Das wird teuer, liebe Italiener

Gescheitertes populistisches Experiment: Zeitungsmeldung zum Abgang des Lega-Chefs Salvini. Foto: Reuters/Yara Nardi

Die Regierungskrise in Italien ist vorüber. Vergangene Woche hat eine neue Koalition ihre Arbeit aufgenommen. Das populistische Experiment aus der Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S) und der rechten Lega ist gescheitert. Nun hat sich M5S als Juniorpartner die Sozialdemokraten des Partito Democratico und kleinere Splitterparteien ins Boot geholt. Der Premierminister, Giuseppe Conte, bleibt zwar der gleiche. Aber der angekündigte politische Kurs ist deutlich europa- und vor allem eurofreundlicher. Daraufhin hat sich die Risikoprämie von Staatsanleihen stark zurückgebildet. Der Spread – also die Zinsdifferenz – zwischen zehnjährigen italienischen BTPs und deutschen Bundesanleihen fiel vergangene Woche zum ersten Mal seit Mai 2018 unter 150 Basispunkte (Bp). Inzwischen beträgt er nur noch 133 Bp.

Quelle: Refinitiv Datastream

Quelle: Refinitiv Datastream

Damit herrschen wieder ähnliche Bedingungen wie im Frühjahr 2018, als von einer Koalition aus M5S und Lega noch nicht die Rede war. Ist also wieder alles beim Alten? Mitnichten. Die vorübergehende Ausweitung des Spreads erhöht die Staatsrechnung um 20 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität CSC in Mailand.

Dazu kalkulieren die Ökonomen den Spread von Juni 2018 bis Juli 2019. Sie nehmen ein Szenario an, bei dem der Aufschlag für den gesamten Zeitraum 131 Bp betrug, also auf dem am 15. Mai 2018 gemessenen Schlussstand verharrt. Dem stellen sie die tatsächliche Zinsentwicklung gegenüber. Der Spread stieg zeitweise über 300 Bp und betrug im Durchschnitt das Doppelte des Ausgangswerts. Denn Regierungsmitglieder dachten öffentlich über einen Austritt aus dem Euro nach, spekulierten über die Einstellung von Schuldenzahlungen und die Einführung einer Parallelwährung.

Auch wenn das nicht allzu ernst zu nehmen war, erschreckte es Anleger im Ausland. Sie mieden italienische Staatsanleihen, worauf deren Kurs sank und spiegelbildlich dazu die Verzinsung stieg. Wird berücksichtigt, dass der italienische Staat in den 14 Monaten neue Staatstitel im Wert von fast 400 Mrd. € emittierte, lassen sich die Mehrkosten berechnen (vgl. Tabelle).

Die höchsten Kosten fallen 2019 und 2020 an. Das hängt damit zusammen, dass die Tresorerie vorwiegend neue Geldmarktpapiere ausgab. Ihre Laufzeit beträgt sechs bis zwölf Monate. 2019 und 2020 steigt der Finanzierungsaufwand wegen des hohen Spreads um 6,1 Mrd. €. In den Folgejahren sinken die Kosten zwar, liegen aber bis 2025 immer noch über 1 Mrd. € pro Jahr. Insgesamt beläuft sich der höhere Zinsaufwand infolge der Spreadausweitung auf 19,5 Mrd. € und wird die Staatsrechnung noch bis 2038 belasten.

Hätte Italien auf das populistische Regierungsexperiment verzichtet oder hätten sich die neuen Mehrheitsführer in Rom wenigstens ihre Euroaustrittsrhetorik verkniffen, wären dem Staat fast 20 Mrd. € an zusätzlichen Zinsaufwendungen für die Schulden erspart geblieben. Die Zeche für die 14 Monate, die die erste Regierung Conte im Amt war, ist gesalzen. Letztlich muss sie der Steuerzahler übernehmen.

21 Kommentare zu «Das wird teuer, liebe Italiener»

  • Peter sagt:

    Wartet mal ab wenn die Deutsche Bank hoch geht, nach Jahre langer Insolvenzverschleppung. Dann wirds für ganz Europa „teuer“…aber vor allem für Anti Populisten Deutschland !!

    • Rolf Zach sagt:

      Warum soll die Deutsche Bank Pleite gehen? Sie ist jetzt unter der strengen und direkten Aufsicht der EZB und die wird ihr schon Beine machen. Abgesehen davon hat die Deutsche Bank nicht so sehr Misswirtschaft in Deutschland und Europa betrieben, sondern in den gelobten USA. Kein Wunder, wenn man einen Schweizer zum Chef macht zusammen mit indischen Glücks-Spieler. Schweizer Banker haben eine ausgesprochene Affinität zu den von ihnen heißgeliebten USA. Für CS und UBS ist es die höchste Glückseligkeit in der Schweiz Geld zu verdienen und Landsleute zu entlassen. Es ist diesen Schweizer Banker eine Freude amerikanische Manager für wenig Leistung mit Millionen-Salären zu verpflichten. Das gibt Prestige und Anerkennung. Man darf mit Amerikanern Golf spielen, welche Freude!

  • Cédric Ruckstuhl sagt:

    Wie kleinkrämerisch, in der Art eines Buchhalters alles in Rappen und Cents ausrechnen zu wollen. Hallo – es geht hier um Menschen und deren Wohlergehen, nicht um Bilanzen, Prozente und Soll&Haben. Erst recht, seit all die fantastischen Milliarden- und Billionenbeträge von Euros von der EU-Finanz über Nacht per Dekret aus dem Boden gestampft werden. All diese Schulden und Guthaben sind nichts als heisse Luft.

    • Heinz Ketchup sagt:

      Vieles was den Menschen gut tut kann nun mal mit Geld geregelt werden, dass ist schon naheliegend oder?

      • Cédric Ruckstuhl sagt:

        Na klar. Aber das Wohlergenen eines ganzen Landes irgendwelchen Bilanzen und Stabilitätspakten unterzuordnen ist dann schon ziemlich ideologisch. Siehe das kaputtsanierte Griechenland.
        Die Italiener und alle anderen sollen fröhlich Schulden machen, wenn der Euro dann mal hopps geht, werden die allesamt abgeschrieben.

        • Rolf Zach sagt:

          Aha, der Euro soll „hopps“ gehen! Warum eigentlich? Sie reden vom kaputt sanierten Griechenland. Die öffentliche Verschuldung von Griechenland ist immer noch 180 % des GDP, aber dies war es bereits 2012, aber da musste Griechenland die ganzen 180 % verzinsen, heute nur noch einen Teil davon und das zählt. 2012 musste Griechenland von seinen Staatseinnahmen 17 % für die Zinsen aufwenden, heute nur noch 6,7 % und dies ist von Bewandtnis für seine Volkswirtschaft. Vieles von seiner Staatsschuld ist ein Verlustschein wie bei einem privaten Konkurs, der nie mehr ein eingelöst wird.

  • Claire Deneuve sagt:

    Die Rechtspopulisten stehen vermutlich im Wettbewerb wer seinem Land finanziell am meisten schaden kann!
    Der Brexit kostete seit Juni 2016 die Wirtschaft auch schon um die 100 Mrd $, die zusätzlichen Zinskosten für die US Neuverschuldung seit Trumps erstem Budget am 1.10. 2017 von mittlerweile 2.35 Bio $ für 2 Jahre dürften auch schon um die 60+ Mrd $ Kosten.
    Dagegegen ist ein Salvini mit seinem Salvini-Spread mit 19.5 Mrd € Schaden am Land fast noch ein Schnäppchen dagegen!

    • Rolf Zach sagt:

      Geehrte Frau Deneuve, Sie können noch lange mit ihren korrekten Argumenten daherkommen. Beim £ wird langsam die volkswirtschaftliche Realität im Vereinigten Königreich wahrgenommen und das £ geht abwärts, aber dies wird von den Schweizer EU-Hassern nicht wahrgenommen. Ferner bewegen wir
      uns hinsichtlich dem $ geradezu in mystischen Gefilden, was seine Stabilität anbelangt. Wenn die USA nach Krieg und Aggression lüsternen Ländern mit Vernichtung droht und nachher jedesmal auf den Knien vor diesen abscheulichen Regimes ihren Kotau machen, erweckt dies den Eindruck einer Weltmacht auf tönernen Füssen. Dies führt schlussendlich auch zum Verlust der Mystik der $ Stärke und dies alles bedeutet zwangsläufig riesige Verluste für unsere SNB.

      • Rolf Zach sagt:

        Beim £ sind die Verluste bei der SNB bereits real unterwegs, beim $ werden sie noch kommen.
        Warum nicht vor dem $-Absturz diese Devisenbestände für gute Zwecke im Inland verpulvern. Ich denke da besonders an öffentliche Infrastruktur-Vorhaben und die Bekämpfung des CO2 Ausstoßes. Sonnenkollektoren und Wärmepumpen in der Schweiz sind beständiger als die Schatzscheine von Herr Trump, der dafür sorgt, dass die Super-Reichen in den USA sehr minim Steuern zahlen.

        • Claire Deneuve sagt:

          Werter Herr Zach: Das £ stand Ende Juli bei 1.208 Franken und die SNB hatte damals schon 161 Mrd Eigenkapital.
          Heute steht das £ wieder bei 1.238, ist also bei den rund 40 Mrd £ der SNB schon wieder über eine Millarde mehr wert.
          Und wenns am Mittelmeer deswegen jetzt weniger dieser saufenden, k….tzenden und gröhlenden Prollbriten am Strand und in den Beizen hat, dann stört mich das ehrlich gesagt nicht wirklich!
          Jetzt warten wir doch mal ab was an Halloween wirklich passieren wird.
          In China wurde übrigens die Geldmenge zw. 2009 bis heute DOPPELT soviel erweitert wie bei der FED, EZB & BOJ zusammen!
          Die Chinesen spielen einen noch viel verschärfteren Finanzkapitalismus als der ganze Westen. In einem Einparteienstaat geht das eben einfacher – fragt sich einfach wie lange noch!

  • G. Nardone sagt:

    – „Hätte Italien auf das populistische Regierungsexperiment verzichtet oder hätten sich die neuen Mehrheitsführer in Rom wenigstens ihre Euroaustrittsrhetorik verkniffen, wären dem Staat fast 20 Mrd. € an zusätzlichen Zinsaufwendungen für die Schulden erspart geblieben.“

    Nein, das nennt man Erpressung.

  • Zufferey Marcel sagt:

    Die Risikoaufschläge für italienische CDS (5 Jahre) sind seit der letzten EZB-Sitzung noch einmal drastisch gesunken. Dank Draghi’s „whatever it takes“ mutiert Italien so doch tatsächlich noch zum Musterknaben, haha…

    • Zufferey Marcel sagt:

      Wenn das so weiter geht mit QE et al., wird Italien als Schuldner wohl bald wieder mit AAA bewertet werden. Lagen die Aufschläge noch vor einem Jahr bei 286,1, so sind wir nun bei 122,2. Aus dieser Perspektive betrachtet, wirkt die Rechnung des Autors geradezu kleinlich. Ich übertreibe natürlich ein bisschen. Aber unser südlicher Nachbar befindet sich mit seiner hohen Staatsschuldenquote immerhin unter den Top Ten dieser Welt. Vor Italien liegen nur noch Japan- der ungeschlagene Weltmeister im Schulden machen, Griechenland, der Libanon, Jemen und Barbados…

      • Hans Stamm sagt:

        Allerdings wird nie von der impliziten Verschuldung gesprochen. Also Staatsverschuldung, private Verschuldung und Systemverpflichtungen in dercZukunft wie Rentensysteme. Und gerade hier ist Italien unter allen G7 Staaten und in Europa ausser bei kleinen baltischen Staaren das weitaus erfolgreichste Land mit der besten Quote. Es ist sowieso falsch einen Staat nur an den Staatsschulden zu messen. Wichtig ist die Leistungsbilanz (Positiv), Konkurenzfähigkeit (Exportüberschuss als 8. Exporteur), Vermögenswerte (7. Reichste Nation) und die Tragfähigkeit der Schulden. Italien hat die 2. grösste Industrieproduktion Europas und ist in verschiedenen Bereichen Führend. Alles halb so wild beim Nachbarn

        • Rolf Zach sagt:

          Erfrischender Kommentar, Herr Stamm. Die
          Schweizer sollten sich einmal die private Verschuldung der beiden Länder betrachten.
          Italien 40 % vom GDP, Schweiz 130 %! Hauseigentümer-Quote. Italien 72 %, Schweiz 42 %. Die Genossenschaften sind nur mit 7 % am Wohnungsbestand beteiligt, die Kommunen mit noch weniger, zwischen 1 und 2 %. Nach der FDP verliert angeblich die Stadt Zürich an ihrem Wohnungsbestand. In den Züricher Landgemeinden wird kommunaler Wohnungsbau nicht kommerziell betrachtet, sondern ideologisch. Es wird in gleicher Weise beurteilt wie die Bücher von Lenin und Stalin.

      • Zufferey Marcel sagt:

        Das ist ja alles richtig mit der Gesamtverschuldung. Aber in diesem Artikel ist einzig die Rede von Staatsschulden. Und die Eurokrise war in erster Linie eine Krise der Staatsfinanzen. Die ganzen Rettungspakete wurden einzig für Griechenland geschnürt. Die Privathaushalte gingen dabei leer aus.

        • G. Nardone sagt:

          Eurokrise war in erster Linie überhaupt nicht eine Krise der Staatsfinanzen!
          Sondern Krise der europ. Banken oder allgemein eben private Schulden & Auseinanderdriften von Inflation zwischen Euro-Länder und das damit einhergehende Ungleichgewicht im Handel. Der Finanzmarkt hat dann die Zinsen für Staatsanleihen, die bisher für alle gleich hoch waren, separat bewertet für das Risiko, dass einige Länder eben aus dem Euro ausscheiden könnten. Was dann von Medien und so falsch interpretiert wurde als Staatsschulden-Krise, und das bis heute, unglaublich aber wahr! Was für eine Verschwendung …

  • Thomas Kraus sagt:

    O.k. das ist sicher so. Aber wieder ist es reine Schönfärberei. Die Zinsen von italienischen Staatsanleihen müssten aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Landes eher bei 4 – 5 % sein. Es ist reine Täuschung und widerspiegelt in keiner Form die Realität. Aber Hauptsache die Party geht weiter…Hätten wir so tiefe Zinsen bei den Konsumkrediten und bei Vias, Master, Eurocard…wäre der Kater nach der Party ungeheuerlich…

    • Claire Deneuve sagt:

      Kraus: Diese Züchtigungsmittel nach der altbackenen kapitalistischen Lehrmeinung Schuldner mit schlechter Bonität durch Zinseszinsknechtschaft zur Raison und dem Modebegriff „Strukturreformen“ zu zwingen funktioniert im Finanzspätkapitalismus nicht mehr seit Kapital immer mehr zu einem Gut wie viele andere geworden ist in dessen Umfeld sich immer mehr Mitbewerber aus der Finanzbranche mit immer ausgeklügelterer Methoden versuchen die letzten Renditen abspengstig zu machen.
      Schon mit 4-5% Schuldzinsen käme Italien nie mehr aus dem Elend raus, bei 7-8% wie 2012 wäre dann bald mal Default und dann gäbs Kettenreaktionen, da es vielerorts schon kriselt.
      Sogar Trump schreit schon nach Null oder Negativzinsen. Auch der will an jenen süssen Früchten kosten für seine Wiederwahl.

    • Hans stamm sagt:

      Nein müssten sie nicht, denn die Eckdaten Italiens sind eben nicht schlecht. Die Schuldenquote von 60% ist rein politisch festgelegt und hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Viel wichtiger ist die Gesantwirtschaftliche Situation. Italien hat im Gegensatz zu Frankreich eine positive Leistungsbilanz, ist wesentlich stärker industriealisiert, die Vermögenswerte sind besser, die Privatverschuldung eine der besten. Klar gibt es Probleme wie die Jugendarbeitslosigkeit aber eine Gesamtarbeitslosigkeit von 9.6% sind keine griechischen Verhältnisse. Der Nettozahler hat die faulen Kredite auf 100 Milliarden reduziert und selbst die Ratingagenturen bezeichnen die Schulden als tragfähig. Wir sollten nicht immer den deutschen hysterischen Abgrundnews verfallen

  • Anh Toàn sagt:

    Das war nur die Umsetzung des nationalistischen Wahlversprechens: Die Italiener (bezahlen es) zuerst!

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