Warum Herr Spengler den Spengler Cup gründete

Der Lungenarzt Carl Spengler.

Ein Zugewanderter gründete den Spengler Cup: Lungenarzt Carl Spengler (1860-1937).

Seit bald vierzig Jahren verfolge ich den Spengler Cup mehr oder minder intensiv als Fernsehzuschauer. In all den Jahren habe ich mich aber keine Sekunde gefragt, wie der Spengler Cup zu seinem Namen kam, so etabliert ist die Marke. Erst im Zusammenhang mit einem Buch über den Davoser Pionier Hans Biäsch – Gründer des Instituts für Angewandte Psychologie (IAP) in Zürich – stiess ich auf die Spengler-Dynastie. Es ist eine faszinierende Geschichte, dazu auch sehr illustrativ für die schweizerische Wirtschaftsentwicklung. Den Davosern dürfte die Geschichte schon längst bekannt sein, aber nicht uns Ahnungslosen im Flachland.

Die Geschichte begann in Mannheim, wo der Student Alexander Spengler 1848 in Barrikadenkämpfe verwickelt war. Wie viele seiner Kollegen wollte er im Grossherzogtum Baden eine moderne Verfassung mit revolutionären Mitteln durchsetzen. Das Unterfangen misslang, Spengler musste über die Südgrenze in die Schweiz fliehen, um der Verurteilung zu entgehen. Er studierte darauf Medizin an der Universität Zürich und erhielt 1853 eine Stelle als Landarzt in Davos.

Spengler erkannte bald die Möglichkeit, aus Davos einen international bekannten Kurort zu machen, insbesondere zur Bekämpfung der Tuberkulose. 1868 gründete er zusammen mit dem Holländer Willem Jan Holsboer die Kuranstalt Spengler-Holsboer, wo dereinst Katja Mann einen mehrmonatigen Aufenthalt verbringen sollte – was ihren Gemahl Thomas Mann auf die Idee brachte, einen Roman zu schreiben. 1924 erschien der «Zauberberg». Spengler interessierte sich nicht nur für Lungenkranke, sondern auch für den Wintersport und war einer der Ersten, der ein Paar nordische Skier erwarb (heute im Wintersport-Museum Davos zu besichtigen).

Diese Leidenschaft gab er auch seinem Sohn Carl (1860-1937) weiter, der ebenfalls als Lungenarzt in Davos tätig war. Carl begeisterte sich vor allem für Eishockey und gründete 1923 den Spengler Cup, das älteste internationale Eishockey-Turnier. Damit verfolgte er auch politische Ziele: Er wollte nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs (1914-18) zur Völkerverständigung unter den Jugendlichen beitragen. Auch Carls Bruder Lucius, ebenfalls ein renommierter Lungenarzt in Davos, betätigte sich als Pionier: 1900 gründete er das Sanatorium Schatzalp, das 1954 in ein Hotel verwandelt wurde.

Die zugewanderten Vater und Söhne Spengler haben also fast im Alleingang das moderne Davos erfunden. Das ist äusserst typisch für die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz. Schon in der Frühen Neuzeit waren es zugewanderte Hugenotten gewesen, die für neue Impulse in der Uhren- und Textilindustrie sorgten. Den schweizerischen Alpinismus haben die Engländer erfunden. Die BBC wurde von Charles E. L. Brown, Sohn eines zugewanderten Engländers, und dem Deutschen Walter Boveri gegründet. Und so weiter und so fort. Die Schweizer Wirtschaft ist nichts anderes als ein Spengler Cup in grösserem Massstab.

Keine Kommentare zu «Warum Herr Spengler den Spengler Cup gründete»

  • Marcel Zufferey sagt:

    Richtig: Die Schweiz ist -auch- ein grosser Spengler Cup.

  • Werner Holliger sagt:

    Davos und Graubünden waren nicht nur Tätigkeitsgebiet des Herrn Spengler. Der im Artikel kurz erwähnte Willem Jan Holsboer sorgte dafür, dass Davos ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde – er ist der Gründer der nachmaligen RhB…

  • Silvie Blake sagt:

    Sollte dies ein Plädoyer für die ungezügelte Zuwanderung sein? Ausnahmen gab und gibt es immer wieder. Dann müsste man den Herrn Journalisten an die Brennpunkte, die durch die Immigration geschaffen werden, führen. Spengler’s werden auch heute noch gerne in der Gesellschaft aufgenommen.

  • Ueli sagt:

    Ach ja, die „Heldengeschichten“ des Kapitalismus werden wohl immer wieder dann ausgepackt wenn das Dach des „Systems“ am brennen ist. Aber gut…ich muss sagen, dass mir die Spengler-Dynastie um einiges sympathischer ist als die heutige „Elite“.
    Trotzdem sollte darauf hingewiesen werden, dass wir uns an einem ganz anderen Punkt der Entwicklung befinden und das die „gute alte Zeit der Gründerväter“ nicht mehr wiederkommen wird.

    • Andres Müller sagt:

      Heldengeschichten des Kapitalismus führen uns in die Verblendung. Es ist doch so dass jeder bemerkenswerte Aufschwung im Kapitalismus der uns berichtet wird von allen anderen Orten bezahlt werden muss über die wenig berichtet wird. Nur wenn der Wachstumsgewinn sozial gerecht verteilt würde, dann wäre nichts dagegen einzuwenden. Dem ist aber in der gegenwärtigen Ökonomie überhaupt nicht so, Reichtum wird durch das Erzwingen von Armut an anderem Ort erkauft. Das müsste nicht sein, das Ideal einer sozialen Marktwirtschaft könnte das Vermögesgefälle glätten. Das Zinseszins -System lässt das aber nicht zu, ebensowenig das monetarische Handelssystem der Gegenwart. Da der Handel globalisiert ist, fliesst Geld dorthin wo am meisten zu verdienen ist, und nicht dorthin wo Geld am notwendigsten wäre.

      Ungerechter wird die weitere Entwicklung der Märkte so oder so, je länger die letzte Währungsreform zurück liegt. Die aufgeblähten Vermögen der Reichen 1% der Weltbevölkerung werden durch den Schuldenberg der restlichen 99% gestützt. Ohne auf den Reset-Knopf zu drücken wird das Spiel immer ungerechter. Es ist nicht gerecht wenn jemand eine gute Idee hat und an einem Ort ein lokales Paradies produziert, wenn dieses auf Kosten der Anderen geschieht -genau so aber funktioniert der Kapitalismus. Mit guten Ideen versorge ich meine Freunde, während irgendwer abseits dafür bezahlen muss.

      Eine *gute Tat“ im Kapitalismus wird mit einer Bosheit an anderem Ort eingelöst. Wenn der Staat den sozialen Ausgleich abbaut, wie das nun geschieht, so wird jede erfolgreiche Investition gleichzeitig zum Totschläger -zum Kollateralschaden irgendwo auf dieser Welt. Das fällt den Menschen nicht so auf, weil die erfolreiche Investition viel auffälliger ist als der angerichtete Schaden -der sich meistens sehr fein über Tausende verteilt.

      Um diese Sache mal zu belegen, hier eine tolle Grafik über die Entwicklung der Lebensmittelpreise
      http://media.chrismartenson.com/images/GM-12-30-11-1-FAO-Food-Price-Index.jpg

      Wie ist die Grafik zu lesen? Wenn die Finanzwelt tatsächlich erfolgreich gerettet werden könnte und die Wirtschaft zum Wachstum zurückkehren würde -dann würden die Lebensmittlpreise steigen. Das würde heissen, Miliarden von Menschen müssten dafür büssen -weil derzeit die Netto-Löhne praktisch nirgends mehr steigen. Würde die Wirtschaft weiter in Rezession fallen, dann würden die Lebensmittlpreise zwar fallen, aber die Konzentration der Vermögen auf immer weniger Menschen würde zunehmen, die Mittelschicht erodieren und die Armen müssten mehr Einkommensverlste hinnehmen als die Lebensmittlpreise sinken würden.

      Diese Grafik belegt die Ungerechtigkeit des Finanzssystems, denn sein Erfolg erhöht derzeit die Preise für 99% der Menschheit und vermehrt das Vermögen der reichsten 1%. Im umgekehrten Fall des wirtschaftlichen Niedergangs wirkt das System ähnlich verlustreich für die 99% und dünnt die Reichsten von 1% auf vielleicht 0,5% aus. Diese 0,5% sind dann so reich wie zuvor die 1%. Man kann es drehen und wenden wie man will, die aufgeblähten virtuellen Vermögen und Schulden werden nun IMMER negativ auf die 99% der Menschheit wirken, solange keine Währungsreform oder Hyperinflation dem Spuk ein Ende bereitet. Alleine in den aufstrebenden Märkten wirkt das Wachstum noch förderlich für die Mehrheit, aber im gesammten Westen ist das nicht mehr der Fall und in den Entwicklungsländern auch nicht. Doch selbst in den emerging markets kommt derzeit kaum mehr Investitionskapital an die sich dort gerecht verteilt.

      • Thomas Ernst sagt:

        @Andres Müller:

        Der von Ihnen so hochgelobte Sozialismus hat in seiner nationalistischen (Nazi) und in seiner internationalistischen (UdsSR) Variante insgesamt etwa 30 Mio unschuldige, lebende Menschen gequält, gefoltert und vernichtet.

        Und die USA sind auf dem besten Weg, die nächste Runde nach den Nazi-Deutschen und den Russen zu demonstrieren. Wie wäre es mal mit Nachdenken??

        • Andres Müller sagt:

          Wenn Sie soziale Marktwirtschaft (die ich erwähnt hatte) mit Sozialismus verwechseln ist ihnen nicht zu helfen.

        • Ueli der Kapitalistenschreck sagt:

          @Thomas Ernst
          Ich vertrete hier zwar nicht die Meinung von Herrn Müller – dieser scheint mir zu fixiert auf die Verurteilung des Finanzkapitals. Aber ihre Pauschalverurteilung des Sozialismus ist einfach nur infantil und eine uralte Leier von konservativen Kräften. Ich distanziere mich ausdrücklich von Philosophen wie Slavoj Zizek, welche heute im Leninismus / Stalinismus noch „auf Teufel komm raus“ positive Ansätze entdecken wollen und bezeichne mich trotzdem als Marxist. Übrigens behielten die Nazis durchaus das kapitalistische Sytem bei und die Sowjetunion kann man getrost als staatskapitalistische Variante desselben betrachten.

  • Thomas Jordi sagt:

    Woher ist denn Alfred E. Escher eingewandert? Und wo tun wir Chevrolet hin?
    Etwas gar einseitig der Artikel. Aber es ist sicher so, dass Migranten vielfach sehr innovationsfreudig sind. Sonst würden sie übrigens auch nicht migrieren.

  • Urs Fellmann sagt:

    Auch der Gauleiter Schweiz der NSDAP, Willhelm Gustloff, war einer dieser Zuwanderer und gehörte bis zu seiner Ermordung zur Davoser Prominenz. Das Projekt mit der Versöhnung hat offensichtlich nicht funktioniert.

  • Andres Müller sagt:

    Das ahnungslose Bauerndorf ist das dankbarste Opfer eines Investors.

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