Was den Banken wirklich das Geschäft verdirbt

Die Negativzinsen seien eine grosse Belastung, klagen die Schweizer Banken. Diese Behauptung ist so nicht haltbar. Der Schuh drückt vielmehr anderswo.

Die Banken stehen unter Druck – aber nicht wegen der Negativzinsen: Paradeplatz in Zürich. Foto: Gaetan Bally (Keystone)

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Schweizer Banken bereits Anfang November eine Art Vorweihnachtsgeschenk gemacht. Seit 2015 müssen diese Negativzinsen von –0,75 Prozent auf jenem Teil ihrer Girokontoguthaben bei der SNB zahlen, der einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Dieser Freibetrag war seit Einführung der Negativzinsen das 20-Fache der vorgeschriebenen Mindestreserven. Doch Anfang November wurde der Betrag auf das 25-Fache angehoben.

Da die vorgeschriebenen Mindestreserven zurzeit im Durchschnitt rund 28-fach überfüllt sind, bedeutet dies, dass jetzt nur noch für etwas mehr als 10 Prozent der Gelder auf Girokonten tatsächlich ein Negativzins bezahlt werden muss. Zusammen mit einer zusätzlichen Erleichterung durch eine andere Berechnung der Unterlegungsperiode für die Mindestreserven dürfte diese Änderung die jährlichen Negativzinszahlungen der Banken an die SNB von bisher etwa 2 Milliarden Franken auf 1 Milliarde halbieren.

Das ist eine erhebliche Entlastung. De facto hat die Änderung für die Banken etwa den gleichen Effekt, wie wenn die SNB den Negativzins auf –0,4 Prozent und damit auf das Niveau der EZB angehoben hätte. Doch die Banken scheint diese Entlastung nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil: Die Kritik an den Negativzinsen hat seit September 2019 an Schärfe gewonnen, obwohl genau zu diesem Zeitpunkt bekannt wurde, dass die Banken ab November weniger zahlen müssen.

So erwähnt die Schweizerische Bankiervereinigung in ihrer im Oktober publizierten Kritik der Negativzinsen zwar die Erhöhung der Freibeträge und die damit verbundene Halbierung der Zahlungen. Doch schon im folgenden Satz wird von der weiterhin hohen Belastung für die Finanzbranche gesprochen.

Keine bedrohliche Abgabe

Doch was heisst hohe Belastung? In Wirklichkeit ist die Belastung geringer als die oben erwähnte Milliarde, weil die Banken die negativen Zinsen zum Teil an ihre Grosskunden wie Pensionskassen weitergeben. Der Pensionskassenverband Asip geht davon aus, dass die Vorsorgeeinrichtungen von den Banken mit etwa 400 Millionen Franken pro Jahr zur Kasse gebeten werden. Somit bliebe netto eine Belastung von etwa 600 Millionen Franken im Jahr. Und auch dieser Betrag ist noch zu hoch, weil andere Grosskunden inzwischen ebenfalls Negativzinsen bezahlen.

Setzen wir die 600 Millionen einmal zu den Gewinnen aller Banken nach Steuern des Jahres 2018 (siehe SNB, die Banken in der Schweiz, 2018) in Bezug, so würde die Nettobelastung selbst bei dieser grosszügigen Berechnung nur noch etwas mehr als 5 Prozent ausmachen. Unter diesen Vorzeichen stellen die Negativzinsen für die Banken keine wirtschaftlich bedrohliche Abgabe mehr dar.

Das Hauptmotiv für die 2019 aufgeflammte Kritik der Banken an den Negativzinsen dürfte deshalb ein anderes sein. Dieses Jahr sind die Zinsen für längerfristige Festhypotheken so tief gesunken wie noch nie. Deshalb verdienen Banken auch bei Hypothekarkrediten weniger als in der Vergangenheit. Zinsen für Hypothekarkredite sind aber für viele Banken die wichtigste Einnahmequelle. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Zinsen für Festhypotheken gerade 2019 nochmals gesunken sind, obwohl die SNB keine Änderung an ihrer Zinspolitik vorgenommen hat.

Neue Konkurrenz im Hypothekengeschäft

Die Gründe müssen wir im Ausland suchen. 2019 setzten die US-Notenbank und die EZB deutliche Zeichen, dass weitere Zinserhöhungen vorerst nicht zu erwarten sind. Deshalb muss die Negativzinspolitik der SNB wohl noch länger anhalten. Das hat dazu geführt, dass die Zinsen für längerfristige Staatsanleihen nochmals gesunken sind, da man in den nächsten Jahren kaum noch mit steigenden Zinsen rechnet. Die Rendite für Bundesobligationen mit einer Laufzeit von 10 Jahren fiel im November mit –0,6 Prozent so tief wie nie zuvor.

Bei dermassen unattraktiven Renditen schauen sich aber Finanzdienstleister oder institutionelle Anleger nach alternativen Anlagemöglichkeiten um. Eine relativ sichere Möglichkeit, noch etwas Geld zu verdienen, besteht darin, selbst auf dem Markt für Hypothekarkredite aktiv zu werden. Deshalb machen Versicherer und Pensionskassen den Banken das Geschäft mit teils deutlich tieferen Hypothekarzinssätzen zunehmend streitig. Diese verstärkte Konkurrenz zwang auch die Banken dazu, die Zinssätze weiter zu senken und damit ihre Gewinne zu schmälern.

Halten wir also fest: Die unmittelbare Belastung der Banken durch die Zahlung von Negativzinsen wurde mit der Erhöhung des Freibetrags durch die SNB Anfang November stark reduziert. Der 2019 gestiegene finanzielle Druck auf die Banken rührt vielmehr von der zunehmenden Konkurrenz auf dem hart umkämpften Markt für Hypothekarkredite, welcher die Zinsen weiter nach unten gedrückt hat. Mit dieser Konstellation müssen Banken in nächster Zeit wohl oder übel leben.

10 Kommentare zu «Was den Banken wirklich das Geschäft verdirbt»

  • Josef Marti sagt:

    Kommerzielle Banken die nicht wie die Grossen hauptsächlich von reichen Kunden in der Vermögensverwaltung und vom Investmentbanking leben können sind auf die Transformationsmarge angewiesen. Diese ist bei einer flachen Zinskurve stark zusammengedrückt, und bei Hypotheken gibt es keine individuellen Kreditmargen über welche man noch mehr herausholen könnte. Kommen die genannten weiteren Wettbewerber dazu dann wird es für das langweilige Banking immer enger, und man muss von der Substanz leben aufgrund noch laufender höherverzinslicher Langläufer aus früheren Zeiten, die sind jedoch bald alle ausgelaufen.

  • Anton sagt:

    Kein Wort darüber, dass wir einfache Büezer nichts davon haben. Immer weniger. Welcher Professor hat schon eine Ahnung vom einfachen Leben?

  • Josef Marti sagt:

    Das soll wohl ein Witz sein, die Mindestreserve von 2% der Depositen wird in der Praxis niemals auf das 20fache gehalten, das wären ja 40% der auf der Passivseite stehenden Verbindlichkeiten, so könnte jede Bank gleich dichtmachen. Die Ueberschussreserven sind kaum höher als 10%. Folglich gibt es gar keine Negativzinsbelastung für die Banken.

  • Martha deLouis sagt:

    Wer müsste da jetzt einschreiten? Finma?

    Ist eine grosse Sauerei. Vor allem, da der „Bonus“ nicht weitergegeben wird, sondern die Banken verschärfen den Kontoinhabern gegenüber die Situation immer mehr!

    • Anh Toàn sagt:

      Wenn da jemand einschreiten müsste, so die Weko:

      Wenn zuerst branchenfremde Anbieter in den Hypomarkt drängen müssen, damit die Preise sinken, liegt der Verdacht von Kartellabsprachen auf der Hand. Die Formulierung im Text schreit „Kartell!“: „Deshalb machen Versicherer und Pensionskassen den Banken das Geschäft mit teils deutlich tieferen Hypothekarzinssätzen zunehmend streitig. Diese verstärkte Konkurrenz zwang auch die Banken dazu, die Zinssätze weiter zu senken und damit ihre Gewinne zu schmälern.“
      Aber wie haben ja zum Glück kein EU Wettbewerbsrecht in der Schweiz, da darf das bestimmt so sein.

      • Anh Toàn sagt:

        Und noch etwas fällt mir auf: Die PK’s zahlen 400 Millionen der gesamten Milliarde, wenn auch nicht alles, so doch ein grosser Teil vom Rest „zahlen die Banken selber“: Anscheinend gelingt es den Banken nur, bei Pensionskassen Negativzinsen durchzusetzen. Ob man dies nun den PK’s oder den Banken vorwerfen soll, oder es tatsächlich so sein muss (mit geschickter Liquiditätsplanung braucht doch auch eine PK nicht so grosse Sichtguthaben, kommt ja laufend auch Cash rein für Beiträge), frag ich mich. Und ein bisschen habe ich den Verdacht, die PK’s lassen sich leichter von den Banken abzocken, als andere Grosskunden.

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