Keine Entwarnung im Währungskrieg

US-Handelsminister Wilbur Ross (r.) lauscht Präsident Donald Trumps Erklärung betreffend Geschäften mit und in China, März 2018. Foto: Evan Vucci (Keystone)

Die Schweiz steht bei den Amerikanern nicht mehr unter Beobachtung als potenziell unfairer Währungsmanipulator. Selbst China wurde von diesem Vorwurf freigesprochen. Ist Donald Trump plötzlich milde geworden? Leider nein! Beides ergibt sich aus dem bereits um mehrere Wochen verschobenen Bericht des US-Finanzdepartements zu diesem Thema, der gewöhnlich halbjährlich erscheint – Mitte Oktober und Mitte April. Doch seine Schlussfolgerung sollte nicht überbewertet werden.

Wer als Währungsmanipulator bezeichnet werden kann, ist gemäss dem Bericht exakt festgelegt – nach gesetzlichen Regelungen aus der Zeit vor Trumps Präsidentschaft. Es wäre der US-Regierung daher gar nicht möglich, von den dort festgelegten Kriterien beliebig abzuweichen. Ein unfairer Währungsmanipulator muss demnach alle der drei folgenden Bedingungen erfüllen:

  1. Ein Land hat gegenüber den USA einen Überschuss im Güterhandel von mindestens 20 Milliarden Dollar.
  2. Ein Land hat einen Aussenhandelsüberschuss (gegenüber allen Handelspartnern) von mindestens 2 Prozent, gemessen an seinem Bruttoinlandprodukt (BIP).
  3. Die Notenbank eines Landes schwächt aktiv seine Währung, indem sie während sechs von zwölf Monaten Devisen im Umfang von mindestens 2 Prozent des BIP des Landes kauft.

Im jüngsten Bericht wurden die Bedingungen verschärft: Beim zweiten Kriterium lag die Limite für Aussenhandelsüberschüsse zuvor bei 3 Prozent des BIP, und beim dritten Kriterium mussten die Interventionen während acht von zwölf Monaten stattfinden. Ausserdem untersucht der Bericht jetzt alle Länder, die mit den USA einen bilateralen Handel (Importe und Exporte zusammengezählt) von mindestens 40 Milliarden Dollar unterhalten – das sind 21 Länder. Zuvor wurden nur die 12 grössten Handelspartner untersucht.

Die Kriterien und die Änderungen im Überblick:

Wie die Tabelle unten deutlich macht, erfüllt kein Land alle drei Kriterien, weshalb auch keines als unfairer Währungsmanipulator bezeichnet werden kann. Unter Beobachtung der USA als potenzieller Währungsmanipulator gerät ein Land, wenn es mindestens zwei der drei genannten Kriterien erfüllt – und es behält diesen Status während mindestens zwei nachfolgenden Berichten. Hier finden sich eine ganze Reihe von Ländern, darunter auch China und Deutschland.

Wer im jüngsten Bericht welche Kriterien erfüllt (rot) – unter Beobachtung stehen alle, die zwei davon erfüllen:

Der Schweiz droht der unbeliebte Status weiterhin

Die Schweiz ist zum ersten Mal nicht mehr unter Beobachtung, weil das Land nur noch das Kriterium eines generellen Aussenhandelsüberschusses von mehr als 2 Prozent gemessen am BIP erfüllt – mit 10,2 Prozent sogar überaus deutlich. Das Kriterium einer aktiven Schwächung der eigenen Währung durch Deviseninterventionen der Nationalbank ist dagegen schon lange nicht mehr erfüllt. Im ersten Halbjahr 2017 hat sie zum letzten Mal im grösseren Ausmass Devisen aufgekauft, um sich dem Auftrieb des Frankens entgegen zu stemmen.

Auf die Liste von Ländern, die als potenzielle unfaire Währungsmanipulatoren beobachtet werden, könnte sie dennoch bald wieder kommen, wenn ihre Exporte gegenüber den USA weiter wachsen wie bisher. Im letzten Jahr hat sie mit einem Überschuss von 19,5 Milliarden die von den USA im ersten Kriterium gesetzte Grenze von 20 Milliarden Dollar nur knapp verfehlt.

Steigen die Schweizer Überschüsse gegenüber den USA weiter und sollte die Nationalbank dann bei einem weiteren Aufwertungsschub des Frankens wieder Devisenkäufe tätigen – das behält sie sich ausdrücklich vor –, dann hätte die Schweiz gleich alle US-Kriterien für einen unfairen Währungsmanipulator erfüllt.

Das heisst allerdings nicht, dass diese Kriterien angemessen sind. Warum sie es nicht sind, darauf hat einst Nationalbank-Präsident Thomas Jordan in einem Vortrag hingewiesen. (Siehe auch diesen Artikel zum Thema.) So bleiben zum Beispiel die Dienstleistungen unerwähnt, bei denen die Amerikaner einen Überschuss gegenüber der Schweiz verzeichnen.

Willkürliche Einschätzungen statt klarer Kriterien

Vieles spricht aber dafür, dass die Kriterien und der Bericht ohnehin an Bedeutung verlieren. Das liegt vor allem daran, dass sie die Chinesen vom Vorwurf der Währungsmanipulation freisprechen, wie ihn Donald Trump immer wieder erhebt. Dass die Publikation des Berichts diesmal so lange auf sich warten liess, ist ein Hinweis darauf. Ein weiterer ist der Umstand, dass sich das Handelsministerium unter dem Hardliner Wilbur Ross nun Zuständigkeiten für die Währungspolitik zuschanzen will, die bisher klar beim Finanzministerium lagen.

Das Risiko ist damit gross, dass künftig willkürliche Einschätzungen statt klarer Kriterien den Ausschlag dafür geben, wer als unfairer Währungsmanipulator gelten und entsprechend bestraft werden soll. Die Ergebnisse des jüngsten Berichts sind keine Anzeichen einer Entspannung – im Gegenteil.

17 Kommentare zu «Keine Entwarnung im Währungskrieg»

  • Alex sagt:

    Nur weil die SNB dieses Jahr keine Intervention durchgeführt hat ist alles in Butter. Funktioniert so dieses Stock and Flow? Ich präsentiere nur die mir genehmen Daten. Erinnert sei übrigens zum Thema Dollar-Intervention das Dollar-Smiley (10.Mai.2019).

    Warum hängt eigentlich China und Trumps Geschwafel an der Bedeutung der Kriterien (insbesondere gegenüber anderen Staaten)? Soweit für mich bemerkbar versucht China eine Veränderung durchzuführen (es ist ein „Entwicklungsland“). Kein wunder Punkt im volkswirtschaftlichem Diskurs. Gibt es eigentlich Staaten die dagegen verstoßen haben und Konsequenzen dafür tragen?

    Ich sehe Kritik am schlechten Maßstab (statische Größen, Zeitfaktor, Eurozone fragmentiert) und den willkürlichen Grenzen ab wann man ein Währungsmanipulator ist.

  • Josef Marti sagt:

    Das Lamentieren von Jordan bestätigt scheinbar, dass die jahrzehntelange steuerpolitische Rosinenpickerei und Dumpingpolitik der CH jetzt auf die Füsse fällt.

    • Claude Fontana sagt:

      das sind nicht die Füsse, herr Marti. Ausser sie meinen mit Füssen, den Kleinsparer.

  • Josef Marti sagt:

    Was Jordan als besonders ungerecht findet ist dass die CH Headquarters von ausländischen Multis Gewinne thesaurieren und wenig an die wiederum mehrheitlich im Ausland befindlichen Aktionäre ausschütten; dadurch resultiere ein ungerecht hoher Zinsen-/Dividendensaldo auf der NIIP. Die NIIP selbst sei eher stagnierend da der starke CHF auf die Bewertung des Auslandsvermögens drückt während handkehrum wegen ausländischer Inflation und dort höherer Zinsen der Zinsen-/Dividendensaldo (Flussgrösse) übermässig hoch ausgewiesen sei.

    • Claire Deneuve sagt:

      Marti: Mal abgesehen davon dass wir per Capita die wohl höchste NIIP der Welt haben mit über 100’000 ist ihre Erklärung schon ziemlich weit hergeholt.
      Die CH hat Currencydeterminiert in nur CHF im Ausland Assets für „nur“ 408 Mrd, während die Ausländer Assets in der CH auch in CHF für 2’475 Mrd haben – also einen ziemlichen Schübel mehr.
      Die NIIP hat sich übrigens seit einem Einknicker ab 2013 auf 590-650 Mrd wieder prächtig erholt auf 884 Mrd 2018.

      https://data.snb.ch/en/topics/aube#!/cube/auvercurra

  • Josef Marti sagt:

    Jordan versucht den CH LB Überschuss wegzureden mit statistischen Verzerrungen, Inflationsdifferenzen zum Ausland und einer Übergewichtung der Pharma und des Transithandels. Letztere entsprechen aber genau der bisherigen CH Steuerdumpingpolitik für die Anlockung ausländischer Headquarters in der CH. Sodann seien die in der 2. Säule übermässig zwangssparenden überalterten CH Bürger am LB Überschuss schuld, offenbar sparen und investieren diese (resp. die PK Verwalter) zu wenig im Inland.

    • Claire Deneuve sagt:

      Marti: Sie wollen also dass unsere PK’s noch mehr Geisterstädte in der Peripherie bauen um dann mit allen möglichen Verzweiflungsaktionen wie Geschenkgutscheinen und Gratismieten Mieter zu finden??
      .
      Die Schweiz hat mit einer Bruttoinvestitionsquote von 24.5% des BIP immer noch eine wesentlich höhere Quote als die EU mit 20.5% oder den Amis mit 20.8%!

      http://wko.at/statistik/eu/europa-investitionsquoten.pdf
      .
      Und nein Herr Marti, die Randsteine müssen wir jetzt nicht auch noch vergolden.

  • Marcel Senn sagt:

    Als erstes sollten wir mal dieses helvetozentristische Weltbild ablegen und nicht die Zahlen der eidgenössischen Zollverwaltung herbeiziehen sondern die des US Census, dann da ist der Ueberschuss der CH mit 18.907 Mrd etwas geringer als die CH Zollverwaltungszahlen mit 19.5 Mrd (kann FX Umrechnungskursbedingt sein oder wegen Goods in Transit)
    .
    Für die Amis zählen primär die Amistatistiken.
    https://www.census.gov/foreign-trade/balance/c4419.html

  • Josef Marti sagt:

    Dasselbe Theater hatten wir praktisch identisch mit Reagan in den 80ern betreffend Japan. Das prozyklische Defizitspending mit Doppeldefizit von Haushalt und Handelsbilanz führt logischerweise zu einer viel zu tiefen nationalen Sparquote in den USA. Würden die Amis jedoch plötzlich zu bünzligen deutschen Sparfüchsen hätten Länder wie China, Japan usw. ein gewaltiges Problem mit ihrer Überschussproduktion resp. deren BIP würde regelrecht einbrechen.

    • Claire Deneuve sagt:

      Nun Herr Marti, wenn Sie die Tüütsche als bünzlige Sparfüchse bezeichnen, dann wäre eine äquivalente Bezeichnung für die Amis im dem Falle wohl „überbordende unfähige Konsumidioten“!

  • Rolf Zach sagt:

    Diese Tabelle der Amerikaner ist so widersprüchlich wie ihre Wirtschaftspolitik.
    1. Alle Länder der Euro-Zone sind als Einheit zu betrachten, was auch auffällt, dass sie in der Rubrik der FX-Interventionen nicht auftauchen, da zählt nur die Interventionen der EZB und diese kauft keine Dollars, sondern nur Staatsanleihen ihrer Mitglieder und da ist nur Griechenland für Anleger ungeeignet. Bitte kommt nicht wieder mit Italien, diese Katze beißt sich selber in den Schwanz.
    2. Eine Konsequenz davon ist, dass die EZB bei einer Änderung der Austausch-Relationen des Euros zum Dollar sehr geringe Verluste auf ihrem Devisenbestand erleidet. Dies im Gegensatz zu unserer SNB, die zusammen mit der Bank von Japan und der chinesischen Volksbank erhebliche Verlust auf ihren $-Beständen einfahren.

    • Rolf Zach sagt:

      Die Zahlen betreffend Leistungsbilanz-Überschuss von Ländern wie Deutschland und der Niederlande als Mitglieder der Euro-Zone sind eigentlich irrelevant, wie auch diejenigen Euro-Länder, die ein Defizit in ihrer Leistungsbilanz aufweisen. Interessiert jemanden das Leistungsbilanzdefizit des Kantons Uri oder die Leistungsbilanz-Überschüsse der Kantone Genf oder Zug? Natürlich sind mir die Einwände dagegen bekannt, dass die €-Zone nicht so verzahnt ist wie die Schweiz. Wo gehen dann die Dollars hin, die Deutschen in den USA erwirtschaften? Die amerikanische Autozubehör-Industrie wird systematisch von Deutschen aufgekauft und sonst lieben alle Europäer den US-Aktienmarkt mit der Besonderheit von Silicon Valley. Da zu spekulieren ist eine Freude, wie lange noch?

    • Beat Zingg sagt:

      Handelsüberschüsse werden dort erzielt, wo entweder günstiger und/oder besser produziert wird. China, Mexiko etc. scheinen da Exportweltmeister. Globalisierung lässt grüssen. Mich würde aber interessieren, was denn die USA so viel aus Belgien und Hong Kong importieren. Belgien? Ist damit die EU gemeint? Und wenn ja, was aus der EU?

      • Rolf Zach sagt:

        Belgien hat den Hafen Antwerpen und Holland Rotterdam. Aufgrund dieser geographischen Lage importieren sie aus den USA Rohstoffe und Halbfabrikate, veredeln diese zu Fertigwaren und exportieren sie vornehmlich nach Deutschland und Frankreich, wobei beide Staaten gegenüber diesen Ländern beträchtliche Handelsbilanz-Überschüsse aufweisen. Diese beiden Länder sind ein gutes Beispiel für den gemeinsamen europäischen Markt mit starker Zusammenarbeit. Ohne diesen Zusammenhang würden beide am Hungertuch nagen. Es ist unlogisch für die USA einzelne Länder der Euro-Zone herauspicken und zu beschuldigen, auch bei der EU als gesamtes. Handelskrieg können sie nur mit der ganzen EU machen. Quelle Trading Economics, WITS und Eurostat.

        • Rolf Zach sagt:

          Natürlich haben Deutschland und Frankreich Handelsbilanz-Defizite gegenüber Belgien und Holland und nicht umgekehrt, aber innerhalb der EU und erst innerhalb der Euro-Zone kann man die entsprechenden Defizite und Überschüsse vernachlässigen, die Finanzierung ist in einem einheitlichen Währungsgebiet anders als im Handel mit unterschiedlichen Landeswährungen, auch wenn die Reservewährung $ für diesen Außenhandel benützt wird.
          Was passiert interkantonal in der Schweiz? St.Galler Handwerker arbeiten in der Zürichsee-Gegend und bieten tiefere Offerten an, weil sie geringere Kosten haben. Gibt es deshalb eine Lega in St.Gallen und in Zürich eine AfD?

        • Alex sagt:

          Es wäre für mich interessant zu wissen aus welchem Grund die Eurozone oder die EU noch nicht als alleinige wirtschaftliche Identität gesehen wird, worin sich die beiden noch divergieren und ab wann es ein „Staat“ ist (aus VWL-Sicht). Es geht um die wirtschaftliche nicht die politische Einheit.

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