Dienstleistungen -leuchtet mir nicht ein. Diese Art von Marktwettbewerb läuft letztlich auf die Zerstörung der Menschheit hinaus. Es ist ja nicht nur so dass mit diesem System nur schlecht strukturierte Ökonomien ausgelöscht werden, vielmehr wird neben Sozialabbau und Zerrüttung von Familienstrukturen auch noch unsere Substanz die wir zum Leben benötigen zu Billigstpreisen vermarktet und unwiderbringlich den nachfolgenden Generationen entzogen. Wir sind dabei sämtliche Ressorcen innert einer einzigen Generation zu verprassen und der Nachwelt bloss noch Schulden zu hinterlassen.

          • Martin Holzherr sagt:

            @ast: Es ist nicht zwingend, dass Menschen in (Zitat) „… Agrarstaat ärmer leben müssen als ein solcher mit Dienstleistungen“, doch teurere oder gar sehr teure Lebensmittel hätten die Konsequenz, dass das Geld für anderes fehlt, zum Beispiel für ein immer besseres und damit auch teureres Gesundheitswesen. In den USA wird bereits 16% des BIP für das Gesundheitswesen ausgegben in der Schweiz 10%.
            Nicht alle Güter sind gleichwertig. Die einfachen Güter, die zuerst einmal alle Länder produzieren – wie eben Lebensmittel – werden immer billiger. Eben weil sie jeder herstellen kann. Sie müssen aber auch billiger werden, damit man sein Geld für „wertvollere“ Dinge ausgeben kann.
            Tatsache ist: Höherwertige Güter die mehr Aufwand und Qualifikation erfordern sind teurer. Doch warum soll ein immer besser werdendes und immer teureres Gesundheitswesen (beispielsweise) zu Sozialabbau und der Zerrüttung von Familenstrukturen führen? Es ist vielmehr so, dass alle – auch die Griechen – nach diesen höherwertigen Gütern streben. Natürlich hat eine Güterschwemme auch potentiell schädliche Auswirkungen auf die Umwelt. Doch das ist 1) nicht zwingend und 2) das hält die Menschen nicht davon ab danach zu streben.

        • Linus Huber sagt:

          „Denken Sie auch an weitere Automatisierung und Rationalisierung -in Zukunft wird -egal für welches exportierbare Produkt- immer weniger Angestellte benötigt.“

          Guter Punkt. Sie erläutern hier den Umstand der Produktivitätssteigerungen, welche wir erfahren. Die natürliche Konsequenz daraus bestände darin, dass sich Preise aufgrund dieses Umstandes senken würden, was eine leichte Deflation im Konsumerpreisindex produzieren würde. Da jedoch „Deflation“ als negativ eingestuft wird (ohne den Grund dieser Entwicklung zu berücksichtigen) benutzten die Zentralbanken diesen Umstand um die Kreditmenge massiv anwachsen zu lassen (zu tiefe Zinsen), womit das Finanzsystem immer unstabiler wird und sich in regelmäßigen Abständen Blasen bilden, welche beim Platzen enormen Schaden hinterlassen.

          Ein Absinken von Konsumentenpreisen aufgrund von Produktivitätssteigerungen sollten nie ein Grund sein, die Kreditmenge stärker als im Rahmen des Wirtschaftswachstums auszuweiten. Ich erinnere mich an das von Greenspan erwähnte „Conumdrum“ Ende der 90iger Jahre, als trotz gutem Wirtschaftswachstum und trotz verhaeltnismaessig tiefer Zinsen sich nie ein Zeichen von Inflation im Konsumentenpreisindex zeigte. In anderen Worten, der Mann erkannte zwar die Merkwürdigkeit der Situation, aber es war ihm ein Rätsel. Die Idee, dass die verwendeten ökonomischen Theorien und Modelle der gängigen Lehre vielleicht zu hinterfragen wären, kam diesen Scharlatanen weder damals noch heute in den Sinn.

        • Linus Huber sagt:

          Verantwortliche und nachhaltige Geldpolitik fokussiert sich auf die Stabilität des Wertes einer Währung und nicht auf die Inflationsrate im einem Bereiche (Konsumentenprodukte) der Wirtschaft, während die Blasenbildungen in anderen Bereichen ignoriert werden.

    • Karin Gut sagt:

      @ast: Man kann die Krisen nicht auf ein Verteilungsproblem der Eurozone schieben, die Probleme liegen in den Ländern.

      In Griechenland fehlt die notwendige Leistungsbereitschaft in der breiten Bevölkerung, d.h. a) motiviert und engagiert gute Arbeit zu liefern, b) dafür lediglich einen an BIP angepassten Lohn zu erhalten und c) dem Staat über Steuern zu ermöglichen eine gute Infrastruktur zu erstellen.

      In Griechenland versuchen viel zu viele Leute bei möglichst guter Bezahlung möglichst wenig zu arbeiten und den Staat um die Steuern zu betrügen. Solange sich das nicht ändert, wird es in Griechenland nicht besser.

      • Thomas ernst sagt:

        Ja.
        Leider trägt weder der Euro, noch die machtgeile Sturheit der Brüsseler Bankenschutzschirm-Funktionäre etwas dazu bei, dass sich in Griechenland etwas ändert.

  • Ada Lovelace sagt:

    Guten Tag!

    Bitte schaut euch alle dieses Video an, es erklärt in einem 15 min Block, wie Geld funktioniert.
    Der längere Teil ist ein Top aktueller Film, wo die Thematik die gleiche, aber die Zeit eine andere ist; nämlich 1929!

    http://www.youtube.com/watch?v=ko1ZjsfJx0U

  • Martin Holzherr sagt:

    Für den Autor dieses Beitrages ist die Euro-Krise eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer.
    Für Sarah Wagenknecht ist die Euro-Krise eine Bankenkrise, die als Staatsschuldenkrise verkauft wird, damit man an das Geld der Steuerzahler rankommt
    Auf jeden Fall gibt es 3 ineinanderverwobene europäische Wirtschafts-Krisen:
    1) Die Staatsschuldenkrise: Unfähigkeit die Staatsschulden zu reduzieren, ja nur schon das Defizit zu reduzieren
    2) die Bankenkrise: viele Banken sind faktisch bankrott, es gibt zu viele Banken, der Finanzsektor ist überbläht
    3) die fehlende Wettbewerbsfähigkeit vieler PIIGS-Staaten
    Die meisten Ökonomen, egal ob im linken oder rechten Lager sind sich einig, dass langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der entscheidende Faktor ist. Diese wiederherzustellen ist in einer Währungsunion wegen der fehlenden Möglichkeit abzuwerten sehr schwierig ( John Maynard Keynes war der Überzeugung eine zu schwache Wettbewertbsfähigkeit könne in einer Währungsunion nicht wieder hergestellt werden).
    Draghis Bereitschaft Staatsanleihen von Staaten aufzukaufen, die unter den Rettungsschirm schlüpfen hat die Währungsunion schon jetzt stabilisiert. Die EZB wird aber damit die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenstaaten nicht verbessern und es wird Transfers vom Norden in den Süden geben müssen – und zwar steigende. Da hat der Autor dieses Beitrags absolut recht.
    Besser wäre in meinen Augen ein temporärer Austritt von schwachen Euroländern aus der Eurozone damit sie in den Genuss der Abwertungseffekte kommen.
    Wichtig: Nicht nur die Zahlungsbereitschaft auch die Zahlungsfähigkeit der „starken“ Euro-Länder wird von vielen überschätzt. Deutschland wird zunehmend Probleme durch die Überalterung kriegen. Es kann den Süden nur beschränkt finanziell unterstützen.

    • ast sagt:

      Herr Holzherr, Sie sehen -dies Krise hat mehrere Gesichter. Je nachdem von welcher Grundlage und Interessen man ausgeht, werden andere Mängelstrukturen sichtbar. Aus meiner Sicht kann man die Krise in der EU und in den USA, auch Japan und andere Entitäten, nicht unabhängig voneinander betrachten. Alle sprechen über eine Finanzkrise, aber in Wirklichkeit reflektiert die Krise „nur“ das Scheitern der westlichen Ökonomie., also der westlichen Globalisierungs (hegemonial)-Politik.

      Das sozialdarwinistische Marktsystem ist gescheitert an seinem eigenen Erfolg. Der im Kapitalismus eingebettete Soziadarwinismus hat nun China und anderen Ländern zum Aufstieg verholfen, nun eben auch Kosten von Jenen welche diese Politik ins rollen gebracht haben, während dem kalten Krieg.

      Ein QE 2.0 wird die einseitige Kapitalverteilung nur noch weiter anheizen, denn an den Regulierungs-Systemen wurde noch wenig geändert -im Gegenteil- die Banken können heute noch höhere Risiken eingehen -denn die Strafen für Verfehlungen wurden noch weiter abgebaut. Zum Beispiel sind die Zinsen für die Strafe wegen Unterschreitung der Eigenkapitalvorschriften ständig weiter reduziert worden -so dass es sich inzwischen lohnt diese Vorschrift nicht einzuhalten. Wir haben es mit einem Zitronensozialismus für Reiche zu tun -für diesen sollen die Bevölkerung des Westens im Kollektiv aufkommen -das wird wie in der UDSSR zum Schitern des System führen.

      • Martin Holzherr sagt:

        @ast: Sie schreiben „Der im Kapitalismus eingebettete Soziadarwinismus hat nun China und anderen Ländern zum Aufstieg verholfen, nun eben auch Kosten von Jenen welche diese Politik ins rollen gebracht haben, während dem kalten Krieg.“ und scheinen damit den Aufstieg von China als Nachteil für andere zu sehen.
        Dies ist eine weitverbreitete, meiner Meinung nach aber falsche Denkweise. Nur weil es anderen besser geht, muss es einem deshalb nicht schlechter gehen. In einem offenem Markt zwingen natürlich neue aufstrebende Länder die bereits etablierten dazu, höherwertige Güter herzustellen, damit sie konkurrenzfähig bleiben.
        Nun zu den Finazmärkten, den Banken, QE 2.0 etc.: Dies ist keine zwingende Folge des (Zitat) „sozialdarwinistische Marktsystem“, zumal die Aufblähung des Finanzsystems erst seit kurzem besteht. Dass Europa die Bankenkrise zur Euro-Krise macht zeigt vielmehr eine Schwäche des Euro-Systems und der EU-Politik.

  • Alois Krieger sagt:

    Also kurz gefasst: Die Eurozone funktioniert nur, wenn die Südstaaten jetzt Reformen durchsetzen, die sie nicht wollen, und plötzlich viel wettbewerbsfähiger werden. Schlussfolgerung: wir müssen den Euro unbedingt retten! Wieso wollen die Deutschen nicht ihre Ersparnisse dafür hergeben?

    Ich verstehe nicht, wie man so schreiben kann? Darf man nicht gegen die linke Tagi-Ideologie verstossen?

  • Dany Munkerl sagt:

    ESM-Urteil kommt so wie es die Politik steuert … keiner dieser roten Gestalten will doch schuld sein an einem Debakel – egal, die Demokratie ist schon lange vorbei – WIR LEBEN IN EINER DIKTATUR DER REICHEN !!!

    Demokratie heißt, die Wahl haben. Diktatur heißt, vor die Wahl gestellt sein. Um zu Besitz zu gelangen, sind die Menschen tapfer, um ihn zu bewahren, werden sie feig.

    • Linus Huber sagt:

      Wie wahr und wie traurig zugleich.

      Vielleicht wären ja heute die Massnahmen in einem Referendum noch knapp angenommen worden, während je länger verzögert wird, das Volk zu fragen, desto groesser die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung eintreten dürfte.

      Andererseits gibt es auch immer weniger zu entscheiden, je länger man wartet, da die Misere sich so sehr im System eingefressen haben wird, dass ein negativer Volksentscheid zu all diesen Massnahmen (ob in den Geber- oder Nehmerlaendern) das ganze Finanzsystem wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lassen könnte.

  • marieluzern sagt:

    Warten auf ESM-Urteil – Gregor Gysi im Interview

    http://goo.gl/ulPFF

  • Luzi Sommer sagt:

    Ein m.E. interessanter Ansatz kommt von Lars Christensen: OMT neutralisiert die negativen Auswirkungen auf das Wachstum, die mit einem Austeritätspaket, welches ein Antrag auf Unterstützung durch den Rettungsschirm mit sich bringt, verbunden sind. Wie Christensen festhält: Good News aber nicht genug. Nachstehend der Link zum Post: http://marketmonetarist.com/2012/09/11/conditionality-is-ecbs-term-for-the-sumner-critique/

    • Linus Huber sagt:

      Herr Christensen beweist mit seiner Analyse, dass er ein Verfechter der Keynes’schen Lehre ist. Diese Ökonomen glauben, dass man mit Geld drucken Wohlstand schaffen kann. Leider sollten wir nachdem wir schon 2 Blasen seit 2000 platzen sahen, uns einmal überlegen, ob diese Ideen nicht noch stärkere Probleme schaffen werden in der Zukunft.

      Das Verhältnis zwischen bestehendem Kreditvolumen und dem BIP ist gestört aufgrund obiger empfohlenen Massnahmen, welche seit vielleicht etwa 20 Jahren Anwendung fanden und mit genau diesem Ansatz, naemlich das Kreditvolumen staerker als das Wirtschaftswachstum wachsen zu lassen. Diese Massnahmen führen zu zunehmender Instabilitaet des Finanzsystems, fördern rücksichtsloses Verhalten in der Form von Spekulation (wobei die Verluste jeweils der Allgemeinheit untergejubelt werden), untergräbt die Prinzipien der Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und zunehmend auch demokratische Werte und resultiert in der Umverteilung von den 99% an die 1% (Reverse Robin Hood).

      Die gegenwärtig bestehenden Kreditvolumina basieren mehrheitlich auf Konsum und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stosst langsam an die Grenzen in Bezug auf die Fähigkeit, diese Kredite zu unterhalten (Zinsen), geschweige denn sie zu amortisieren. Dadurch werden die im Boom, welcher aufgrund der massiven Zunahme an Krediten beruhte, gemachten Investitionen teilweise zunehmend als Fehlinvestitionen erkannt und sollten eigentlich nach marktwirtschaftlichen Regeln abgeschrieben werden. Die Entscheidungsträger wehren sich gegen diese notwendigen Abschreibungen mit allen Mitteln.

      Die verabreichte Medizin besteht noch immer im Gift, welches uns das Problem produzierte. Die Lösung liegt in der gesellschaftsvertraeglichen Abschreibung von nicht rueckzahlbaren Krediten und nicht in der Auftuermung immer hoeherer Kreditvolumina.

  • Reto Derungs sagt:

    Die Bereitschaft der Classe Politique – auch Deutschlands – ist sehr wohl vorhanden, zur Rettung des Prestigeprojekts „Europa“ Opfer zu bringen, jedenfalls verbal; aber den Preis, den sollen natürlich die Steuersklaven bezahlen: Jene, die wohl (hätte man sie denn auch mitreden lassen), dieser Gigantomanie kaum je zugestimmt hätten und sich heute die Haare raufen, wenn sie hilflos zusehen müssen, wie sie unter dem Titel Solidarität und mit immer abenteuerlicheren finanzakrobatischen Verwedelungsaktionen schamlos enteignet werden.

    • Karin Gut sagt:

      Ja, im Moment gelingt der Spagat in Deutschland einigermassen, d.h. die Deutsche Bevölkerung hat eine Regierung gewählt, welche des Steuerzahlers Geld masslos in die „Europäische Idee“ steckt, was diejenigen, welche diese Regierung gewählt haben, in dieser Form gar nicht mehrheitlich unterstützen. In Zukunft werden sich in Deutschland gewiss die Wahlchancen jener Parteien erhöhen, welche vermehrt auf eine kritische Haltung zu Europa setzen. Die Zeit der Europa-Träumerei läuft aus.

      Zumal der Draghi-Plan praktisch im voraus zum Scheitern verurteilt ist. Das hin und her schieben von Schulden und Gewähren von neuen Krediten geht nur dann auf, wenn mittel- und langfristig ein starkes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Sicht ist. Doch sowohl die globale Wirtschaft im Allgemeinen als auch die demographische Situation Europa’s im Speziellen lassen ein solches Wirtschaftswachstum als praktisch ausgeschlossen erscheinen.

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