Wenn Staatsausgaben sich selbst bezahlen

Die Ökonomen Larry Summers und Bradford Delong.

Sparmassnahmen durch den Staat können zu einer höheren Verschuldung führen: Die Ökonomen Larry Summers und Bradford DeLong.

Höhere Staatsausgaben finanzieren sich selbst – unter bestimmten Umständen. Das ist eine der zentralen Schlussfolgerungen dieser neuen Studie der Ökonomen Larry Summers und Bradford DeLong (PDF). Hier eine Fassung mit den zentralen Aussagen und Slides. Die Aussage impliziert auch:  Sparmassnahmen durch den Staat können zu einer höheren Verschuldung führen.

Nein, die beiden Ökonomen sind keine schrägen Aussenseiter der Ökonomenszene. Ganz im Gegenteil. Vor allem Summers braucht kaum mehr vorgestellt zu werden. Heute ist er Professor der Harvard-Universtität, deren Präsident er auch schon war. Für Obama wirkte er als Wirtschaftsberater und unter Bill Clinton war er in den 90er-Jahren  Finanzminister und zuvor Stellvertreter seines Vorgängers Robert Rubin, dem einstigen Goldman-Sachs-Chef. Rubin hat Summers auch besonders gefördert. Der Ökonom galt denn auch als besonderer Freund der Wall-Street-Banken. So hat Summers nicht nur strengere Regeln im Derivatebereich vereitelt, auch Warnungen vor zu hohen Risiken im Finanzsektor – wie sie noch 2005 vom damaligen IWF-Chefökonomen Rahguram Rajan an der Zentralbankertagung in Jackson Hole vorgebracht wurden – hat er als «irrig» abgetan. So bekommt denn Summers im Oscar-gekrönten Dokumentarfilm «Inside Job» über die Finanzkrise sein Fett ab. Brad DeLong war einst Student von Summers. Die beiden sind seither Freunde. Auch DeLong war in der ersten Amtszeit von Bill Clinton Mitarbeiter des Finanzministeriums.

Zurück zur Studie der beiden. Die Aussage, zusätzliche Schulden würden sich selbst finanzieren, erinnert an jene der sogenannten «Supply-Side»-Ökonomie, die in den 80er-Jahren den theoretischen Unterbau für die Steuersenkungspolitik des damaligen Präsidenten Ronald Reagan geliefert hatte.

Die Väter dieser «Schule» – Jude Wannisky, damals Redaktor des «Wall Street Journals», und der Ökonom Arthur Laffer – vertraten die Ansicht, tiefere Steuersätze würden derart positiv auf die Leistungsanreize der Wirtschaftssubjekte wirken, dass erstens das Wirtschaftswachstum deutlich angekurbelt wird und dadurch zweitens die Steuereinnahmen so stark ansteigen müssten, dass sie den Effekt der tieferen Steuersätze überkompensieren. In der Praxis sind die Supply-Siders dramatisch gescheitert. Die von Reagan gesenkten Steuersätze waren mitverantwortlich dafür, dass die Staatsverschuldung der USA während der 80er Jahre dramatisch zugenommen hat. In diesem Blogbeitrag war die Supply-Side-Theorie, ihr Scheitern und der Vergleich mit Aussagen zum Sparen in der Krise schon einmal Thema. Und schon da wurde deutlich, warum der Vergleich der Aussage, wonach harte Sparmassnahmen in der Krise die Finanzlage der Staates verschlechtern können, mit der Supply-Side-Theorie unstatthaft ist. Vor allem weil die erstere Aussage im Vergleich zur Supply-Side-Theorie nur für sehr eingeschränkte Bedingungen Gültikeit beansprucht.

So betonen denn auch Summers und DeLong in ihrer Studie mehrfach, dass ihre Analyse und die Folgerungen daraus auf keinen Fall generell gelten würden. Ganz im Gegenteil: Unter gewöhnlichen Umständen seien Stützungsmassnahmen durch den Staat nicht zu empfehlen und Mehrausgaben hätten zur Folge, dass die Staatsverschuldung zu- und nicht abnimmt. In normalen Zeiten überlasse man die Konjunkturpolitik besser den Zentralbanken.

Die Zeiten sind momentan allerdings alles andere als normal. Vor allem da, wo eine Liquiditätsfalle vorherrscht. Regelmässige Lesende dieses Blogs wissen Bescheid. Die Liquiditätsfalle zeigt sich im Konjunkturkontext etwa daran, dass einigen Notenbanken – wie vor allem jene der USA – ihre Leitzinsen praktisch auf Null gesenkt haben und die Konjunktur dennoch nicht wunschgemäss anspringt. Ein Indikator dafür ist die Arbeitslosigkeit, die in vielen Ländern noch immer auf viel zu hohen Niveaus verharrt. Die Machtlosigkeit der Zentralbanken hat zur Folge, dass ihre massiven Geldspritzen, die sich mit der Notenbank- bzw. Basisgeldmenge messen lassen, gar nicht oder nur unwesentlich in den für die Wirtschaftsentwicklung relevanten Geldmengen (den M-Geldmengen) niederschlagen. Kein Wunder reagieren auch Inflation und Inflationserwartungen kaum auf den Notenbankgeldschub.

Diese Machtlosigkeit der Zentralbanken steht im Zentrum der Analyse von Summers und DeLong. Die beiden fokussieren auf zwei ökonomische Wirkungsmechanismen: den (keynesianischen) Multiplikatoreffekt und den so genannten Hysterese-Effekt. Der Multiplikatoreffekt zeigt, wie stark sich eine Erhöhung der Staatsausgaben auf das Bruttoinlandprodukt BIP auswirkt. In «gewöhnlichen» Zeiten sei die Multiplikatorwirkung gleich Null – schreiben Summers und DeLong. Denn wenn die Wirtschaft sich nicht gerade im Zustand unterausgelasteter Kapazitäten befindet, verdrängen zusätzliche Staatsausgaben über höhere Zinssätze private Investitionen und über steigende Preise mit der Zeit auch private Konsumausgaben. Der Nettoeffekt der zusätzlichen Staatsausgaben ist daher Null – oder mit anderen Worten aus dem Ökonomenslang: Es findet ein vollständiges «Crowding Out» statt. In einer Rezession würde die Zentralbank laut den Ökonomen Stimulierungsmassnahmen des Staates mit steigenden Leitzinsen begegnen, was wiederum zu einem Multiplikator im Umfeld von Null führen würde. Jetzt aber, angesichts brachliegender Kapazitäten und einer weitgehend impotenten Geldpolitik, entfaltet der Multiplikator laut Summers und DeLong seine volle Wirkung.

Dazu kommt der bereits erwähnte Hysterese-Effekt. Damit ist gemeint, dass sich eine länger anhaltende Konjunkturkrise negativ auf das langfristige Wirtschaftspotenzial einer Volkswirtschaft auswirkt: In einer schweren Wirtschaftskrise gehen die beruflichen Fähigkeiten der Arbeitslosen verloren, gut eingespielte Strukturen etwa bei Unternehmen werden zerstört und Investitionen bleiben aus, die ansonsten die künftige Produktivität erhöhen würden. Wenn daher staatliche Finanzspritzen die Wirtschaft rasch wieder auf ihr Niveau mit ausgelasteten Wirtschaftsfaktoren zurückführen, fällt das langfristige Produktionsniveau höher aus als ohne diese Stimulierung.

Durch beide Effekte zusammen – den Multiplikator- und den Hysterese-Effekt – können höhere Staatsausgaben in einer schweren Krise laut Summers und DeLong das künftige BIP eines Landes so stark erhöhen, dass die künftig erzielbaren Steuereinnahmen (bei einem unveränderten Steuersatz) die einmaligen Mehrausgaben des Staates während der Krise vollständig finanzieren. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Realzins für die Staatsschulden ein gewisses Niveau nicht übersteigt. Hier die Folie mit den wichtigsten Formeln in diesem Zusammenhang:

r steht für den Realzins, g für die Wachstumsrate, η für den Hysteresis-Effekt, μ für den Multiplikator und τ für den Steuersatz. Die Gedankenstriche vor den Formel sollten nicht mit Minuszeichen verwechselt werden. Die rechte Seite der ersten obigen Formel (nach dem «<» Zeichen) zeigt die künftigen jährlichen Kosten der aufgenommenen Schulden, um die einmaligen zusätzlichen Staatsausgaben zu finanzieren, so dass die Verschuldungsquote stabil bleibt. Die linke Seite der Formel zeigt, wie dank Multiplikator- und Hysterese-Effekt die Steuereinnahmen auch bei einem gleich bleibenden Steuersatz künftig erhöht werden. Wenn diese Zunahme der Steuereinnahmen dank dem grösseren zukünftigen Outputniveau der Volkswirtschaft die Kosten für die Staatsausgaben übertreffen, dann bezahlen sich diese selbst. Die zweite Formel ist bloss eine Umformung der ersten. Sie zeigt die bereits erwähnte Bedeutung des realen Zinssatzes und legt in Bezug auf ihn die exakte Bedingung für die Selbstfinanzierung der zusätzlichen Staatsausgaben fest.

Wie Modellrechnungen der beiden Ökonomen zeigen, ist die Selbstfinanzierung in den USA selbst bei restriktiven Annahmen momentan gegeben. Bei einem Multiplikator von 1 (Höhere Staatsausgaben von 1 Dollar erhöhen das BIP um 1 Dollar), einem Hysterese-Effekt von 0,1 (Höhere Staatsausgaben von 1 Dollar erhöhen das langfristige BIP um 10 Cents), einer Wachstumsrate von 2,5 Prozent und einem Steuersatz von 33.33 Prozent finanzieren sich zum Beispiel Staatsausgaben selbst, so lange der reale Zinssatz unter 7,5 Prozent liegt. Aktuell liegt der langfristige Realzinssatz für die US-Staatsschulden – der Nominalzins abzüglich der erwarteten Inflation – bei rund 0 Prozent.

Summers und DeLong machen allerdings auch klar, dass selbst wenn höhere Staatsausgaben sich nicht selbst finanzieren und später höhere Abgabelasten die Folge sind, sich die Kosten in einer schweren Krise lohnen können. Das gilt dann, wenn der Gegenwartswert der dank Multiplikator- und Hysterese-Effekt grösseren gegenwärtigen und künftigen Wirtschaftsleistung den Gegenwartswert der künftig höheren Abgaben ausgleicht oder sogar übersteigt. Die beiden Ökonomen zeigen, dass in der gegenwärtigen Situation und selbst bei sehr geringen Multiplikator- und Hysterese-Effekten zusätzliche Staatsausgaben noch einen positiven langfristigen Nettoeffekt zeigen.

Wendet man die von Summers und DeLong angewandten Formeln auf die europäische Peripherie an, ist Vorsicht ­angebracht. Summers und DeLong gehen davon aus, dass auf den Realzinsen keine Risikoprämie lastet: eine Annahme, die für die USA angesichts der nach wie vor historisch tiefen Renditen für Staatsanleihen wohl zutrifft, nicht aber für ­Euroländer. Sie sind durch ihre Einbindung in die Währungsunion sehr viel höheren Risiken ausgesetzt, weil ihnen weder eine unabhängige Währung noch eine angepasste Geldpolitik zur Verfügung steht. Höhere Staatsausgaben in den gefährdeten Euro­ländern ohne ­Lastenteilung der Mitgliedländer und ohne unterstützende geldpolitische Massnahmen der Europäischen Zentralbank können die Zinsen rasch in Bereiche ­hochtreiben, die nicht mehr nachhaltig ­finanzierbar wären.

Die Aussagen der Studie beinhalten natürlich die Gefahr, dass sie generalisiert werden und sich auch in normalen Zeiten und in Ländern mit normalen Wirtschaftsbedingungen niemand mehr um das Kleingedruckte kümmert: Die Botschaft, dass Mehrausgaben die beste Sparmassnahme sind, ist für Politiker zu attraktiv.

Dennoch: Die Studie zeigt wie schon andere und ebenso die tägliche Erfahrung, dass harte Sparmassnahmen in Ländern, wo die Geldpolitik nicht funktionert und die unter einer schweren Wirtschaftskrise leiden, nicht zum Ziel führt und diese Sparmassnahmen Gegenteil selbst die Verschuldungslage noch verschärfen kann.

36 Kommentare zu «Wenn Staatsausgaben sich selbst bezahlen»

  • Da das BIP der USA seit Jahrzehnten massiv durch Hedonic Pricing, Kriegs- und Gefangenenkosten von jährlich 2 Billionen Dollar als staatliche „Investitionen“ gefälscht wird, sind derartige Zahlenspiele Teil der auch von Paul Krugman, der 2009 Belgien und Italien als Vorbilder für geringe Schulden nannte, verfolgten, ideologisch bedingten Betriebsblindheit der US-Ökonomen.
    Dass diese in der Schweiz noch ernst genommen werden, lässt sich allenfalls verstehen, wenn man weiss, wie die Professoren in Basel, St. Gallen und Zürich (KOF) ihre Lehrstühle bekamen: Über Arschkriecherei bei US-Ökonomen und deren „referenzierten“ Journals, in denen diese Mantras auch heute, vier Jahre nach der Finanzkrise verkündet werden.

    WARNING: Grassroot Economists may bamboozle your brain!

  • Hab ihren BLOG gerade entdeckt. Wunderbar diese Analysen. Warum beraten Leute wie sie nicht die deutsche Kanzlerin? Dann bliebe uns diese Sparwahnpolitik erspart, die Deutschland und Europa geradezu in den Abgrund treibt.

    Join the fight: http://www.facebook.com/Fiskalpakt

  • Donald Duck sagt:

    Verwenden Summers und De Long tatsächlich die abgebildete Formel? Da liegt wohl die Annahme vor, der Staat verschulde sich in einer Periode und zahle die Schuld samt Zins in der nächsten Periode zurück. Realzins pro Periode oder die ganze Laufzeit der Schuld? Rezession = negatives Wachstum: die Schulden werden sich nicht finanzieren gemäss Formel. Die Notenbanken drücken die Zinsen gegen Null, der Staat mache Schulden und das Land Wirtschaft floriert – wie Japan.

    • Linus Huber sagt:

      Hi Donald

      Genau, es ist Japan version 2.

      Eine rein politisch motivierte Theorie um seinem Kollegen Obama das Feigenblatt zu bieten, noch höhere Verschuldung anzustreben. Lächerlich, dass genau jene, welche die Misere mit produzierten noch immer solche Medienaufmerksamkeit erhalten, ob z.B. Geithner, Bernanke und eben auch Summers.

      • Michael Schwarz sagt:

        @Linus

        Um was geht bei den Ökonomen, um Publikationen, so einfach ist das. Je mehr man in Fachzeitschriften, Fachzeitungen und beim Fachverlag publiziert, desto besser für die wissenschaftliche Karriere. Die Theorie der tieferes Taxes stammt aus der wirtschaftlichen Fachpublikation, die Ökonomen verändern die Realität wie sie zum Vorteil eigner Karriere bestellt ist.

        Das sind Leute wie Summers, das Finanzsystem kollabieren liessen. Die US-Ökonomen sind für die Krise 2001 und 2008 verantwortlich, das ist keine Spekulation, sondern die Tatsache, die die US-Politiker und US-Bürger nicht wahr haben wollen – die elitäre Kreise beutet die US-Bevölkerung aus, die Demokratie existiert nur noch an der Oberfläche. Es ist der Zeit die US-Bürger auf die Stresse geht, die elitäre Kreise zu stützen, womit das Gleichwicht wiederherstellt werde.

  • Klicki sagt:

    Die Vorstellung, dass man die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Staatsausgaben bzw. Sparmassnahmen allein durch Betrachtung ihrer Quantität erfassen könne, ist naiv und wird der Wirklichkeit in keiner Weise gerecht. Es ist eben nicht egal, ob ein Staat eine Pyramide baut und Panzer importiert oder in sinnvolle Infrastrukturen und Dienstleistungen investiert, denn nur im letzteren Fall entsteht über den Beschäftigungseffekt hinaus ein Nutzen für die Gesamtwirtschaft.

  • Baer sagt:

    Die Multiplikatortheorie basiert auf zwei wichtigen Annahmen. Fällt eine dieser Annahmen, fällt die Multiplikatortheorie.

    1. Annahme: Durch Konsum wird Einkommen transferiert.
    2. Annahme: Ersparnisse entfalten keine Nachfrage.

    Die erste Annahme würde in ihrer Konsequenz dazu führen, dass Einkommen kein Anfang und kein Ende hätten, sondern in einem ewigen Kreislauf Unternehmen-Angestellte-Unternehmen-Angestellte zirkulierten. Wie nun viele Ökonomen erkannt haben, kreiert eine Lohnzahlung neues Einkommen (das war bereits ein Punkt von Keynes). Sogar verbreitete Gymi-VWL-Lehrbücher wie Eisenhut schreiben heute von dieser Option. Logisches Problem: Wenn Konsum- und Lohnzahlungen Einkommen bloss transferiert und gleichzeitig neue Einkommen durch Lohnzahlungen entstehen, wann wird Einkommen zerstört? Irgendwo muss Einkommen wieder zerstört werden, ansonsten türmen sie sich ad infinitum auf.

    Die zweite Annahme ist ebenfalls falsch, und man kann dies auf mehrere Arten zeigen. Ich beschränke mich darauf, den Widerspruch innerhalb der Neoklassik zu beleuchten. Keynes selbst (und neoklassische Ökonomen) ging von der „definitorischen Gleichung“ S=I aus. Wenn diese Gleichung auch nur ein wenig stimmt, dann würde es bedeuten, dass Ersparnisse via Intermediation von Banken investiert würden. Diese Investitionen würden natürlich eine zusätzliche Nachfrage bedeuten, da die Angestellten im Investitionsgütersektor dadurch Löhne erhielten. Also: Auch die Ersparnisse entfalten eine Nachfrage, da sie via Bankensystem investiert werden und somit Einkommen erzeugen. Der Multiplikator würde somit, wie nun jeder merken muss, unendlich gross sein.

    Die Multiplikatortheorie kann man nicht aufgrund von empirischen Studien verwerfen. Die Theorie ist widersprüchlich, und eine bessere Theorie muss ihren Platz einnehmen.

    Der Multiplikator ist immer 1.

    • Emil Roduner sagt:

      Einen Multiplikator >1 hatten wir beim amerikanischen Hypothekarsystem. Als die Blase platzte, zeigte sich, dass die generierten Gewinne nur Papiergewinne waren. Reale Werte müssen auch real erarbeitet werden.

    • Josef Nemecek sagt:

      Wenn eine Theorie nichts taugt, dann soll man sie wegschmeissen und nach einer anderen suchen.

      Das Argument „man habe halt nichts besseres“ ist nichts anderes, als wenn man mit dem Auto von Zürich nach Luzern fahren will und dafür die Karte von Polen benutzt, mit dem Spruch „lieber das als gar nichts“.

      Theorien müssen in der Praxis funktionieren, sonst muss man sich von ihnen sofort verabschieden. Es gibt nichts Gefährlicheres als falsche Theorien, denn sie lassen uns in falscher Sicherheit wiegen.

  • Oliver sagt:

    In «gewöhnlichen» Zeiten sei die Multiplikatorwirkung gleich Null – schreiben die Summers und DeLong. Denn wenn die Wirtschaft sich nicht gerade im Zustand unterausgelasteter Kapazitäten befindet,

    Wann waren letztes Mal alle Kapazitäten ausgelastet? Ein solcher Zustand scheint mir alles andere als gewöhnlich. Anderseits ist es der Zustand, von dem sämtliche klassischen Modelle ausgehen. Und dann wundern sich alle, wenn die Vorhersagen nicht stimmen…

  • hans nötig sagt:

    Bahnbrechend! Die haben rausgefunden das man über Schulden sinnvolle Investitionen tätigen kann und wenn alles gut geht dabei verdient! Das muss mindestens den Nobelpreis geben!

    Vielleicht können die uns auch noch erklären das Investitionen in aufsteigende Länder wie Afghanistan das Perpetuum Mobile schneller befeuert als (zb) Investitionen in die Bildung (ihr wisst schon kommt alles über Firmen wie Halliburton etc wieder rein, würden die denn mal als ein bisschen Steuern zahlen). Ich glaube das haben ein paar noch nicht ganz begriffen.

    Das am Ende nicht so richtig auf die Verdienste von anderen Studien (im Falle von Sparmassnahmen die jahrelangen „Feldversuche“ des IWF, oder aktuell die Simulation „Griechenland Troika“) verwiesen wird finde ich ein wenig egoistisch, ist aber wohl angebracht wenn man dem Verdienst dieser bahnbrechenden Erkenntnis einmal betrachtet. Ist ja nicht so als könnte das jeder anhand der wirtschaftlichen Zahlen sehen.

    Seriously, ist der Blog ernst gemeint?

  • Michael Schwarz sagt:

    Solche ökonomischen Modelle zeigen nur ein Abschnitt der Makroökonomie – der Zinssatz allein kann die Investition nicht bestimmen. Es gibt andere Faktoren, die Investitionsentscheidung wesentlich beeinfluss als der Zinssatz. Das aktuelle Beispiel zeigt diesen Effekt deutlich, über den Zinseffekt habe ich bereits vor zwei Jahren geschrieben. Es reicht nicht aus den Zinssatz auf Null zu senken, im Gegenteil, die Nullzinspolitik der Zentralbank schadet die Wirtschaft nachhaltig, weil die Ineffizienz in der Produktion und Investition massiv gefördert wird, dies wird der Grundlage für späteren Systemkollaps sein – die wichtigste Ursache für spätere konjunkturelle Schwankung.

    Die US-Ökonomien haben es nicht gelernt, die Stabilität heute mehr Gewicht verleiht wird als der Zinssatz. Die Investoren sind bereit höheren Zinssatz zu zahlen, wenn die Stabilität für deren Investition garantiert wird. Deshalb ist das Studie von Summer zwar theoretisch nichts auszusetzen, aber in der Praxis wird es aber nicht funktionieren. Im Gegenteil, solche Ökonomen missbrauchen die Wirtschaft als persönliche Labor eigne Theorie zu testen. Das kostet der Wirtschaft und dem Staat Billionen. Die ökonomische Theorie ist nur gut, wenn die empirisch einsetzbar ist. Die meisten Ökonomen produzieren nicht nur keinen Wert, sondern sie vernichten den Wert und Wohlstand – die USA ist ein Musterbeispiel, wie die Ökonomen systematisch das Wirtschaftssystem, Finanzsystem, Währungssystem und demokratische Gesellschaft destabilisieren.

    Fazit: Unsere Gesellschaft brauche keinen Theoretiker, der die Wirtschaft nur aus Büchern kennen. Die Wirtschaftswissenschaft ist und immer noch ein empirisch wissenschaftliches Disziplin, kein mathematisches.

  • Emil Roduner sagt:

    Es ist erstaunlich, wieviele Leute immer noch an das Perpetuum Mobile glauben (eine Maschine, die mehr Arbeit leistet als Energie hineingesteckt wird). Sie denken, die Wirtschaft müsste nur „angekurbelt“ werden, dann würde sie von selbst weiterlaufen. Das ist so, wie bei einem Karren, den man anschieben kann und dann rollt er immer weiter – von selbst. Das funktioniert, wenn es bergab geht, aber bergauf ist die Anschub-Energie sehr schnell verpufft. Die Rufe nach Ankurbelung kommen leider meist, wenn es bergauf geht.

    • hans nötig sagt:

      Dann verbieten wir eben einfach das bergauf fahren. Das mag jetzt einfach tönen, ein Harvard-Professor habe aber bereits eine Studie erstellt das dies vermutlich nicht überall funktionieren könnte.

      Aber den Ansatz finde ich ziemlich gut, ähnlich wie grenzenloses Wachstum 😉

  • H. Trickler sagt:

    Ob die positiven Effekte der vorgestellten Formel tatsächlich eintreffen werden oder ob es sich nur um ein Feigenblatt zur Rechtfertigung der exorbitanten Staatsverschuldung handelt wird die Zukunft weisen.

    Ich würde vermuten, dass diese Rechnung nicht aufgeht weil der Motor, welcher die Wirtschaft in USA nach 1945 hoch rentabel laufen liess inzwischen in Niedriglohnländer abgewandert ist und dadurch die zu hohe Arbeitslosigkeit im Westen noch ein paar Jahrzehnte bleiben wird.

  • Mich erstaunt immer wieder, mit welcher Nonchalance Oekonomen irgendwelche Sachverhalte und Zusammenhänge behaupten, als ob es die Finanzkrise nie gegeben hätte, die einen grossen Teil ihrer Behauptungen widerlegt hat, oder das totale (vom Autor zitierte) Versagen der neo-liberalen „trickle-down“ Supply-Side Oekonomie, deren Voraussagen in den 30 Jahren ihrer Existenz noch nie eingetreten sind. Es geht mir nicht darum, alles und jedes anzuzweifeln, was irgendwer irgendwo sagt. Im Gegenteil tendiere ich in der Regel dazu, Aussagen von Wissenschaftlern zu glauben, auch wenn sie mir nicht behagen. Aber es kann doch nicht sein, dass dieselben Leute, die einst behauptet hatten (und immer noch behaupten: vgl Abstimmungsbüchlein zur USt II), dass Steuersenkungen für „Reiche“ der Gesamtwirtschaft nützen (falsch) oder sich selbst bezahlen (falsch), dass freie Märkte besser als regulierte funktionieren (falsch) und Krisen verunmöglichen (falsch), nun neue Behauptungen machen, bevor sie wenigstens ihre früheren Falschaussagen öffentlich denunzieren.
    Auch wenn mir das Resultat der Studie von Summers und DeLong — obgleich aus rein politischen Gründen — behagt, sollten wir heute eine deutlich höhere Beweis-Schwelle verlangen, als bloss ein paar hingekritzelte Formeln, die letztlich nur beweisen, dass Ha-Yoon Chang (Autor vom „23 Things they don’t tell us about Capitalism“) recht hatte: „95 per cent of economics is common sense made complicated“ (wobei ich zum „common sense“ einige Fragezeichen setze). Auch scheint es offenbar nicht möglich, eine Studie abzufassen, ohne gleichzeitig wieder irgendwelche neue Phänomene zu behaupten (das angedeutete „Crowding Out“, d.h. dass die Multiplikatorwirkung hoher Staatsausgaben in ‚gewöhnlichen‘ Zeiten gleich Null sei), und natürlich konnen die Autoren keine Belege dafür erbringen, dass die behaupteten Phänomene jemals eingetreten sind.
    Angesichts des geradezu inhärenten Versagens der sogenannten Wissenschaft Oekonomie habe ich mir zur Regel gemacht, bei jeder oekonomischen These den Sommerer-Test anzuwenden: Ist das behauptete Phänomen in der Realität schon einmal beobachtet worden? Wenn nicht, will ich es gar nicht hören.

    • H. Trickler sagt:

      Der Sommerer-Test ist lustig aber imho nicht zweckmässig. Selbst ein Phänomen das mehrfach beobachtet wurde muss in der Zukunft nicht mehr eintreten, z.B. weil nicht bekannte aber wichtige Randbedingungen geändert haben. Und dann treten oft neue Phänomene auf, welche noch gar nie beobachtet wurden 😉

      Man muss einfach einsehen, dass die sog. Wirtschafts-Wissenschaft nicht wirklich wissenschaftlich ist, sondern sich bestenfalls mit Heuristiken herumschlägt.

      Wenn z.B. Benzin und Heizöl bevor sie in unseren Tank gefüllt werden über 20 mal als Future gehandelt worden sind, dann ist sofort einzusehen dass dieser wichtige Schlüsselpreis der Energie über lange Zeit vielfältigsten psychologischen Faktoren ausgesetzt war und mit den Produktionsbedingungen am Bohrloch und anderen realen Einflüssen nicht mehr mathematisch erklärbar ist.

      • Für eine sogenannte Wissenschaft, die keine ist, macht die Oekonomie recht unverschämt klare Aussagen, oft ohne jede Vorbehalte. Klare Aussagen sind gefährlich, weil sie gestatten, sie an der Realität zu überprüfen. Alle Religionen haben ursprünglich solche Aussagen gemacht, mit verheerenden Resultaten, da die Wissenschaft überzeugendere Argumente liefern konnte. Die Kirche hat erst mit Folterzange und Scheiterhaufen ihre Position eine Weile lang behaupten können, musste schliesslich aber unter der Last der Argumente das Feld der realen Welt den Wissenschaften überlassen.
        Der Oekonomie stehen diese Mittel nicht zur Verfügung, aber sie kann sich recht effektiv der Realität verweigern, weil ihre Thesen, obwohl sie falsch sind, einer Elite nützen, die die Thesen daher verteidigt. Dem Reichen ist es egal, ob supply-side funktioniert, solange er davon profitiert. Ausserdem kann die Oekonomie ihre Thesen in Formeln kleiden und damit tarnen, bzw. verlangen, dass nur Initiierte an oekonomischen Argumenten teilnehmen. Ein deutscher Oekonomie-Professor hat kürzlich verlangt (es stand in der BZ), der Pöbel solle sich aus der Oekonomie heraushalten, da er sie sowieso nicht verstehe, wobei „Pöbel“ mein Ausdruck ist, nicht seiner.
        Dass die Oekonomie den Betrug gewissermassen bereits im Namen trägt, macht sie nicht gerade vertrauenswürdiger. Oekonomie hiess im englischen ursprünglich „political economy“ und wurde dann in „economics“ umbenannt, um durch die Nähe zu „mathematics“ wissenschaftlichkeit vorzugaukeln. Im übrigen nennen die Oekonomen ihre Behauptungen „Theorie“, was in der realen Wissenschaft eine klare Bedeutung hat: Eine wissenschaftliche Theorie ist ein funktionierendes — wenngleich nicht unbedingt vollkommen wahres — Modell der Realität. Newton ist eine Theorie, und mit ihr lassen sich Flugzeuge bauen, die fliegen, Schiffe, die nicht untergehen, und Bomben, die ihr Ziel treffen, und obwohl Einstein einige newton’sche Aussagen korrigiert hatte, fliegen Flugzeuge immer noch.
        Was Oekonomen Theorien nennen sind eigentlich Hypothesen, denn entweder sind nicht überprüfbar, oder widersprechen sich gegenseitig (und können daher nicht alle gleichzeitig wahr sein), oder funktionieren oft einfach nicht und sind daher ein untaugliches Modell der Realität.
        Da man der Oekonomie nicht trauen kann, müssen wir auf die Erfahrung zurückgreifen. Obwohl es bereits eine Generation her ist und sich kaum mehr jemand mehr daran erinnert, hat die Soziale Marktwirtschaft eine anständige Erfolgsbilanz aufzuweisen — immerhin haben wir ihr den Mittelstand zu verdanken, der jetzt unter Supply-Side stagniert oder sogar einbricht.
        Wenn Sie zwischen zwei Modellen wählen könnten: eins von dem wir wissen, dass es funktioniert hat (Mittelstand!), und eins, von dem wir wissen, dass es nicht funktioniert (trickle-down!), welches würden Sie wählen? Und welches ist oekonomischer Mainstream? Geht ihnen ein Licht auf?

        • Linus Huber sagt:

          Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu Herr Sommer.

          Kapitalismus MUSS begleitet sein von Rechtsstaatlichkeit, welche verwerfliches Verhalten (Schwächung ethischen Verhaltens in der Gesellschaft) bestraft und Anreize für positives Verhalten schafft. Zur Zeit gehen die Massnahmen von Zentralbanken und Regierungen gesamtheitlich betrachtet in genau die andere Richtung. Das Kapitalistische Modell hat keine Zukunft ohne dieses grundlegende Prinzip.

        • Andreas Dombek sagt:

          @ Ralph Sommerer
          @Linus Huber

          Ihrer Betrachtungen bezüglich der Ökonomie-Theorien ist voll zuzustimmen. Zusätzlich möchte man noch auf ein Faktum hinweisen, dass ab 1989 dem realen Kapitalismus der notwendige Konkurrent abhanden gekommen ist. Der Piraten-Kapitalismus ist derzeitig leider ein Monopolist. Was Monopole bewirken ist hinlänglich bekannt! Scheinbar ist der ehemalige „sozialistische“ Gegner sang- und klanglos untergegangen. Ab diesem „Erfolg“ konnte sich der hemmungslose und ungeregelte Teil des kapitalistischen Systems weiter entwickeln, ausbreiten und hemmungsloser ausbeuten sowie ein modriges Milieu schaffen, aus welchem sich die derzeitigen Protagonisten des internationalen Bangstertums entwickeln konnten. Ohne Regelungen, ohne Hemmnisse und ohne Hemmungen.

          Die von Ihnen aufgeführte soziale Marktwirtschaft ist unter die Räder des besagten wildgewordenen Kapitalismus geraten. Das sicherlich nicht perfekte, aber besonders im Nachkriegs-Deutschland erfolgreiche System mit vielen interessanten Facetten an markt- und betriebswirtschaftlichen Regularien hat / hätte auch in der Zukunft eine Chance, den derzeitig grassieren hemmungs- und würdelosen Freibeuter-Kapitalismus zu ersetzen. Langfristig kann nur solch ein Kapitalismus mit menschlichem Anlitz gegen den in der Zukunft anstehenden sozialen Zusammenbruch und möglicherweise folgenden wiederauferstandenen unmenschlichen „Sozialismus“ anstehen.

          Vermutlich steht man nun an einer Wegegabelung: Nach der linken Seite in den totalitären Sozialfaschismus oder nach der rechten Seite in den hemmungslosen Piraten-Kapitalismus.
          Jedoch hätte man beim genauen hinschauen noch eine Alternative, den von Ihnen beschrieben Weg der sozialen und rechtstaatlichen Marktwirtschaft. Diesen Weg zu gehen erscheint als eine mögliche Variante, auch wenn dieser als eine Art von Not-Ausgang daherkommt. Lieber durch solch eine Not-Tür hindurchgehen als in einer ökonomischen Apokalypse untergehen.

        • Ueli der Knecht sagt:

          @Ralph Sommerer
          Ich will hier ja nicht den Dünnbrettbohrer spielen…aber „Newton“ ist keine „Theorie“, sondern ein Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts. Die Schwerkraft (falls Sie diese gemeint haben) ist auch keine „Theorie“, sondern ein „Naturgesetz“. Sir I. Newton versuchte dieses Naturgesetz mit Hilfe der Mathematik (Differential-Integralrechnung) für den Menschen „brauchbarer“ und „beherrschbarer“ zu machen.
          Genau dieselbe Mathematik, welche Newton und ein Philosoph namens Leibnis vor gut 220 Jahren „erfunden“ haben wird heute auch gerne von den Ökonomen „miss“braucht um ihrem „Herrschaftswissen“ einen kühl-rationalen Anstrich zu verpassen. Diese Pseudointellektuellen sind tatsächlich nur die modernen Lakaien und Speichellecker der herrschenden Klasse, die sich zum Ziel gesetzt haben, die herrschende Ordnung zu einem „Naturgesetz“ zu verklären, sodass nur wenige Zeitgenossen bemerken, dass der Kapitalismus faktisch eine historische Etappe darstellt und genauso verschwinden wird wie das imperium romanum – nur ein paar Lichtjahre schneller.

          • Ueli der Knecht sagt:

            Leibniz und nicht Leibnis war neben Newton der „Erfinder“ der Differentialrechnung.
            @Dombek
            Der Leninismus-Stalinismus und auch der Maoismus sind Geschichte und werden nicht wiederauferstehen. Man sollte sich doch mal anschauen unter welchen historischen Bedingungen sich diese zwei „Systeme“ gebildet haben. Anhand dieser verfehlten „Sozialexperimente“ eine zukünftige Alternative zum bestehenden System in ENTWICKELTEN LÄNDERN von vorherein auszuschliessen und als „Sozialfaschismus“ zu brandmarken ist nichts als Propaganda. Den Weg zurück in die „schönen alten Zeiten“ nach dem 2. Weltkrieg wird es auch nicht geben, da wir uns nun im Zeitalter des „Postfordismus“ befinden und all die starken Männer, die vorher in der Fabrik oder auf dem Feld geschuftet haben nun durch Maschinen und Computer ersetzt wurden. Die Flexibilität des Kapitalismus ist tatsächlich bewundernswert – aber die marxsche Prognose von der abnehmenenden Profitrate ist in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mehr als bestätigt worden und die darauffolgende „neoliberale Phase“ war die allergische Reaktion der herrschenden Klasse auf die „unhaltbare Situation“, dass sich ihr Kapital nicht mehr optimal verwertete. Die Politik der letzten 30 Jahre war kein Zufall – es gab für die Kapitalsten schlicht keine Alternative als die sukzessive Zerschlagung der „sozialen Privilegien“ der Arbeitnehmerschaft durch die Einleitung „verschärfter Konkurrenz“ auf dem Arbeitsmarkt (z.B. Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe, Flexibilisierung der Gesetzte).

          • Andreas Dombek sagt:

            @Ueli der Herr

            Möglicherweise haben Sie meine Schreibe leicht missverstanden. Die Bezeichnung „Sozialfaschismus“ bezog sich auf die leninistisch-stalinistische Ausprägung in Osteuropa. Auch China hat z. B. keinen irgend wie gearteten Sozialismus.
            Der damalige Kapitalismus mit menschlichem Antlitz hatte m. E. wegen des damals real existierenden „Sozialismus“ der gemeinten Art immerzu seine sanfte und humane Fraktion wirken lassen, um den arbeitenden Massen die eigene Überlegenheit gegenüber dem „Osten“ demonstrieren zu können. Man war als Bürger damals wohl etwas geblendet und meinte, dass diese damals „menschliche Linie“ so weiter gehen würde. Durch Ermangelung des verlorengegangenen Gegenspielers meinte man, der Kapitalismus sei nun der Sieger am Ende des gigantischen Wettbewerbs. Aus heutiger Sicht ein grandioser Fehler, der sicherlich bis zum Ende des unsäglichen Spielablaufes wirken wird.
            Der sich immer weiter degenerierende Kapitalismus wird ohne einen Antagonisten sicherlich unverändert in einem Desaster enden.

            Keiner wird richtig die zukünftige Entwicklung voraussagen können, weder der Kapitalist noch der Sozialist. Am wenigsten der Hedgefondsmanager, dieser potentielle Strauchdieb. Die Bayern haben dafür ne passende Philosophie: Nichts Genaues weiß man nicht! Haben Sie eigentlich was gegen Propaganda? In Deutschland gab’s sogar ein entsprechendes Ministerium!

            So gesehen kann man sicherlich alle mathematischen, philosophischen, finanz-, steuer-, betriebs- und volkswirtschaftlichen usw. usw. Modelberechnungen in die Cloaca Maxima schütten. Da greife man zum besten und unbestechlichen Vorhersagesystem: Zum Würfel.

          • Wenn Sie nicht den Dünnbrettbohrer spielen wollen, dann soll Sie auch niemand dazu zwingen… 😉 Und, nein, ich meine nicht die Schwerkraft, sondern die klassische Gravitationstheorie nach Newton, im Gegensatz zu der Einsteins. Ich habe mir erlaubt, die Theorie nach dem Entdecker zu benennen. Dem Rest ihres Kommentars kann ich jedoch ohne Vorbehalte zustimmen.

  • Neue Studie? Soll das ein verfrühter Aprilscherz sein? Was da steht, lernt jeder Student schon in der Einführung zur Makroökonomie… Die Frage ist, welche Umstände vorliegen… wie die Akteure dann effektiv reagieren werden…

  • Karin Gut sagt:

    Bei solchen Formeln wird leider oft die globale Marktsituation ausser acht gelassen. Das Funktionieren von bestimmten Massnahmen hängt ganz entscheidend davon ab, ob die Leistungsbilanz positiv oder negativ ist. Insbesondere für die USA mit mehr als 20 Jahren chronischem Aussenhandelsdefizit kann man diesen Faktor nicht einfach ignorieren.

    Anders z.B. die Geschichte in Argentinien: Ab 1990 sank die Leistungbilanz bis -15%, bis die Lage in der Krise 2000/2001 eskalierte. Die getroffenen Massnahmen mit internationaler Hilfe führten aber schnell zu einer Stabilisierung und zu einem erfolgreichen Neustart. Denn grundsätzlich hatte die argentinische Wirtschaft das Potenzial für eine positive Leistungsbilanz, wie man nun auch rückblickend ablesen kann: ab 2002 immer zwischen +3% und +9%, im Durchschnitt Leistungsbilanz etwa +6%.

    • Oliver sagt:

      Am besten wärs, wenn alle Länder gleichzeitig einen Leistungsbilanzüberschuss fahren würden. Dann wären alle Probleme gelöst, gell? 😉

      • Karin Gut sagt:

        Selbstverständlich gibt es immer Überschussländer und umgekehrt, aber wie Sie eventuell in meinem Beitrag bemerkt haben, geht es primär darum die Leistungsbilanz (insbesondere ein Leistungsbilanzdefizit) in die Überlegungen zu Wirtschaftsmassnahmen einzubeziehen.

        Z.B. hat der Spanische Staatshaushalt in den letzten 10 Jahren gemessen an den Maastrichtkriterien besser abgeschnitten als Deutschland. Spanien hatte aber gleichzeitig während 10 Jahren ein Leistungsbilanzdefizit von durchschnittlich fast 5%, kaschiert nur von einer Immobilienblase. Deshalb wir es uns nun bald Horrormeldungen aus Spanien um die Ohren schlagen (und eben nicht aus Deutschland!).

        • Oliver sagt:

          Jedem Rappen an Leistungsbilanzüberschuss eines Landes steht ein Rappen an Leistungbilanzdefizit eines anderen Landes gegenüber. Das System Euro kann längerfristig nur zur Stabilität gebracht werden, wenn zu ausgeglicheneren Leistungbilanzen kommt – sowohl positiv als auch negativ. Ohne Defizit in Spanien, kein Überschuss und damit auch keine Immunität vor Horromeldungen in Deutschland.

          Darauf zielte auch das System Bretton Woods hin, zerbrach allerdings an seinen internen Spannungen. Immerhin haben die meisten Länder seither ihre Währungen ‚floaten‘ lassen, was die gröbsten Missverhältnisse verhindert – ein Ausgleichsmechanismus, der in der Eurozone fehlt. Die grösste Ausnahme hierbei ist China und es ist nicht verwunderlich, dass dies mit dem grössten Defizitland (USA) zu Konflikten führt.

    • War aber nicht möglich ohne Schuldenschnitt von 70%, also Konkursdividende für Gläubiger 30%.

      • Karin Gut sagt:

        Die Ausfälle waren in Argentinien etwa ähnlich wie kürzlich in Griechenland. Jetzt kommt aber eben der Unterschied: Für Griechenland sehe ich das wirtschaftliche Potenzial nicht, wie Griechenland trotz dieser Entschuldung eine positive Leistungsbilanz erreichen könnte. Folglich wird Griechenland weiter vor sich hin kränkeln und die Rettungsträumer reiben sich die Augen, warum die vielen Rettungsgelder so wenig bewirken. Aber Sie wissen es nun: Die Leistungsbilanz springt eben nach einer Krise nicht automatisch ins plus, sondern wenn das Potenzial dafür nicht gegeben ist, hilft alles schieben und würgen nichts um den Importüberschuss zu beheben.

  • Anh Toan sagt:

    Es ist immer wieder überraschend, wie Volkswirte triviale Erkenntnisse in komplexen Formeln darstellen können:

    Habe ich zuviele Schulden, spare ich mir essen. Da ich dann nicht in der Lage bin zu arbeiten, und sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ich krank werde, nehmen meine Schulden zu.

    Habe ich zuviele Schulden, kaufe mir einen neuen Anzug und neue Schuhe, habe ich eher Chancen, einen Job zu finden und meine Schulden abzubauen. Mache ich aber mehr Schulden für einen Puffbesuch, werde ich damit kaum in Zukunft meine Schulden abbauen können. (.. ausser wenn ich damit erfolgreich eine Zuhälterkarriere starte.)

    Es ist aber nicht die Schuldenaufnahme, die meine Schulden in der Zukunft reduziert, sondern die richtige Investition dieser Schulden (Anzug für Bewerbungsgespräch statt Puffbesuch). Moderne Oekonomen glauben anscheinend, Wachstum und Steuereinnahmen entstehen durch Schuldenaufnahme. sie entstehen aber aus der richtigen Investition dieser Mittel.: Gemäss obiger Formel könnte Griechenland seine Schulden abbauen, indem es neue Schulden macht und ein paar Flugzeugträger von den USA kauft. Ägypten könnte eine Autobahn in die Wüste bauen um seine Schulden abzubauen, in Spanien könnte der Staat die Tätigkeit der Baulöwen aufnehmen und neue Retortenstädte, in denen niemand leben will, in die Pampa bauen.

    Wachstum, BIP, Profite und zukünftige Steuereinnahmen werden nicht durch Schulden generiert, diese sind Voraussetzung für Investionen, deren Erträge die Finanzierungskosten übersteigen, wenn die Investitionen sinnvoll sind. Schulden generieren kein Wachstum, Investitionen generieren Wachstum.

    • Anh Toan sagt:

      „(.. ausser wenn ich damit erfolgreich eine Zuhälterkarriere starte.)“

      Pumpt der Staat Geld in die Wirtschaft, geht jemand ins Puff, trägt er damit dazu bei, dass jemand eine Zuhälterkarriere starten und damit Ersparnisse bilden oder Schulden abbauen kann. Der Staat gibt das Geld jedoch aus wirtschaftlicher, nicht aus sozialer Sicht, suboptimal aus, nämlich da, wo es fehlt, es eben die Wirtschaft nicht ausgeben will, weil die die Finanzierungskosten die Renditeerwartungen übersteigen. Die Forderung nach Defizitspending ist die Forderung nach mehr wirtschaftlich unrentablen Investitionen.

      Staatliche Investitionen sind natürlich sozial rentabel und damit indirekt wirtschaftlich rentabel (z.B. Gesundheitsvorsorge für Arme reduziert Krankheiten auch im Mittelstand), der indirekte wiirtschaftliche Nutzen unterliegt jedoch dem Prinzip des abnehmenden Grenznutzens: Die strukturellen Haushaltsdefizite zeigen, dass dieser negativ wurde.

      Warum fordern Volkswirte mehr Investition bei negativem Grenznutzen?

    • Emil Roduner sagt:

      Genau! Viele Leute können nicht unterscheiden zwischen Investitionen und simplen Ausgaben. Griechenland hat die EU-Gelder nur ausgegeben und damit z.B. neue Beamte eingestellt und Pensionen erhöht. Das kreiert wohl für die betroffenen Personen einen Nutzen, bringt aber die Wirtschaft nicht zum Laufen.

    • Sie haben recht. Griechenland kauft ja wie wild Panzer von Deutschland; und das ganze aufgeblähte Militär ist von allen Sparmassnahmen ausgeschlossen. Also muss wohl ein gewinnträchtiger Krieg in Planung sein.

      • Andreas Dombek sagt:

        @Albert Gfeller

        Möchte Ihnen einen kleinen Verbesserungsvorschlag andienen.

        Früher hatte Griechenland in Deutschland Kampfpanzer und Panzerhaubitzen gekauft. Offensichtlich meinen Sie wohl mit dem geplanten wilden Kauf die jetzig anstehenden 400 Stück amerikanischen M1A1-Abrams-Panzer! Nix mit der deutschen Rappelkiste.
        Da würden aber eventuell noch einige U-Boote modernster Technik noch anstehen. So als marinetechnische Entwicklungshilfe von D nach GR.

        Fazit: Ist volkswirtschaftlich ist’s nicht übel. So ne richtig antizyklische Investitionen.

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