Die Heuchelei der Notenbankkritiker

Die «unkonventionelle» Geldpolitik der Notenbanken ist unbeliebt. Doch für tiefe Zinsen sind sie nicht alleine veranwortlich.

Unter Beschuss: Der Eingang der Schweizer Notenbank in Bern. Foto: iStock

Negativzinsen, Käufe von Staatsanleihen, Devisenmarktinterventionen: Die «unkonventionelle» Geldpolitik der Notenbanken ist unbeliebt, und die Warnungen vor ihren negativen Begleiterscheinungen häufen sich. Mit den Entscheiden der Europäischen Zentralbank, des Fed in den USA und auch der SNB in den letzten beiden Wochen wurde deutlich: An dieser Art von Geldpolitik wird sich auf nicht absehbare Zeit nichts ändern. So geraten auch die Notenbanker selbst immer stärker ins Feuer der Kritik. 

In Deutschland stellte das Boulevard-Blatt «Bild» Draghi nach dem Zinsentscheid der EZB sogar als blutsaugenden Vampir dar. Besonders lauthals schimpfen überall auch die Banken. Der Chef der Deutschen Bank warnt, die aktuelle Geldpolitik würde das Finanzsystem ruinieren. Bei seinen Kollegen in der Schweiz tönt es ähnlich.

Auch Politiker gefallen sich überall darin, auf der Geldpolitik herumzureiten. In den USA beleidigt der Präsident den von ihm eingesetzten Fed-Chef Jerome Powell öffentlich immer übler – allerdings in diesem Fall, weil er trotz gut laufendem Wirtschaftsgang deutlich tiefere Zinsen will. Allen Kritikern gemein ist, dass sie die Verantwortung für den Gang der Wirtschaft und die tiefen Zinsen bei den Notenbankern sehen. 

Schwäche ist eher Ursache als Folge

Dabei ist es umgekehrt. Viel eher liegt der Fehler der Notenbanken gerade darin, dass sie all jenen, die nun auf ihnen herumhacken, ermöglicht haben, ihre eigenen Aufgaben zu vernachlässigen. Das Paradebeispiel dafür ist die Eurozone. Ohne das Versprechen von Mario Draghi, notfalls – mit Geldspritzen – alles zu tun, um die Währungsunion zu retten, und ohne die massiven Geldschübe, die er in der Folge ins System gepumpt hat, wäre das Eurogebilde den Politikern schon im Jahr 2012 um die Ohren geflogen. 

Negativzinsen wären noch das geringsten Problem der Banken gewesen, wäre es dazu gekommen. Die Schwäche der europäischen Finanzinstitute ist mehr Ursache für die extreme Geldpolitik als die Folge davon. Und ohne den zu billigen Euro hätte Deutschland nicht die massiven Exportüberschüsse der letzten Jahre verzeichnet. Die deutschen Politiker, die jetzt Draghi beschimpfen, wären gezwungen gewesen, sich um die Strukturschwächen im eigenen Land zu kümmern. Trotz der Eurokrise von 2011 und 2012 haben es die politisch Verantwortlichen nicht geschafft, die Währungsunion nachhaltig zu stabilisieren. 

Es ist wahr, die extreme Geldpolitik ist an ihre Grenzen gekommen und die schädlichen Nebeneffekte drohen ihren Nutzen zu übersteigen. Niemand weiss das besser als die Notenbanker selbst. Sie wagen sich von dieser Politik aber so lange nicht zu verabschieden, wie jene nicht die Verantwortung übernehmen, die sie jetzt an die Notenbanken abschieben. 

Mit ihrem Vorgehen ermöglichen die Notenbanker aber den wahren Verantwortlichen nicht nur, nötige Schritte zur echten Lösung der anstehenden Probleme wahrzunehmen. Sollte es zur Krise kommen, lässt sich die Schuld dafür leicht wiederum an die Notenbanker abschieben. Das Terrain dafür ist bestens vorbereitet. 

37 Kommentare zu «Die Heuchelei der Notenbankkritiker»

  • Alex sagt:

    Würde das Finanzsystem überhaupt ohne ZBen funktionieren? Wie viele monetären Verluste müssten Menschen erdulden um Banken wie die Pest zu meiden?
    Wenn die Verantwortung für den Gang der Wirtschaft an den ZBen liegt dann sind Negativzinsen die Folge davon und nicht auch die Verantwortung. Da ist so ein Mandat das versucht wird zu erreichen. Es klingt für mich nach hohen Zinsen bei egal welcher Inflation (wem kann ich sowas verkaufen?).

    Gleiche Leier – EZB und Draghi rettet den Tag (verdammte Aufgabe einer ZB). Ich bin echt dafür Weidmann, Rehn, Knot, Holzmann den Posten zu überlassen und schauen was die Hawks bringen. Wenn es kracht kannst endlich den Ordos die Schuld für das Versagen geben. Werden sie zu Doves ist das Verrat an dem deutschen Sparer.

  • Jan Svoboda sagt:

    „Mit ihrem Vorgehen ermöglichen die Notenbanker aber den wahren Verantwortlichen nicht nur, nötige Schritte zur echten Lösung der anstehenden Probleme wahrzunehmen.“ So ein Mist, es gibt überhaupt keine politischen Schritte,die es ermöglichen würden die Probleme der kollabierenden Kreditblase zu lösen,die einzige Folge der schwachsinnigen ZB Politik wird sein, der unvermeidliche Crash wird um die weitere steigenden Schulden noch grösser. Wer es glaubt die Politik könnte so grosses Wachstum generieren, das ermöglichen würde die laufend steigende Kredite zu bedienen, geschweige den zu tilgen, der sollte sich untersuchen lassen. Könnte die Politik die oekonomischen Gestzmässigkeiten ausser Kraft setzen, hätte die UdSSR nicht zusammengebrochen, die hatten ja eine unbegrenzte Macht gehabt.

  • Claire Deneuve sagt:

    Ein Wunder hat sich Dr. Marc Meyer, der vehementeste und wirrste aller SNB Kritiker hierzulande noch nicht zu Wort gemeldet! Der schreibt schon seit Jahren vor allem im Inside Paradeplatz seitenlange Exposees inkl. Buchungssätzli und versucht damit die Geheimnisse und die Fehlverhalten der SNB aufzudecken.
    In seiner Paranoia hat er mir sogar auch schon auf Inside Paradeplatz unterstellt ich sei eine SNB Angestellte die im Auftrag von Jordan gegen ihn anschreiben würde!
    .
    Dieser Don Quixote aus Riehen hat es sich glaub zu seiner Lebensaufgabe gemacht die SNB gnadenlos zu attackieren und vor allem in rechtsbürgerlichen Kreisen eine Anhängerschaft gefunden, die alle davon träumen, dass es wieder einmal so sein würde wie es einmal war.
    Sorry das sind nun mal Tempi Passati!

  • Claire Deneuve sagt:

    Plus/Minus 33 Jahre dauerte das „goldene Zeitalter“ des hohen Wachstums von 1948 bis 1981, dann zeigten sich Risse im System mit der Rezession 1981/82 und hohen Inflationsraten und desolaten Zuständen auch im UK.
    Dann kam die „Erlöserin“ Thatcher auf die „geniale“ Idee der Realwirtschaft mit dem Big Bang 1986 ein dereguliertes Parallelsystem in Form eines gigantischen Finanzcasinos überzustülpen. Auch dort sprudelten zuerst die Gewinne, bis immer mehr Anbieter sich im Finanzglücksspiel versuchten und jetzt 33 Jahre später sind wir wieder am Anschlag, die Welt verschuldet wie nie zuvor, die Zentralbanken ratlos und weiteres Wachstum wird vielerorts nur noch mit Schulden generiert wie in USA oder China.
    Vor 2000 Jahren war auch schon mal ein „Erlöser“ nach 33 Jahren am Ende…

    • Linus Huber sagt:

      Thatchers Big Bang war einzig möglich, weil die Zentralbanken bereits darauf übergegangen waren, eine weltweite Kreditblase zu aktivieren. Nachdem 1972 der Goldstandard verabschiedet wurden, erlaubte eine neue ankerlose Geldpolitik nach PhD-Standard, welche über die folgenden 15 Jahre langsam und schrittweise eingeführt wurde. Da Volker diesem neuen Trend skeptisch gegenüberstand, wurde er in 1987 durch Greenspan ersetzt. Anlässlich des Crash von 1987 wurde die neue Geldpolitik, welche das Wachstum der Finanzwirtschaft befeuerte, offiziell eingeführt und nie mehr aufgegeben. Das Greenspan-Put garantierte der Finanzbranche, dass die Zentralbanken bei jeder Delle, welche die Spekulanten zur Kasse gebeten hätte, vermieden wurde. Das Kasino war eröffnet.

    • Linus Huber sagt:

      Die Idee, durch geldpolitischen Aktivismus das Wirtschaftswachstum zu erhöhen, respektive eine fällige Disziplinierung der Akteure zu vermeiden, ist das grundlegende Problem. Das gelegentliche Eliminieren von Ungleichgewichten, die Sicherstellung, dass die Risiken beim Risikonehmer verbleiben, sind Aspekte, welche das Anreizsystem und damit das Verhalten der Marktteilnehmer bestimmen. In Anbetracht der Gefahr von Fehlentwicklungen, welche sich nachträglich als Einbahnstrassen entpuppen, ist Vorsicht bei geldpolitischen Massnahmen immer angemessen. Es dürfen sich keine ungesunden Umverteilungsmechanismen einschleichen, welche schlussendlich durch die Bevölkerung auszubaden sind, und die Zentralbanken müssen ihre Funktion darin erkennen, der Gesellschaft und nicht den Banken zu dienen.

      • Anh Toàn sagt:

        „In Anbetracht der Gefahr von Fehlentwicklungen, welche sich nachträglich als Einbahnstrassen entpuppen, ist Vorsicht bei geldpolitischen Massnahmen immer angemessen. “

        Ja genau, man muss halt die QE’s vorsichtig machen und die Zinsen vorsichtig senken oder erhöhen, in Anbetracht der Gefahr von fehlentwickelten Einbahnstrassen:

        Woran erkennen Sie, dass Draghi, Powell und Jordan nicht vorsichtig handeln? Hat Greenspan nicht auch vorsichtig (nicht) gehandelt? Der Greenspan war doch ein Marktgläubiger, der hat doch gefragt, wie er es denn besser wissen könne als der Markt. „But how do we know when irrational exuberance has unduly escalated asset values,….“

        Sie verurteilen Greenspan und propagieren genau, was der machte. Vorsichtig nichts tun, es könnte falsch sein.

      • Anh Toàn sagt:

        „Es dürfen sich keine ungesunden Umverteilungsmechanismen einschleichen, welche schlussendlich durch die Bevölkerung auszubaden sind, und die Zentralbanken müssen ihre Funktion darin erkennen, der Gesellschaft und nicht den Banken zu dienen.“

        Eine harte Währung dient vor allem den Banken. Den Grossbanken um auf dem globalen Markt Gelder anzulocken. Der Industrie die auf dem Weltmarkt bestehen muss, dient eine schwache Währung mehr.

        Ganz salopp: Eine starke Währung ist gut für die, welche viel davon haben, eine schwache besser für die, welche sie sich verdienen müssen.

  • Röschu sagt:

    „Und ohne den zu billigen Euro hätte Deutschland nicht die massiven Exportüberschüsse der letzten Jahre verzeichnet“
    Das grundlegende Problem ist doch, dass (einmal mehr!) die Exportüberschüsse eines einzelnen Staates (Deutschland) der Währung einer ganzen Staatengemeinschaft (EURO-Zone) gegenüber gestellt werden.

    • Anh Toàn sagt:

      Die Kritik an der undifferenzierten Kritik der Notenbanken wird benutzt, um den EUR genauso undifferenziert zu kritisieren.

      Letztlich nützt der Euro den Exporteuren auch den schwächeren Volkswirtschaften mit tiefen Zinsen.

      • Claire Deneuve sagt:

        Fakt ist, dass die Euro-Zone alleine betrachtet in den letzten Jahren zw. 190 bis 270 Mrd € Handelsbilanzüberschuss gemacht hat, die EU als ganzes aber ein leichtes Handelsbilanzdefizit von akt. ca 30 Mrd € aufweist. Die Nicht € EU-Länder haben also Defizite gemacht, allen voran Handelsbilanzdefizitvizeweltmeister UK – aber die sind ja vielleicht schon bald draussen oder vielleicht auch nicht…

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/15640/umfrage/handelsbilanz-der-eu/

        • Hansueli Wermelinger sagt:

          Fakt ist auch, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer ungleich gestiegen ist. Das Kapital der Reichsten ist um 70% seit 2009 gestiegen und dies der Normalbürger lediglich um etwas im tiefen zweistelligen Bereich. 0.29% der Bevölkerung besitzt ein Drittel des Volksvermögens. 55% haben nicht mal 50k auf der Seite.

          • Rolf Zach sagt:

            Die EU überlässt die Politik bezüglich der Verteilung von Einkommen und Vermögen den einzelnen Mitgliedsländern, obwohl alle Mitgliedstaaten der EU die Europäische Sozialcharta ratifiziert haben. Die Charta deklariert nur ideale Ziele, aber sie verpflichtet die Mitgliedsländer nicht diesen Idealen zielbewusst nachzufolgen. Es sind reine Kann-, nicht Muss Formulierungen. Der einzelne EU-Bürger hat nicht das Recht, diese gerichtlich einzuklagen. Aber diese
            schwammige Grundsatzerklärung genügt der Economiesuisse in aller Schärfe davor zu warnen und bei Blocher verursacht sie Alpträume. Einer der hauptsächlichsten Gründe, dass er und seine Tochter Martullo gegen die EU und sogar den EWR-Beitritt sind. Eine Kriegserklärung gegen den Schweizer Sozialstaat.

          • Rolf Zach sagt:

            In der Schweiz haben wir die tiefste Hauseigentümer-Quote von ganz Europa mit 42 %. In meiner Wohngemeinde ist jedes Baby mit mehr als einer halben Million SFr hypothekarisch verschuldet. Eine verrückte Sache! Trotzdem sind wir das bürgerlich konservativste Land in Europa mit dem tiefstem Misstrauen gegen den Sozialstaat sogar in der Form einer AHV.
            Die meisten Schweizer glauben wirklich Frau Martullo sei unser Tell für den Schweizer Sozialstaat, den sie sich erträumen und fürchten dieser besondere Sozialstaat werde durch die EU zerstört. Wir Schweizer handeln als Gläubige für Martullo und nicht mit dem rationalen Verstand als Stimmbürger. Der Gini-Koeffizient wird sich weiter zuungunsten von 99% des Schweizer Volkes entwickeln. Keine Änderung in den Oktober-Wahlen!

  • Röschu sagt:

    „An dieser Art von Geldpolitik wird sich auf nicht absehbare Zeit nichts ändern“ Also wird sich Ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit etwas ändern? Oder wie ist diese doppelte Verneinung zu verstehen?

  • Benjamin sagt:

    Alles schönes Gerede. Die Verantwortung wird einfach delegiert. Wohin ist völlig egal. Die Menschen die sich über die Jahre auf das Gerede der Politik, der Pensionskassen, der Unternehmen und tausender anderer Spezialisten verlassen haben um zu sparen sind damit die völlig dummen. Sprüche wie es gibt nichts bessers als „unser“ 2-3 Säulen Pensionssystem wurden zur allgemein gültigen Wahrheit wärend man die Menschen kaltblütig über den Tisch zieht. Kommt zusätzlich noch dazu das die Ersparnisse in den PKs ebenfalls den gleichen Weg gehen und zu einem Muster ohne eigenen Wert verkommen. Im finsteren wird an der illegalisierung von Bargeld gearbeit so wie der IMF, tut es ebenso die SNB, beide als mächtige Fürsprecher erkannt wurden um den kleinen Sparern alle Fluchtwege zu nehmen…

    • Rolf Zach sagt:

      Ich kann Ihnen nur dahingehend antworten, dass in unserem System der zwei Säulen von 100 SFr Einzahlung in die AHV Sie 99 SFr zurückerhalten und bei der Einzahlung in Ihre Pensionskasse 90 bis 92 SFr.
      Ohne AHV würden 75 % der Schweizer Rentner in der Armut darben und für ihre Erben gäbe es gar nichts.

      • Hansueli Wermelinger sagt:

        Das ist ja das Problem: in guten Wirtschaftszeiten (nach den 30-ern bis heute) funktioniert das System der AHV und PK, nicht aber in Zukunft, wenn die Minuszinsen und das drohende Platzen der Asset-Blasen Löcher in die Pensionskassen und die AHV reissen. Dann, wenn man die AHV am meisten benötigen wird, werden die Gelder zu einem grossen Teil verloren sein.

        • Anh Toàn sagt:

          Die AHV holt sich dann die Gelder, wenn diese benötigt werden, dort wo man sie holen kann: So funktioniert ein „Umlageverfahren“. OK, es gibt den Ausgleichsfonds, aber der ist nicht systemwesentlich.

  • Peter Waldner sagt:

    Zitat: „Der Chef der Deutschen Bank warnt, die aktuelle Geldpolitik würde das Finanzsystem ruinieren.“

    Sie ruiniert „Geld“ als Zahlungsmittel (Tauschmittel). Egal ob als Münzen und Noten oder in Form von Bits und Bytes in Computern.

    „Geld“ kann nur seinen Wert verlieren, je mehr davon in die Märkte gepumpt („gedruckt“) wird. Negativzinsen beweisen nachgerade, das „Geld“ unproduktiv geworden ist. Der Weg muss folglich zwingend weg vom Geld in die Sachwerte führen, die man dann tauschen kann. Der Weg zurück zum „Warengeld“ scheint signalisiert.

    • Rolf Zach sagt:

      Was Sie da uns erklären, ist in der Praxis irrelevant.
      Geld lebt vom Vertrauen, dass die Leute in eine Währung setzen. Warum gibt es Negativzinsen im SFr? Der SFr ist trotz einer kleinen Volkswirtschaft das ultimative Beispiel des Vertrauens in eine Währung weltweit und deshalb ist die Nachfrag nach SFr nicht mehr volkswirtschaftlich gerechtfertigt. Meinen Sie die EZB könne so handeln, wie es tut, wenn die Euro-Zone eine Währung hätte Brasilien und Argentinien? Sie müssen nicht in den € investieren, aber bestimmt wird Ihnen jeder abraten, Real- oder Pesos-Anleihen zu kaufen.
      Was Ihr „Warengeld“ angeht, wird sich dies überhaupt nie einstellen, das bisherige System bleibt.

      • Peter Waldner sagt:

        Ja, klar Herr Zach. Stimmt schon, was Sie schreiben. Nur – fällt Ihnen auch auf, dass der steigende Wert des CHF nicht nur das „ultimative Beispiel des Vertrauens“ sein könnte, sondern auch des Misstrauens gegenüber anderen Währungen? Wenn das Misstrauen den Real oder Peso betrifft – wohlan. Aber auch in diesem Ausmass EUR, USD und GBP? Die Währungen der grossen Wirtschaftsmächte? Auch aus ihnen, wichtigen Leitwährungen, wird bei der kleinsten Unsicherheit in Gold und CHF „geflohen“; und das finde ich nicht normal. Genau so wenig wie die Tatsache, dass der Besitz von Geld inzwischen unproduktiv, ja sogar kontraproduktiv geworden ist, was für den „Wert“ des Geldes an sich ja wohl bezeichnend ist.

  • Walpurga Müller-Schmidt sagt:

    Meine Kritik an EZB und SNB war und ist, dass hier auf Kosten der Normalverdiener unwirtschaftliche Unternehmen und Staaten finanziert werden. In der CH werden hier Unternehmen geschützt, die mit einem durch den Markt erzeugten Frankenkurs nicht konkurrenzfähig sind. Das gleiche in der EU: Schutz von Unternehmen/Staaten, die ihre Schulden zu marktüblichen Zinsen nicht bedienen können. Wer zahlt? Alle die eine Altersversorgung brauchen. Es ist richtig, es hätte Pleiten gegeben, auch Arbeitslose, aber Pleiten sind im Kapitalismus ein reinigendes Gewitter. Das reinigende Gewitter wird jetzt nur grösser, aber es kommt. Unvorstellbar grosse Beträge sind aktuell investiert in Unternehmen, die eigentlich tot sind. Das Abrechnung für Draghi und die SNB zahlen dann wieder alle.

    • Rolf Zach sagt:

      Solche Antworten liebe ich besonders, vor allem wenn sie derart stur ideologisch daherkommen. Lesen Sie bitte die Wirtschaftsgeschichte der Stadt Zürich in den 30er Jahren, wo Stadtpräsident Klöti die Escher Wyss und deren Arbeitsplätze rettete. Nach Ihnen ist dieser Klöti ein Dummkopf und versteht den Kapitalismus nicht.

    • Claire Deneuve sagt:

      Viel scheinen Sie auch nicht begriffen haben Frau Walpurga-Schmidt. Das Problem der CH resp. der SNB ist, dass seit der Finanzkrise rund 600 Mrd Fluchtgelder in den „sicheren“ Frankenbereich geflossen sind und die die Währung überbewertet haben.
      Das hat nicht viel mit einem „normalen Markt“ zu tun und da musste die SNB entgegenstemmen. Es sind auch nicht die Leistungsbilanzüberschüsse die den Franken so hoch getrieben haben, denn ein Grossteil derselben wird von CH Firmen wieder im Ausland reinvestiert und die Dividenden fliessen auch zu über 80% ins Ausland!
      Es gibt in der CH meines Wissens auch nicht sehr viele „Zombiefirmen“, die nur noch dank Mindestzinsen weiter existieren können und den Banken schaden diese Tiefstzinsen eh, weil das Zinsgeschäft stark weggebrochen ist.

  • Hansueli Wermelinger sagt:

    Herr Diem, ihr Plädoyer für die Notenbanken in Ehren, aber gerade das Wort Verantwortung ist den Notenbankern fremd. Stehen sie denn für die Konsequenzen, die durch dieses unverantwortliche Handeln ohne Zweifel entstehen werden, persönlich ein? Man muss sich bewusst sein, dass auf die gesamte weltweite Wirtschaft eine Modellannahme angewendet wurde, die noch nie in der Geschichte der Menschheit in diesem Umfang umgesetzt wurde. Martin Armstrong sagt, es gab schon mehrmals in der Geschichte den Versuch mit Null- oder Negativzinsen eine Wirtschaft wieder ins Lot zu bringen und jedes Mal scheiterte der Versuch. Weshalb sollte es nun gelingen? Macht das Mass den Unterschied oder ist es nur mehr der selben Medizin, weil weniger nicht wirkt?

    • Claire Deneuve sagt:

      Wermelinger: Handelte denn die FED 1930 verantwortlich, weil sie unter dem Druck des Goldstandards die Geldmenge massiv verkürzte und Ende 1931 wegen diesem esoterischen Glauben ans gelbe Metall mitten in einer deflationären Depression die Zinsen in einem Quartal um 2% angehoben hat und die Systemkrise nochmals verschlimmerte.
      Erst 1933 wurde man dann etwas gscheiter und liess von diesem tödlichen Goldanker ab.
      .
      Eben genau die Fehler von damals wollten Bernanke & Co nicht noch einmal begehen.
      So wärs rausgekommen mit Ihrer Vorstellung von „Verantwortung“:
      https://www.federalreservehistory.org/essays/banking_panics_1931_33

      • Hansueli Wermelinger sagt:

        Ich weiss, Bernanke wollte genau die Krise der 30-er vermeiden und wie es so ist, steuert vom Regen in die Traufe. Das, was man in den 30-er Jahren als Krise erlebte wird wie ein Spaziergang sein mit dem was kommt. Da braucht man kein Prophet zu sein. Zudem ist dies auch nicht nötig. Es geht ja darum, ob man für so einen Fall gerüstet wäre. Aber anstatt die Zeit zu nutzen und sich vorzubereiten verwenden die meisten die Zeit damit, den Kopf noch tiefer in den Sand zu graben und diejenigen zu denunzieren, welche die Gefahren aufzeigen.

        • Claire Deneuve sagt:

          Wermelinger: Die Papierliwerte aller Finanzinstitutionen sind seit 2002 von 129 Billionen auf 382 Bio per Ende 2017 gestiegen und übertreffen mittlerweile auch die realen Sachwerte wie Immobilien, Mobilien, Infrastruktur und Produktionswerte um gut 100 Bio $.
          Die Financialisation der Wirtschaft ist nur eine Seifenblase, die vor allem Finanzakteure wohlhabend gemacht hat und die haben diese Möglichkeiten ausgereizt bis zum geht nicht mehr und darum müssen wir uns über die aktuelle Situation nicht wundern. Selbst nach 2008/09 wurden nur ein paar kosmetische Aenderungen in dem Bereich vorgenommen!
          Und wie bereiten Sie sich denn konkret vor? Mit dem Kauf von Gold etwa? Ist auch nur eine Illusion. Dann schon lieber ein energieautarkes Haus, einen grossen Schrebergarten & eine Waffe!

          • Hansueli Wermelinger sagt:

            Nein, Gold ist nicht die Lösung. Als Vorbereitung sehe ich nicht nur materielle Massnahmen. Es ist am Anfang wichtig, sich überhaupt damit auseinander zu setzen, was es für Auswirkungen hätte, wenn es so kommt, wie befürchtet. Expect the worst, hope for the best. Seine persönliche physische und geistige Fitness steigern, eine eigene Währung kreieren. Ich meine damit, etwas zu können, was in der Krise Geld wert ist, z.B. handwerkliches Talent, oder Nahrung anbauen können, irgend etwas in der Art. Verbindlichkeiten reduzieren, Marktrisiken reduzieren oder eliminieren, in Agrarland investieren, in ein eigenes Unternehmen investieren, welches in einer Krise wasserdicht wäre, usw usf. – vor allem, Hebel rausnehmen, eventuell sogar ins Ausland abwandern.

      • Linus Huber sagt:

        Das Problem entstand ja nicht unter Bernanke, sondern unter der fehlgeleiteten Geldpolitik von Greenspan. Die Ausweitung des Kreditvolumens weit über dem Wirtschaftswachstum in den 80ger und 90ger Jahren, welches mit der ankerlosen Geldpolitik nach PhD-Standard schrittweise Einzug hielt, ist dafür verantwortlich.

        Es ist unsinnig, darüber zu klagen, dass der Wagen bereits in der Scheisse steckte, und vermeidet den Grund dafür zu benennen.

        • Hansueli Wermelinger sagt:

          Da müssten Sie noch weiter zurück in der Geschichte um den Schuldigen festzustellen. Nämlich zurück zum Gründungstag der 1. Notenbank auf der Welt. Damals wurde eine Krise dazu benutzt, diese einzuführen. Es gab Gegenstimmen, doch diese wurden auf verschiedene Weise zum verstummen gebracht.

  • Rolf Rothacher sagt:

    Die Notenbanker haben bereitwillig der kurzsichtigen Politik gedient. Und da Notenbanker ziemlich frei entscheiden können (im Rahmen ihres Auftrags), müssen Draghi & Co. auch die Verantwortung tragen. Denn selbst im Euro-Raum wäre ab 2015 ein stetiges Ansteigen der Zinsen möglich gewesen. Damit hätte man zwei Dinge erreicht:
    Die faulen Unternehmen wären untergegangen.
    Die Staaten hätten Reformen einleiten müssen.
    So wurden 10 Jahre insgesamt erkauft, ohne jeden Nutzen für die Zukunft. Billionen wurden wegen fehlender Zinsen fehl-allokiert. Tausende von neuen Firmen, die nie genug verdienen werden, um zu überleben, sind die Folgen dieser einfältigen Vorgehensweise der Notenbanker. Draghi & Co. haben bewiesen, dass sie nichts von ihrer Arbeit verstehen.

    • Rolf Zach sagt:

      Ihre Weltbild in Ehren. Ich sage Ihnen folgendes, ohne den Euro wäre Europa nach 2008 im Elend ertrunken. So hatte es eine Handhabe 2012 trotz all dieser hochkarätigen Propheten, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Aber Sie wollen ja die Wiederholung dieser unsäglichen Währungsgeschichte, die wir in Europa nach dem Krach von 1929 in den USA erlebt haben.
      Ihr Reformkonzept basiert wahrscheinlich sowieso aus der Vernichtung unseres Sozialstaates. Es gibt in Zürich zuwenig Obdachlose. Wir müssen mehr davon haben.

    • Claire Deneuve sagt:

      Rothacher: Immer dieselben Sprüchli mit den Reformen und dann würde alles gut werden! Wenn die Zinsen nach 2012 aber bei 7-8% oder mehr für den Club Med geblieben wäre, dann wären die einfach mit der Zeit zusammengebrochen unter der Zinsknechtschaft und die Flüchtlingsbewegung 2015 wäre noch viel dramatischer ausgefallen.
      Wäre dann vermutlich das Ende der EU gewesen, aber das wäre so oder so Ihre Absicht gewesen Rothacher!
      Und wie Herr Zach schon richtig schreibt, das wäre wie ab 1930 rausgekommen, allenfalls ein paar billige rechtsreaktionäre Heilsversprecher und Finanztrickser wären an die Macht gekommen und ein paar Jahre später hätten wir dann vermutlich erneut einen Weltkrieg gehabt wie damals. Rechtspopulisten hatten noch nie ein funktionierendes Wirtschaftskonzept!

  • Claire Deneuve sagt:

    Dann wollen wir doch mal schauen wieviele nette Jahre uns die Zentralbanken noch zusätzlich raustricksen können mit ZIRP und NIRP, QE’s ohne Ende und zum Schluss wird alles in einer Bad Bank endgelagert im Mistkübel des Spätkapitalismus.
    Die Staaten müssten ihre Infrastrukturwert nur den Nationalbanken übertragen, dann könnte man die leidenden Papiere in die Bad Bank auslagern und das ganze Spiel noch sicher nochmals 10-20 Jahre weiterspielen. In der CH beträgt der Wiederbeschaffungswert der öffentlichen Infrastruktur immerhin eine Billion gemäss Schätzungen, das wäre doch z.B. ein nettes Collateral.
    .
    Kurzum den geldpolitischen Möglichkeiten sind mit etwas Phantasie keine Grenzen gesetzt, da wird noch einiges auf uns zu kommen.

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