Die Ökonomie des Schenkens

Der Herbst ist Geburtstagssaison. Zu dieser Jahreszeit scheinen besonders viele Kinder auf die Welt zu kommen. Das ist zumindest mein Eindruck. Beide meiner Eltern, zwei meiner drei Söhne, meine Frau und ich selbst zählen dazu.

Zeit also, an Geschenke zu denken. Immerhin beginnt auch der Weihnachtsverkauf bald. Und damit auch Zeit für eine dringliche Warnung:

Die dümmste Geschenkidee sind Gutscheine!

Zumindest wenn die Beschenkten beglückt werden sollen und nicht die Verkäufer von Gutscheinen oder die Schenkenden selbst. Zu diesem Ergebnis führt eine simple ökonomische Analyse.

Das ideale Geschenk

Ein Gutschein hat erstens meist ein Ablaufdatum und zweitens einen sehr eingeschränkten Verwendungszweck: Lösen die Beschenkten den Gutschein nicht rechtzeitig ein, gehen sie leer aus. Davon kann ich ein Lied singen. Mit dem Gutschein schenkt man nicht das, was die Beschenkten am liebsten hätten, im besten Fall höchstens das, was die Schenkenden glauben, dass diese es möchten. Dieses Problem besteht allerdings bei jedem Sachgeschenk, weshalb eigentlich auch solche nicht wirklich ideal sind, sofern es um die Beschenkten geht.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn die Schenkenden eigene Absichten verfolgen: Wenn sie die Beschenkten zu einer bestimmten Handlung drängen wollen, ist der Gutschein das ideale Geschenk. Wenn sie ihnen einen bestimmten Gegenstand aufdrängen wollen oder damit eine offene oder versteckte Botschaft übermitteln wollen, trifft das auch auf Sachgeschenke zu – Seifen und Deos sind hier besonders heikel. Handeln Individuen also rational, steht beim gängigen Schenkverhalten nicht das Wohl der Beschenkten im Mittelpunkt, sondern das Interesse der Schenkenden selbst. Auch wenn dieses Interesse darin besteht, dass die Beschenkten über das Erhaltene an die Schenkenden denken und ihnen dankbar verbunden bleiben.

Dass Verkäufer am meisten von der Ausgabe von Gutscheinen profitieren, versteht sich von selbst. Sie kassieren das Geld sofort, ob der Gutschein je eingelöst wird oder nicht. Kein Wunder, werben sie noch so gerne mit Gutscheinen als perfekter Geschenkidee.

Doch was ist denn nun das ideale Geschenk, wenn das Interesse der Beschenkten im Zentrum stehen soll?

Richtig! Die beste Geschenkidee ist in diesem Fall Cash, pures Geld. Das Tauschmittel in seiner Reinform.

Die Inflation müsste schon gigantische Ausmasse annehmen, damit der Wert von Geld stärker schwindet als der von Gutscheinen. Mit Geld können sich Beschenkte überdies genau das kaufen, was sie am liebsten möchten; auch solche Dinge, die sie sich von den Schenkenden nie zu wünschen getrauen würden.

Warum in aller Welt hat das Schenken von Geld dennoch einen derart schlechten Ruf?

Nachtrag:

Belegt der obige Text, dass Ökonomen besonders gefühlsarm sind? Das scheinen einige Kommentare in dieser spannend geführten Auseinandersetzung zumindest zu suggerieren. Keinesfalls! Die ökonomische Analyse hat bloss den Vorteil, die Anreize zu klären. Nochmals: Geld ist nur das ideale Geschenk, wenn das Interesse der Beschenkten im Zentrum steht. Tut es aber nicht – und soll es wohl auch nicht. Das bestätigen praktisch auch alle Kommentarschreibenden. Die Schenkenden wollen nicht phantasielos erscheinen, schreiben einige – bloss ein weiteres Beispiel für deren eigenes Interesse. Ja, das Geschenk soll eine Botschaft über sie beinhalten: Zum Beispiel wie fantasievoll, sie sind oder wie mitfühlend, wie gut sie ihre Beschenkten kennen.

Darin besteht offensichtlich gerade der eigentliche Sinn des Schenkens: Letztlich in der Absicht, die Beziehung zu den Beschenkten zu stärken – auch eine Nutzenüberlegung.  Dass die Beschenkten zu höherem (materiellen) Nutzen kommen, ist dagegen nicht das wichtigste Ziel – sonst würden Geldgeschenke dominieren. Das klärt die Analyse.

Und ja – Weihnachten: Stimmt, da wäre die Geldlösung fast schon absurd. Man könnte gleich saldieren. Doch diese Absurdidät liegt immer vor, wenn Schenken zu einem reinen Tauschgeschäft wird. Auch das wird durch die Analyse schonungslos aufgedeckt. In diesem Fall wäre Saldieren tatsächlich die beste Lösung.

Keine Kommentare zu «Die Ökonomie des Schenkens»

  • anh toan sagt:

    Irgendwie ist der Artikel nicht konsequent: Sie fragen nach dem idealen Geschenk, wenn das Interesse des Beschenkten im Zentrum stehen soll, obwohl Sie richtigerweise analysieren, dass das Interesse des Schenkenden im Vordergrund liegt. Der Schenkende will beim Beschenkten in (positiver) Errinnerung bleiben. Der Errinnerungswert von Geldgeschenken ist gering, da das Geld durch Vermischung mit eigenem Geld „untergeht“ also nicht mehr identifizierbar ist, und sich somit das Geschenk nicht mehr mit dem Schenkenden verbinden laesst. (Man muesste jemandem so viel Geld schenken, dass das Geld dass er vorher hatte, irrelevant wird, ist man nicht Bill Gates, funktioniert dies nur bei Kindern oder wirklich Armen). Ideal sind unkaputtbare Sachgeschenke, und zwar luxorioese: Der Beschenkte freut sich ueber Geschenke, die er selber nie gekauft haette, weil sie ueberfluessig, nicht notwendig, oder zu teuer sind. Was er selber gekauft haette, ist nicht speziell fuer ihn und gibt dem Schenkenden keinen Erinnerungswert. (Bsp. Jemand der keine teuren Kugelschreiber kauft, wird wahrscheinlich einen hochwertigen Kugelschreiber auf Dauer schaetzen).

    Der Artikel zeigt die Denk- und Arbeitsweise von Oekonomen: Obwohl Herr Oekonom ziemlich ueberzeugt ist, dass eigentlich das Interesse des Schenkenden im Vordergrund steht, triftt er fuer sein Modell eine andere Annahme, und kommt dann zum Ergebnis, Cash sei das beste Geschenk. Er weiss auch ganz genau, dass er dies tut, darum relativiert er seine Aussagen immer mit „in diesem Fall“. Er macht dies, weil sich ein Artikel mit dem Ergebnis, Cash ist das beste Geschenk viel besser vermarkten laesst. Der Oekonom definiert die Parameter fuer sein Modell so, dass am Ende das von ihm gewuenschte Ergebnis steht.

  • Markus Schneider sagt:

    Das ist doch alles Quatsch. In Wirklichkeit muss ein „Sachgeschenk“ natürlich einen deutlich höheren Wert besitzen als das Geld, das stattdessen auch angenommen würde – murrend zwar, aber letztlich doch immer wieder gerne. Deutlich höher deshalb, weil der Schenkende selten den Geschmack des Beschenkten trifft und das irgendwie kompensiert werden muss.

  • Janine Müller sagt:

    Man stelle sich das nächste Weihnachtsfest vor: Alle schenken sich gegenseitig ein Couvert mit 100 Fr. drin. Ideal für Familien, die sich den Päcklikrieg ersparen wollen. Dann kann ich dann mit dem erhaltenen Geld, das ich gegen das geschenkte Geld eingetauscht habe, die Dinge kaufen, die ich sowieso gekauft hätte.

  • Also das ist ja mal wieder tüpisch Ökonom: Nur der reine Geldwert zählt, nur der Nutzen! Dass Geld vergleichsweise banal und phantasielos wirken könnte, auf den Gedanken kommt der Ökonom natürlich wieder einmal nicht 😉

    Und dass man sich beim Schenken von Gutscheinen sehr wohl mit den Wünschen und Bedürfnissen der Partnerin auseinandergesetzt hat, kann man damit unter Beweis stellen, dass man ihr nur Gutscheine von ihrem Lieblingsladen schenkt.

  • Nadja sagt:

    Wenn Du fürchtest als Almosenverteiler dazustehen kannst Du ja den entsprechenden Betrag im Namen des Geschenkempfängers spenden, es gibt genug sinnvolle Projekte, die unterstützungswürdig sind. Ich für meinen Teil mag Geldgeschenke sehr, da mein Haushaltsetat sehr knapp bemessen ist. In der Regel schenkt man ja den Menschen etwas, die man mag, also auch etwas kennt, vielleicht wäre ja auch eine gemeinsame Unternehmung, gemeinsam verbrachte Zeit etwas, das geschenkt werden könnte?

  • Eric Stassel sagt:

    Der Blogger liegt goldrichtig; nur Bares ist Wahres.

    • Whicked Wheezle sagt:

      Eric, noch einfacher waere es, wir alle geben uns gegenseitig unsere Bankverbindungen an und Geld wird elektronisch ueberwiesen.. dann sparen wir uns auch noch den Umschlag..? 🙂

      • Eric Stassel sagt:

        Wo wir schon beim Optimieren sind; weshalb überhaupt etwas schenken? Im besten Fall neutralisieren sich Aufwand und Ertrag; erhält man mehr als man gibt, kann ein schlechtes Gewissen zurückbleiben. Das schönste Geschenk an einen anderen Menschen läuft sowieso allen marktüblichen, ökologischen Überlegungen zuwider, handelt es sich dabei doch nicht um einen materiellen Wert, sondern um die eigene Zeit.

  • Oliver sagt:

    Ich teile die Erfahrung. Wir werden immer wieder Opfer dieses Phänomens: beschenken des Schenkens wilens. Mittlerwieilen ist es uns sogar lieber nichts zu erhalten.
    So haben wir zB an unsere Hochzeit sicher gegen 20 Vasen und Fruchtschalen erhalten, von denen die meisten im Altglas gelandet sind. Da wäre uns das Geld definitiv lieber gewesen.

  • Mike sagt:

    Genausogut könnte man fragen, warum es in Ordnung ist zum Weihnachtsessen bei der Schwiegermutter eine teure Flasche Wein mitzubringen, aber nicht in Ordnung ihr den Gegenwert der Flasche in Geld als Dank für das tolle Essen zu bezahlen. Sobald Cash im Spiel ist bewegen wir uns nicht mehr auf der privaten Ebene, sondern schalten automatisch auf den „Geschäftsmodus“, selbst wenn aus rein raionaler Sicht Cash das beste Geschenk wäre (das Beispiel stammt übrigens von Dan Ariely „Denken hilft zwar – nützt aber nichts“). Am Ende sind wir nun mal nicht rational, sondern emotional.

  • René sagt:

    „Warum in aller Welt hat das Schenken von Geld dennoch einen derart schlechten Ruf?“ – Ganz einfach: Der Schenkende setzt sich ziemlich stark dem Verdacht aus, sich keinerlei Gedanken gemacht zu haben oder den Termin verdaddelt zu haben. Beim Gutschein ist seinerseits immerhin eine Minimalleistung dahinter. Übrigens: Ich mag Gutscheine selber auch nicht besonders, habe aber entdeckt, dass ich so auch ab und zu zu überraschenden Einkäufen gekommen bin.

  • Cybot sagt:

    Interessanterweise ist das Schenken von Geld keineswegs in allen Kulturen verpönt. In Asien ist das in vielen Ländern völlig üblich, bei manchen Anlässen sogar das einzige sozial akzeptierte Geschenk. Da kann man sich schon fragen, wieso wir uns damit so schwer tun.

    • Chris Meier sagt:

      Richtig, auch in gewissen südländischen Kulturen verhält es sich so. Man gilt gar als Geizkragen, bringt man e.g. bei einer Hochzeit des Cousins „nur“ ein Sachgeschenk.

  • Tom sagt:

    Es kommt also nicht von ungefähr, dass die fantasielosesten Geschenke stets von HSG-Absolventen-Kollegen kommen…
    Etwas mehr Liebe bei Geschenken bitte!

  • Matthias sagt:

    Weil das schenken von Geld schenken um des Schenken willens ist. ;P Man schenkt halt was, weil man muss. Dazu kommt das man sich nichts überlegen muss.

    Für Kinder ist Geld sicher das beste Geschenk da sie sich kaufen können was sie wollen, für erwachsene? Vielleicht schenkt man dann besser nichts als nur Geld. Gibt sicher auch Menschen die sich verletzt fühlen. „Denkst du etwa ich brauche Almosen?“ oder sowas in der Art. 😉

    • isena sagt:

      Ich finde die Antwort von Matthias absolut richtig. Den Schenken bedeuetet doch auch, dass man sich Zeit nimmt und sich etwas einfallen lässt. Leider ist dies nicht immer ganz so einfach auf ein festes Datum hin, wie bspw. Weihnachten, Geburtstage usw. Ich handhabe dies deshalb so, dass ich meinen Liebsten dann etwas schenke, wenn ich etwas für sie sehe oder finde. Und wenn es dann doch mal auf einen Termin hin sein sollte, dann gestalte ich etwas persönliches. Ein Bild, einen Ausflug zusammen, Einladung zum Essen, Fotos, ein langer Brief, spezielle Gedanken, Sammlungen von Anekdoten der Freundschaft usw.

    • Cormalon sagt:

      Hallo Matthias – Ich nehm das Opfer auf mich. Wer zuviel von der Knete hat, dem nehm ich die damit verbundenen Sorgen gerne ab und stelle mich auch als pflegeleichter Geschenkempfänger zur Verfügung. 🙂 Cormalon

  • dha sagt:

    Mit einem anständigen Sachgeschenk signalisieren Sie Ihrer Frau immerhin, dass Sie sich mit ihren Wünschen auseinandergesetzt haben (Signaling-Theorie). Sie wird die von Ihnen in Kauf genommenen (Zeit-)Kosten zurecht als Ausdruck Ihrer Zuneigung werten. Cash ist demgegenüber das billigste Geschenk, das man sich überhaupt vorstellen kann. Eigentlich auch eine ziemlich simple ökonomische Analyse…

    • Patrick Tigri sagt:

      Hey, „Signaling-Theorie“. Dochdoch, mindestens eine 12 auf der 14-stufigen Buzzwordskala.

      (Inhaltlich bin ich einverstanden.)

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