Das Elend mit dem Wachstum
Der internationale Währungsfonds hat seinen neusten Outlook (PDF) veröffentlicht. Für die entwickelten Volkswirtschaften tönt er ernüchternd:
In advanced economies, however, growth is projected at only 2.7 and 2.2 percent, respectively, with some economies slowing noticeably during the second half of 2010 and the first half of 2011, followed by a reacceleration of activity. Slack will remain substantial and unemployment persistently high.
Ernüchternd? Immerhin wachsen die entwickelten Länder doch. Ja, aber das reicht nicht – nicht um die noch immer überall hohe Arbeitslosigkeit zu senken. Und nur wenn sich die wieder auf einem normalen Niveau befindet, kann zu Recht das Ende der Krise verkündet werden.
Hier in Worten warum Wachstumszahlen für sich gesehen nicht viel besagen. Aber nichts geht für Ökonomen über gute Grafiken, um Zusammenhänge aufzuzeigen. Ezra Klein, Wirtschaftsblogger der Washington Post, hat ein prächtiges Beispiel für die US-Wirtschaft:

Etwas viel aufs Mal? Hier eine ausgezeichnete Schritt für Schritt-Erklärung (ja, von da hat auch Klein die Grafik)
Klar? Das Potenzial einer Volkswirtschaft – was sie herstellen kann – wächst mit ihren Arbeitskräften und ihrer Produktivität. Wächst das Bruttoinlandprodukt weniger als dieses Potenzial, liegt ein immer grösserer Teil davon brach – das nennt man dann einen «Output Gap». Mit anderen Worten: Die Arbeitslosigkeit steigt. In Zahlen: Das Potenzialwachstum der USA wird auf 2 bis 2,5 Prozent geschätzt. Die Krisenjahre haben zu einem Output-Gap im Umfang von 900 Milliarden Dollar und einer Arbeitslosigkeit von aktuell 9,6 Prozent geführt.
Das Ärgerliche an der Geschichte: Selbst wenn die US-Wirtschaft gleich stark wie das Potenzialwachstum wachsen sollte, bleibt der Gap bestehen und damit auch die Arbeitslosenquote. Um die bis 2012 auf den dort «normalen» Level von rund 5 Prozent zu senken (den Level ohne verbleibenden Output-Gap – Thema für ein andermal), wäre ein Wachstum von jährlich 6 Prozent nötig. Bei einer Wachstumsrate von 3 Prozent – was nach viel tönt – wäre der Normalzustand erst in zehn Jahren erreicht.
Was erwartet denn der IWF für die USA: bloss 2,3 Prozent 2011. Autsch!
Hallo, die USA ist immer noch die grösste Volkswirtschaft der Welt!
Und was können wir für die Schweiz daraus lernen? Der IWF prognostiziert für das laufende Jahr ein Wachstum von 2,9 Prozent, für das nächste 1,7 Prozent und für das entfernte 2015 2 Prozent. Das Potenzialwachstum für die Schweiz liegt schätzungsweise zwischen 1,5 und 2 Prozent.
Wie lange also spüren wir selbst hierzulande noch die Nachwirkungen der Krise? Was passiert mit der Arbeitslosigkeit, die mit aktuell 3,6 Prozent für unser Land immerhin recht hoch ist?
Rechne!
16 Kommentare zu «Das Elend mit dem Wachstum»
@ Frau Binswanger
Ich gratuliere Ihnen für ihre schöne „Kapitalismusphantasie“ aber sie sollten sich mal fragen wem die ganzen Produktionsmittel (Fabriken, Maschinen, Büros…..) gehören. Die Eigentumsfrage ist nämlich der springende Punkt!
Solange nur produziert wird um das Profitinteresse einer kleinen Minderheit (die Kleinaktionäre und Pensionskassen zähle ich jetzt mal nicht dazu) zu befriedigen, hat die Menschheit ein Problem. Denn: das Kapital schert sich einen Dreck um die „Bedürfnisse“ der Menschen (wieso sollte es auch?).
Es wird also für den „Mehrwert“ produziert. Dieser kann aber nur generiert werden, wenn es eine kaufkräftige Kundschaft gibt und diese kann leider nicht durch Maschinen ersetzt werden. Ergo: Ihre Theorie ist leider im Bereich der Science Fiction anzusiedeln.
@ v for vietcong: Sie irren sich. Die MASCHINE generiert Umsatz. Meistens muss man sie nur starten und allenfalls überwachen, sie tut dann aber die eigentliche Arbeit. Unseren Wohlstand verdanken wir gerade der Tatsache, dass Maschinen die menschliche Arbeit weitgehend ersetzt haben und dass sie schneller arbeiten und belastbarer sind als der Mensch.
@ Nadine Binsberger nachtrag
übrigens gibts dann leute die nur einen knopf drücken müssen damit die maschine 100 prozent leistet, andere müssen dafür drei knöpfe drücken, weil die maschine weniger leistet und noch andere müssen fünf knöpfe drücken, weil sie weniger gut ausgebildet sind… ganz so einfach ists also nicht.
@ Nadine Binsberger
„Einkommen dürfte einfach nicht mehr an die menschliche Arbeit gekoppelt sein, sondern dafür an die Maschinenarbeit. Die Maschine generiert Umsatz.“
ahem, ich weiss nicht genau was sie arbeiten, aber meine maschine tut keinen wank, wenn ich nicht sämtliche knöpfe an ihr drücke… ich generiere umsatz. meine maschine tut ohne mich gar nichts.
was macht ihr euch noch gedanken leute… so wie wir leben sind eh bald alle rohstoffe aufgebraucht. bis dahin wird sich gar nichts mehr ändern. eher noch zuspitzen. der mensch ändert sich entweder kurz vor dem abgrund oder gar nicht. mit wirtschaft hat das nichts zu tun. es ist ja nicht nur das öl, was knapper wird, sondern zb. auch stahl und gas usw. china verbraucht heute schon mehr als amerika und amerika war doch bisher immer der sündenbock wenns um globale dekadenz geht. china steht aber gerade am anfang und man darf sich freuen wo dieser neue moloch noch hingeht.
@Frau Binsberger – ein ausgezeichneter Beitrag. Wir brauchen neue Denkansätze und Lösungen. Diese kommen aber kaum (mit wenigen Ausnahmen wie bei Jeremy Rifkin) von studierten Ökonomen – denn diese wollen die ökonomische Heilslehre nicht in Frage stellen, bzw. ihre Karrieren und gut dotierten Beratungsmandate nicht gefährden. Oder sie sind so stark indoktriniert, dass sie zu neuen Denkansätzen unfähig sind und sich nur im Kreis drehen, wie im obigen Artikel. Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass eine steigende/hohe Arbeitslosigkeit kein Grund zum Jammern ist. Eine drastische Arbeitszeitverkürzung und ein Grundeinkommen sind die Lösung, damit man die vorhandene sinnvolle (sprich: notwendige und von der Gesellschaft gewünschte) Arbeit besser verteilen kann.
Wirtschaft ist nicht dazu da, Arbeitsplätze für alle zu schaffen, sondern das gesellschaftlich notwendige und wünschbare Gütermanagement zu leisten: Rohstoffgewinnung, Verarbeitung, Produktion, Verteilung, Wartung, Entsorgung und die dazu notwendigen Dienstleistungen. Wenn alle Arbeit getan wird, die getan sein muss – wozu brauchen wir dann noch mehr Arbeit? Technologie, Fortschritt und Innovation nehmen uns Arbeit ab. Brachliegende Arbeitskräfte gibt es immer mehr. Na und?
Krise wäre, wenn wir das, was wir brauchen NICHT produzieren könnten! Krise wäre, wenn wir ZUWENIGE Arbeitskräfte hätten, um die Mitglieder der Gesellschaft angenehm leben zu lassen! Aber ZUVIELE Arbeitskräfte hingegen bedeuten doch keine Krise! Im Gegenteil: zum allseits verbreiteten Wohlstand, der schon deutlich in Richtung „Überfluss bis zum Hals“ geht, kommt ein Wachstum an Freizeit hinzu! Eine neue Wohlstandsära beginnt!
Früher musste hart gearbeitet werden, um nur wenig zu erreichen. Heute könnten wir viel weniger arbeiten und gleichzeitig in Saus und Braus leben. Was hat DAS mit Krise zu tun?
Aha, die Einkommensfrage! Einkommen dürfte einfach nicht mehr an die menschliche Arbeit gekoppelt sein, sondern dafür an die Maschinenarbeit. Die Maschine generiert Umsatz. Den müsste man einkommensversteuern. Diese Steuer würde in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens pro Kopf an die Bevölkerung verteilt. So arbeitet die Maschine – und der nicht arbeitende Mensch bekommt das Einkommen, damit er die Maschinen-Produkte kaufen kann.
Tatsächlich, die Besteuerung von Maschinen könnte so einige Denkansätze und Praktische Umsetzungen erheblich erleichtern…
Doch noch geht es primär um die immer rücksichtslosere Maximierung von Profiten und Renditen welche keinerlei positive Gesellschaftliche Relevanz haben. Zumindest für die meisten Menschen nicht… die sind nämlich ärmer geworden obwohl soviel „Wohlstand “ wie nie zuvor geschaffen wird (den ausserordenlich Rücksichtslosen Raubbau an unserer Umwelt hier mal nicht Berücksichtigt weil der immer noch „viel zu Gratis“ ist)
Noch gibt die WTO und deren unzählige Vertreter mit Ihren, zu aktuellen Herausforderungen, völlig quer stehenenden Regeln die Denkrichtung vor… es soll noch mehr liberalisiert werden… weitere Ziele und Horizonte gibt es bei den Verantwortlichen nicht?
In diesem Sinne könnte/sollte man eigentlich die gesammte Neoliberale Doktrin beseite schieben da diese zuviele Leichen hinterlassen hat. Was mein Lebenumfeld anbelangt so sind bisher alle Liberalisierungschemas in stetig steigenden Kosten, mieserabler Service und/oder Produktequalität einhergegangen… Tiefere Preise gibt es ab und zu, vergleicht man aber die Qualität der Produkte sind die meisten davon teurer als je zuvor…
Jeder soll zuerst an sich selber Denken, der auf immer höheren Podesten stehende Homo Oekonomicus als angeblich nur rational handelndes Wesen welches von nun an alles bisher dagewesene in allen Facetten überragt… überragen soltle. Doch der Preis für diesen globalen Irrweg haben erstmal die abhängig Beschäftigten als Einkommensempfänger aus den nationalen Steuersäckel bezahlt wärend die Vermögen > 1Mio. bereits wieder die Höhen von vor der Finanz- oder besser Ideologiekrise erreicht haben…
Die völlig von Regeln und daher auch von Sinn befreiten Märkte sollten angeblich Schaffen was keine Denkschule je zuvor geschafft hatte… ein Befreites Individuum welches dank seiner rationalen Hnadlungen ja keinen Schaden Anrichten kann… vorrausgesetzt alle Teilnehmer sind in Besitz der gleichen Information um diese Rationalität auch auf feste Fundemante stellen zu können…
Aber auch damit war es nicht’s…
Wo sind alle die Produktivitätszuwächse denn geblieben wenn nicht in den Gesellschaften welche diese erarbeitet haben? Wo? Die Wachstumsdoktrin ist in der Regel nicht’s mehr als ein Investitons- und somit Kapitalschutz… und hier darf man sich, um Erklärungen zu finden, ohne weiteres auf die allseits bekannten Alternativen stützen.
Die grosse Frage ist doch tatsächlich nocht nicht beantwortet… Wer versteht das Kapital denn nun besser oder richtig oder im intelligenteren Kontext, der Kapitalist/Investor oder der Sozialist/Arbeiter? Am Ende des Tages werden wir wohl nicht darum herumkommen auch hier ein „Yin und Yang“ d.h. eine Gleichwertigkeit von beiden zu akzeptieren…
@ Nadine Binswanger
Oops, jetzt haben sie soeben alle Menschen, die im Dienstleistungssektor (weil keine Maschinen) arbeiten mit einem Grundlohn ins Paradies geschickt. In der Schweiz würde das die Mehrheit aller Arbeitenden betreffen, was also von da her durchaus positiv wäre. Und da jene, die es benötigt, um die Maschinen am „Leben“ zu erhalten eh in der Minderheit sind (wenigstens in der Schweiz), wäre es auch nicht so schlimm, jene zur Zwangsarbeit zu verdammen. Sie haben ja immerhin noch ihren Grundlohn, also was solls. Von Krise könnte man auch nicht sprechen, wenn diejenigen im Paradies auf einmal auf die Idee kommen, warum denn jene, die arbeiten überhaupt einen Grundlohn benötigen (denn sie machen ja Zwangsarbeit). Eine Krise gibt es ja gemäss ihnen nur, wenn wir das, was wir brauchen NICHT produzieren könnten oder wenn wir zuwenig Arbeitskräfte hätten.
Ich kann zwar nachvollziehen, dass es aus der Schweiz heraus etwas schwierig ist, die Arbeitslosigkeit als grosses Problem zu erkennen. Aber wenn sie zum Beispiel in Südspanien wohnen, wo die Arbeitslosigkeit bei 27% liegt, kann ich ihnen garantieren, dass es sehr schwierig ist, um nicht über das Wort „Krise“ zu stolpern. Aber ihre Idee eines Grundlohnes für alle würde auch hier bestimmt grosse Zustimmung hervorrufen!
sorry, sollte @ Nadine Binsberger heissen!
Wenn in Südspanien die Arbeitslosigkeit bei 27% liegt, dann bedeutet das, dass die Arbeit, die getan werden muss, auch tatsächlich getan wird und dass es schlicht und einfach keine weiteren Arbeitskräfte benötigt. Es gibt schlicht nichts weiter zu tun. Da können doch die 27% nichts dafür. Oder sollen die anderen 73% einen Drittel weniger effizient arbeiten, damit die 27% auch mal dürfen? Naja, warum nicht. Jedenfalls sollten die 27% auch ein Einkommen haben – zumindest solange in unserer Wirtschaft ein Einkommen notwendig ist, um zu überleben.
Und was ist mit der Maschine, mit der sie gerade diesen Kommentar geschrieben haben, Frau Binsberger? Die müsste ja dann folgerichtig auch besteuert werden. Im Gegensatz zur industriellen Revolution, in der man auf die Fabrikanten und Industriellen zeigen konnte, weil sie, nach Marx’scher Leseart, im Vollbesitze der Produktionsmittel waren und damit auch alle Schuld an den sozialen Verwerfungen trugen, war es einfach, zwischen Schuld und Unschuld zu unterscheiden. Heute schreiben wir im NMTM-Blog auf unseren Maschinen fleissig Kommentare und schaffen unsere Arbeitskraft damit im übertragenen Sinne gleich selber ab- oder, langfristig betrachtet, die Arbeit von Markus Diem: die Blogsphäre lässt grüssen.
Das ist die Crux in der heutigen Zeit!
Ihren Einwand lasse ich nur gelten, wenn Sie auch der Ansicht sind, dass Sie, Marcel, fürs Geschirrspülen in Ihrer Küche einen Lohn bekommen müssten. Übrigens: über 50% der wirtschaftlich relevanten Arbeit wird unbezahlt verrichtet.
Klar ist, dass wir heute weniger Zeit zum Arbeiten aufwenden müssen als früher, um ein „angenehmes Leben“ zu führen. Das Problem mit einer hohen Arbeitslosenquote ist aber gerade, dass dabei die Personen gezählt werden, die GAR KEINE Arbeit haben. Ist in der Logik von Frau Binsberger nur ein begrenztes Arbeitsvolumen vonnöten um die geforderten Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen, und ist dieses Arbeitsvolumen kleiner als das Arbeitsangebot, so müssten eigentlich die Leute mit Vollzeitpensum etwas weniger arbeiten, damit auch auch die Arbeitslosen etwas zu arbeiten haben. So können alle Mitglieder der Gesellschaft ein „angenehmes Leben“ führen. In diesem Sinne plädiere ich für die Einführung der 35 Stundenwoche!
es muss alles viel schneller wachsen, vor allem auf meinem konto und alles andere ist pipegal.
Und was noch dazukommt. 0.5-1% des Wachstums in der Schweiz und mehr noch in den USA ensteht durch Bevölkerungswachstum, das pro Kopf-Wachstum ist um diesen Wert kleiner. Ewiges Bevölkerungswachstum ist aber nicht möglich, darum rechne nochmals…..