Das Wundermittel Obamacare

Obamacare sei ein Jobkiller, behaupten die Republikaner um Donald Trump im US-Wahlkampf. Doch offenbar ist genau das Gegenteil der Fall.

Besser als erwartet: Bundesstaaten mit Obamacare verzeichnen einen Anstieg der Erwerbstätigkeit. Foto: Keystone

Politiker, die antreten, um das nationale Gesundheitssystem zu reformieren, haben einen schweren Stand. Lorbeeren sind keine zu gewinnen. Die Materie ist geradezu grotesk komplex. Und als ob das schon nicht reichen würde, legt sich der Reformer zwangsläufig mit wichtigen Interessenvertretern an: der Pharmaindustrie, den Krankenkassen, den Ärzten oder den Patienten. In den USA nahm Präsident Barack Obama 2009 diese gewaltige Herausforderung an. Sein Parteifreund Bill Clinton respektive dessen Ehefrau Hillary, die er 1993 an die Spitze einer Reformkommission setzte, waren daran gescheitert. Obama setzte sich durch. Die wichtigste Errungenschaft seiner Amtszeit ist die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung für alle Amerikaner: Obamacare.

Ausreichend gewürdigt für diese geschichtsträchtige Errungenschaft wird der ehemalige Präsident auch heute noch nicht. In den USA ist die Kritik an der Gesundheitsversicherung gross. Der Oberste Gerichtshof verbot 2012 Washington, sie obligatorisch landesweit zu lancieren. Nur 36 Bundesstaaten haben sie danach überhaupt eingeführt. Zwei weitere (Nebraska und Oklahoma) planen sie dieses oder nächstes Jahr. Der Rest, darunter grosse Staaten wie Texas und Florida, wollen von Obamacare nichts wissen.

Obamacare brachte Amerika wirtschaftlich voran

Kritiker führten an, dass das Gesetz vor allem wirtschaftliche Schäden verursachen würde. Amerikaner würden früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden, weil von nun an der Staat für ihre Krankenversicherung aufkommen würde. Unternehmen würden künftig Arbeitnehmer nur noch auf Teilzeitbasis einstellen, um die Versicherungspflicht zu umgehen. Das Congressional Budget Office sagte 2014 voraus, dass wegen Obamacare bis 2024 die Anzahl der Arbeitsstunden um bis zu 2 Prozent sinken und die Einkommen um 1 Prozent tiefer ausfallen würden.

Tatsächlich hat der «Patient Protection and Affordable Care Act», der 2010 Gesetz wurde, die USA nicht nur einen Schritt sozialer gemacht, sondern er hat das Land auch wirtschaftlich weiter gebracht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aufwändige statistische Untersuchung, die Ökonomen der britischen Bank Barclays durchgeführt haben. Während das CBO prognostizierte, dass wegen der Krankenversicherung die Zahl der Erwerbstätigen in den USA bis 2017 um zwei Millionen Personen schrumpfen würde, war der Effekt genau umgekehrt.

Jene Bundesstaaten, die das Gesetz in die Praxis umsetzten, verzeichneten einen Anstieg der Erwerbstätigkeit. Die strukturelle Erwerbsquote stieg dort durchschnittlich um 0,7 Prozentpunkte gegenüber jenen Bundesstaaten, die auf Obamacare verzichteten. Die Ausweitung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung hat in den USA zu einer Zunahme des Arbeitskräfteangebots geführt. Dieses Ergebnis ist auch deswegen wichtig, weil die in diesem Jahrtausend mit einer sinkenden Erwerbsquote zu kämpfen hat. Bis 2015 ist sie auf 62 Prozent zurückgegangen und befindet sich damit international nur noch im Mittelfeld. Seither hat sie sich stabilisiert, also in einer Phase, in der immer mehr Bundesstaaten die Krankenversicherung einführten (vgl. Chart). Der Einbruch im April 2020 ist auf den massiven Stellenverlust während des Corona-Lockdown zurückzuführen.

Quelle: Refinitiv

Obamacare sei ein Jobkiller, behaupten die Republikaner um Donald Trump im US-Wahlkampf. Es ist Zeit, dass mit dem überholten Vorurteil aufgeräumt wird: Die Demokraten gefährden mit ihrer Wirtschaftspolitik nicht Amerikas Wachstumspotenzial. Das Gegenteil ist der Fall. 

17 Kommentare zu «Das Wundermittel Obamacare»

  • Linus Huber sagt:

    „Seither hat sie sich stabilisiert, also in einer Phase, in der immer mehr Bundesstaaten die Krankenversicherung einführten (vgl. Chart).“

    Korrelation impliziert für sich allein genommen keinen Kausalzusammenhang. Das „Pro-Business“-Verhalten der seit 2016 amtierenden Trump-Administration dürfte zumindest mitverantwortlich für diese Entwicklung sein (z.B. der hohe Grad an Deregulierung, standortstärkende Massnahmen etc.).

    • Anh Toàn sagt:

      „Jene Bundesstaaten, die das Gesetz in die Praxis umsetzten, verzeichneten einen Anstieg der Erwerbstätigkeit“

      Der Beitrag redet über unterschiedliche Entwicklungen, dass willst Du nicht lesen, das geht nicht in Deinen Kopf, weil sonst wird Dir übel: Denn das passt nicht zu Deiner Realität im Kopf, das darf nicht sein, und wenn es wäre, wärst Du verunsichert, dann wird dir schwindlig, bist Du haltlos.

      Nein, Nein, Trump ist gut, Brexit ist gut, nur die Mainstreammedien verbreiten laufend linke Lügen.

    • Claire sagt:

      Ach Huber: Mal abgesehen, dass Trump leider erst seit dem 20.1.2017 am berserkern ist, würde ich viel eher von einem „PRO DEBT Verhalten“ sprechen. Seit Amtsantritt von Donald dem Dödel sind die US Schulden um 6500 Milliarden US$ angeschwollen — da sollte doch einem Anhänger der rechtslibertären Oekonomenschule wie Ihnen das nackte Schaudern kommen, aber da sind Sie einfach einmal mehr blind und blöd!
      Typisch Huber!

      • Claire sagt:

        Huber: Das Debt/GDP Ratio wird aktuell durch Schuldenzunahme und Abschwächung des GDP mit 132.5% eingestuft.
        Also auf dem Level, auf dem sich Italien lange vor Corona gehalten hat, gut mittlerweile sind die Zeiten auch vorbei.
        Das UK hat übrigens das erste mal seit 1963 (dem Jahr mit dem grossen Postzugraub) wieder die 100% Marke beim Debt/GDP überschritten. BoJo hat die Finanzen auch nicht so im Griff, gut das macht jetzt eh Rishi Sunak, der wirft das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus und wird immer beliebter. Der könnte Boris eines Tages noch politisch meucheln…

    • J. Kuehni sagt:

      Huber: „Das „Pro-Business“-Verhalten der seit 2016 amtierenden Trump-Administration dürfte zumindest mitverantwortlich für diese Entwicklung sein“…

      Zuvor präsidierte Obama über ein stetiges, 6-jähriges Wirtschafts- und Job-Wachstum (nachdem er das dubya’sche Shipwreck von 2008 halbwegs zusammengeflickt hatte), da hörte man aus der von ihnen hier repräsentierten ideologischen Ecke keinerlei Anerkennung seiner „Wirtschaftsfreundlichkeit“ sondern bloss Gegeifere über ein angeblich imminent drohendes „Dollar-Debasement“ aufgrund staatlicher Defizitausweitung (was—nebenbei & selbstverständlich—seit der Wahl Trumpolinis nicht die geringste Rolle mehr spielt).

      • J. Kuehni sagt:

        Noch unter Obama vertrat Paul Krugman die Meinung, dass die US-Wirtschaft im Regelfall viel zu gross, zu komplex und zu träge sei, um durch die täglichen Kapriolen von US-Präsidenten oder Kongressen gross beeinflusst zu werden, dass es daher in „normalen“ Zeiten unfair wäre, eine Baisse dem jeweiligen Präsidenten in die Schuhe zu schieben, aber umgekehrt natürlich auch unlauter, einen Konjunkturschub als Errungenschaft des Potus auszulegen. Die wahre Qualität einer Administration würde sich eigentlich nur langfristig oder dann unmittelbar im Krisenfall zeigen, wo politische Entscheidungen resp. deren Unterlassung den Unterschied zwischen Tag und Nacht bedeuten könnten…

        Ersteres behandelt der obige Artikel, letzteres braucht wohl keine nähere Erläuterung mehr.

        • J. Kuehni sagt:

          Herr Trumpolini beansprucht den (fragwürdigen) jüngeren Erfolg der US-Wirtschaft für sich alleine und lehnt jede Verantwortung für das US-amerikanische Corona-Debakel ab.

          Umgekehrt würde ein Schuh draus.

  • Ralf Schrader sagt:

    Aus gesundheitspolitischer Sicht ist das, was Obamacare genannt wird (ein schwachsinniger Ausdruck, weil da keine Care enthalten ist), der schlechtest mögliche Entwurf. Das Kosten- Nutzen- Verhältnis für die Zwangsversicherten ist katastrophal. Es schadet vielen und nutzt nur wenigen. Auf der anderen Seite nutzt es auch den beteiligten Versicherungen nicht genug, so dass auch die kein Interesse zeigen.

    Obamacare ist ein Lehrbuchbeispiel für politische Inkonsequenz, fachliche Unbedarftheit und inhaltliche Leere. Eine Demonstration für das, was der schreckliche O. darstellte, Möchte gern und kann nicht- Politik. Gut kam das samt dem O. weg.

    • Peter Dellsperger sagt:

      Ihre Behauptungen sind ein unfundiertes Nachplappern Donald Trumps. Auf Analysen wie die von Barclays gehen Sie gar nicht ein.

      • Ralf Schrader sagt:

        Ich referiere die Einschätzung der internationalen Fachwelt, zu der ich mich unbescheiden zähle. Auftragsstudien, egal von wem beauftragt oder durchgeführt, berücksichtige ich grundsätzlich nicht. Die sind im Resultat immer so, wie vom Auftraggeber gewünscht und bezahlt, also Makulatur.

        • Konrad Breen sagt:

          „unbescheiden“ – in der Tat.
          Nein, Schrader, sie gehören nicht zur „internationalen Fachwelt“. Denn wenn dem so wäre, hätten sie einen Job, statt Altersarbeitslosigkeit.
          Glauben sie eigentlich, das merkt niemand, dass sie hier 24/7 nur am Motzen sind? Glauben sie, ihre dauernde Besserwisserei würde hier für Expertise gehalten?
          Das macht niemand, der einen Job und Kompetenz hat – erst recht nicht, wenn man zur „internationalen Fachwelt“ gehört – und auch niemand, der eine erfolgreiche Karriere hinter sich hat.
          Das ist das Verhalten von jemandem, der das Gefühl hat, dass die Welt ihm etwas schulde, aber niemanden mehr, der IRL noch bereit wäre, es weiterhin anzuhören.

        • Hans Hasler sagt:

          Das heisst wohl übersetzt, dass Sie Ihre eigene Einschätzung referieren.
          Andere Leute nennen so was einfach eine Behauptung.

          Sie könnten natürlich statt Trumpschen Allegmeinplätzen konkret sagen was an Obamacare falsch sein soll. Nur habe ich den Verdacht, dass Sie dazu zu wenig zu sagen haben für eine Antwort.

        • Rolf Zach sagt:

          Es können sich von 100 US-Bürgern 10 eine Luxus-Versorgung leisten, 30 eine gute und weitere 30 eine mittlere. 70 haben also so etwas, was Frankreich und die Schweiz auch haben. 30 von 100 Amerikanern haben eine schlechte bis absolut miserable gesundheitliche Versorgung und dies betrifft auch ihre Kinder. Es werden also 30 % der Amerikaner auf den Misthaufen des Lebens geworfen und dies Herr S. ist nach ihrer Ansicht eine profitable Sache für die US-Volkswirtschaft. Man kann dies ja durchaus berechnen. Was ist gewinnträchtiger? Die US-Mehrheit muss sich im Gegensatz zu West-Europa weniger um die Misthaufen-Leuten kümmern und diszipliniert sie mit der Todesstrafe. Ist damit das Leben dort um einiges besser als bei uns? Dabei haben die USA die meisten Nobelpreisträger der Medizin.

    • Mauro Sini sagt:

      Herr Schrader, Sie befürworten immer was DT sagt, egal ob richtig oder falsch. Sie plappern immer das gleiche. Ohne Argumente. Sie sind einfach von sich eingenommen. Sehen Sie nicht, dass sie gar keine eigene Meinung haben?
      Ich mache Ihnen eine einfache Frage.

      Sollten alle Menschen das Recht auf medizinische Versorgung haben, ja oder nein?
      Sollten alle Menschen das Recht auf saubere Wässer und Luft, Lebensmitteln und Medikamente haben? Ja oder Nein?
      Meine Antwort ist Ja.

      Was antworten Sie?

      • Claire sagt:

        Sini: Ich glaube jetzt aufgrund der vielen Kommentare, die ich von Dr. Schrader schon gelesen habe, dass er jetzt nicht unbedingt ein 1:1 Trumpie ist, sondern einfach ein abgebrühter etwas gar zynischer Mediziner vermutlich schon im Ruhestand, der schon einige Leichen über seinen Tisch gehen gesehen hat (würde mich nicht wundern wenn er auch Obduktionen gemacht hat wie in den Krimis) und für den menschliches Leben inzwischen in etwa denselben Stellenwert hat wie die Gemüsedosen für den Dosenregalauffüller in der Migros.
        .
        Deformation Professionelle sagt man dem auch…

  • Rolf Rothacher sagt:

    Als wenn das eine mit dem anderen zu tun hätte. Obamacare richtete sich nur an Leute, die keiner dauerhaften Erwerbstätigkeit nachgehen und deshalb auch keine Krankenversicherung über den Arbeitgeber haben und an Selbstständig-Erwerbende. Obamacare hat sich als riesiges Dollar-Grab entpuppt, wo der Staat für jeden Versicherten mehr als 5’000 USD pro Jahr zuschiessen muss, mit stark steigender Tendenz. Gleichzeitig sind die Prämien teilweise von einem Jahr zum nächsten um mehr als 10% angestiegen. Und das bei einer Kostendeckung von bloss 60%.
    Darum sinkt auch die Zahl der Versicherten über Obamacare-Vehikel.
    All das wird im Artikel aber verschwiegen, denn es geht ja um Obama und der wurde längst heilig gesprochen, auch wenn er Kriege geführt hat.

    • Rolf Zach sagt:

      Ist eine Bevölkerung mit mehr kranken Leuten, die mit Leichtigkeit versorgt werden könnten, volkswirtschaftlich profitabler als eine die weniger Kranke hat. Es ist sehr profitabel für eine Volkswirtschaft, wenn sie Kinder aufweist, die nicht medizinisch behandelt werden und als Erwachsene jede Menge Gebrechen herumschleppen. Ist es für den Mittelstand profitabel, wenn die Krankenversicherungen mit Hilfe der Einzelstaaten und des Kongresses in Washington ihre Verpflichtungen so gestalten können, dass sie mit juristischen Tricks nicht zahlen müssen. Ist es besser mit dem US-Justizsystem mit Einzelfall-Prüfung im Gesundheitswesen herumzustochern, als mit einer klaren Gesetzgebung und einer effizienten Verwaltung die Sache gut abwickelt.

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