Die unerwarteten Folgen der Digitalisierung

Der Onlinehandel schafft Arbeitsplätze in der Logistikbranche: Ein Kurier liefert Pakete aus. Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)
Wie sich die Digitalisierung auf die Arbeitswelt auswirken wird, weiss zurzeit niemand so richtig. Entsprechend gross ist die Bandbreite an Szenarien, die entwickelt werden. Ein Widerspruch fällt dabei besonders auf. Auf der einen Seite wird prognostiziert, dass vor allem die wenig qualifizierten Arbeitskräfte unter Druck kommen werden. Auf der anderen Seite wird gewarnt vor dem Verschwinden vom Anwaltsberuf, dem Ärztestand oder den Lehrerinnen und Lehrern.
Es kann gut sein, dass beide Szenarien eintreffen werden. Aber es ist sicher falsch, sich nur auf die disruptiven Vorgänge zu konzentrieren, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Das 19. Jahrhundert ist das disruptivste Zeitalter der Wirtschaftsgeschichte, aber der Modernisierungsprozess war alles andere als einförmig.
Nehmen wir die Schweiz als Beispiel. Der Baumwollsektor wurde mit atemberaubender Geschwindigkeit mechanisiert. Viele Arbeitskräfte wurden freigesetzt, weil die Hand- und Heimarbeit nicht mehr rentabel war. Nur die wenigsten fanden einen Arbeitsplatz in den neuen Fabriken.
Jobverlagerung statt Jobvernichtung
Wohin gingen diese Arbeitskräfte? Liessen sie sich umschulen, um in anderen Branchen eine Stelle zu finden?
Nein, eben gerade nicht. Sie konnten ihrer angestammten Arbeit treu bleiben, weil die Mechanisierung nur schrittweise den Baumwollsektor erfasste. Sie beschränkte sich nämlich während der ersten Jahrzehnte auf die Baumwollspinnerei. Dies erhöhte automatisch die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Webereien. Also fand eine grosse Verlagerung von der Handspinnerei in die Handweberei statt.
Als im Zürcher Oberland auch die Handweberei durch die Mechanisierung verdrängt zu werden drohte, rebellierten die Handweber und verbrannten die Fabrik Corrodi & Pfister in Uster im Jahr 1832.

Bild: Schweizerische Nationalbibliothek
Dies erwies sich aber bald als Episode. Die Produktion von mechanischen Webstühlen wurde weiter vorangetrieben, neue Fabriken entstanden an anderen Schweizer Standorten. Ein Grund für den nachlassenden Widerstand war, dass die Handweber ein neues Auskommen in der Seidenindustrie fanden, die im Kanton Zürich ab den 1830er-Jahren einen grossen Aufschwung nahm und viel später mechanisiert wurde. In der Ostschweiz wurde die Stickerei zum grossen Auffangbecken für arbeitslose Handweber.
Die folgende Tabelle zeigt die Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der schweizerischen Textilindustrie im 19. Jahrhundert (Quelle: Historische Statistik der Schweiz, Tabelle F.1). Im Jahr 1821 dominiert die Baumwollindustrie, 1890 ist sie nur ein Standbein neben der Seidenindustrie und der Stickerei. Die letzteren beiden Branchen befinden sich zwar Ende des 19. Jahrhunderts im Prozess der Mechanisierung, aber bieten immer noch viele Arbeitsplätze in der Heimindustrie.
Erwerbstätige in Tausend | |||||||
Baumwollindustrie | Seide und | Stickerei | Woll- | Übrige | Total | ||
Total | Spinnerei | Kunstseide | industrie | Textilind. | |||
1821 | 60 | 8 | 20 | 2 | 1 | 17 | 100 |
1837/40 | 70 | 11 | 35 | 5 | 2 | 18 | 130 |
1850 | 80 | 12 | 50 | 10 | 2 | 18 | 160 |
1860 | 85 | 15 | 55 | 15 | 2 | 23 | 180 |
1865/67 | 90 | 15 | 60 | 20 | 2 | 28 | 200 |
1870/72 | 85 | 15 | 65 | 25 | 2 | 23 | 200 |
1875 | 80 | 15 | 70 | 30 | 3 | 18 | 200 |
1880/82 | 75 | 15 | 65 | 35 | 3 | 17 | 195 |
1885 | 65 | 15 | 63 | 40 | 4 | 14 | 185 |
1890 | 50 | 15 | 60 | 45 | 4 | 11 | 170 |
Die Mechanisierung der einen Branche führte also zu einer erhöhten Nachfrage nach traditionellen Arbeitsplätzen in den benachbarten Branchen. Auf den ersten Blick wirkt das paradox, in Wirklichkeit konnte es gar nicht anders sein, weil die Mechanisierung nie gleichzeitig in allen Branchen voranschritt.
Ähnliches lässt sich heute beobachten. So hat zum Beispiel der Aufschwung des Onlinehandels zu einem Boom der traditionellen Paketpost geführt. Der Lastwagenverkehr hat deswegen zugenommen, nicht abgenommen. Vielleicht fahren die Lastwagen dereinst ohne Fahrer herum. Aber bis es soweit ist, wird die Nachfrage nach Lastwagenfahrern stark zunehmen, wenn die Digitalisierung des Handels weiter voranschreitet.
46 Kommentare zu «Die unerwarteten Folgen der Digitalisierung»
Die im Leitartikel angegeben Textilarbeiter Statistik der Schweiz im 19. Jahrhundert ist sehr einprägsam. Sie zeigt die Erhöhung der Wertschöpfung der Produkte unserer Textilindustrie damals, vor allem diejenige der Stickerei- und Seiden-Industrie. Die beiden generierten dabei die höchste Zunahme der Wertschöpfung. St.-Gallen war um 1900 eine steinreiche Stadt mit wohl relativ schlecht bezahlten Arbeitnehmer, aber einer sehr reichen Fabrikanten- und Kaufmanns-Schicht. So konnte die Schweiz ihr Pro-Kopf-Einkommen, dass auch 1860 bereits zu den 10 höchsten der Welt zählte, trotz verstärkter Konkurrenz
behalten. Natürlich gab es auch Sulzer und BBC. Aber bis 1914 haben uns AEG, Siemens und MAN fast definitiv abgehängt. AEG war bereits eine Tochter von BBC. Der 1. Weltkrieg verhinderte dies.
Aktuell mangelt es an IT-Fachkräften, also solchen, welche den Prozess der Abschaffung menschlicher und intelligenter Arbeitsplätze fördern, inkl. den eigenen.
Sollte man da nicht generell die überall geforderte Aus-/Weiter-Bildung dem vorliegenden Thema anfügen?
Ich sehe da ein Dilemma zwischen gewünschtem technologischem Fortschritt, welcher zuerst kurzfristig gute Bildung erfordert, welche langfristig nicht mehr notwendig ist, da es dann nur noch einfache Jobs gibt und die grosse Masse zu dummen Konsumenten-Schweinchen verkommt.
In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich einige Schweizer kennengelernt, die ich als Software-Entwickler sehr schätzte. In diesem Geschäft gibt es so viele Typen, die mehr rhetorisches Talent haben als initiative Software-Kenntnisse. Es ist leider so, dass Geschäftsleitungen auf große Sprüche eher abgehen, als auf stillen Schaffer im Lande. Wenn wir unser duales Bildungssystem auf konstant gutem Niveau heben und daran keinen Gegensatz zwischen Universität und Lehre machen, sondern deren Ergänzung suchen, können wir durchaus mithalten.
Dies gilt auch für die kaufmännische Lehre, die hinsichtlich Digitalisierung auszubauen ist und die notwendigen Kenntnisse in Mathematik und Informatik vermitteln muss. Eine solche Lehre sollte 4 Jahre dauern mit einem Jahr Schule den ganzen Tag.
Tja, dann ist es wohl ein Glück, dass die Bildung – und eben auch … „Geschäftsleitungen“ … (auch meine Erfahrung) – hinterher hinken. Da bleibt der arbeitenden Bevölkerung mehr Zeit, um sich auf die Veränderungen einstellen zu können, verbunden mit der Hoffnung, dass die diese auch frühzeitig erkennen.
Zuerst braucht es Nachfrage – nach Dienstleistungen und Produkten, diese „produzieren Arbeitsplätze“.
Wir leben in der Grössten Wachstumsphase der Menschheit, die Weltbevölkerung hat sich vervielfacht – also stieg die Nachfrage entsprechend.
Ob die Weltbevölkerung weiter so ansteigt bezweifle ich sehr, also wird die Nachfrage nur zu steigern sein indem die Leute mehr kaufen. Dazu brauchen die Konsumenten Geld, denn die Nachfrage kann nicht unbeschränkt mit Schulden gesteigert werden.
Also sind die zunehmende Verschuldung und das verlangsamte Bevölkerungswachstum in der Zukunft Wachstumsbremsen, zusammen mit der Automatisierung. Ein Vergleich mit der Vergangenheit ist ohne den Effekt der Bevölkerungsexplosion zu berücksichtigen nicht korrekt. Ein neues Phänomen ist die „sharing economy“, auch sie wirkt als „Arbeitsplatzvernichter“, denn wenn die Produkte besser genutzt werden, müssen weniger produziert werden.
Wir brauchen dringend neue Lösungen für die Altersvorsorge, für Leute deren Jobs wegrationalisiert werden und für die Finanzierung von Staatsleistungen, (Gesundheit, Sicherheit, Arbeitslosenversicherung, etc.)
Wir leben in einer Umbruchphase, die durchaus mit dem Beginn der Industrialisierung Ähnlichkeiten hat. Wichtig scheint mir, dass wir nicht in den Protektionismus zurück fallen, wie es den Anschein hat, der bringt zwar Arbeitsplätze zurück, aber mit dem Resultat höherer Preise. Die Geschichte wiederholt sich hoffentlich nicht.
Zur Diskussion stehen Grundeinkommen, Besteuerung von Arbeit, Besteuerung von Energie, Besteuerung von Robotern, Arbeitszeit, Rentenalter, Altenpflege und Erwerb von Pflegegutscheinen, etc.
Die Jungen (50 Jahre und jünger) sind gefragt, sie müssen planen und entscheiden, wie das Leben für sie in 20 Jahren aussehen soll.
Mich betrifft es nicht mehr.
Aber meines Erachtens besteht ein enormer Handlungsbedarf.
Ich bin durchaus mit Ihnen einverstanden, die Zukunft basiert nicht nur auf der Entwicklung der Technologie, sondern ebenso wichtig oder noch entscheidender ist, wie wir auf die sozialen Herausforderungen dieser Entwicklung antworten. Da sind einfach gute Politiker gefragt und der Gemeinschaftssinn unserer Funktions-Eliten.
Eigentlich könnten wir alle schon lange fast nichts mehr arbeiten, wenn wir unsere Ansprüche auf Schutz vor Wetter, Nahrung und elementare Gesundheitsvorsorge beschränken würden. Aber unsere Ansprüche steigen laufend. Wir arbeiten nicht mehr für unserer Versorgung, sondern an unserer Selbstoptimierung (Yoga oder Schönheits-OP) und Selbstdarstellung (Facebook, Instagramm usw usw.).
Können uns die Maschinen auch die Arbeit an uns abnehmen?
Ich sehe einen anderen eventuell alles verändernden Weg: Vielleicht „leben“ wir irgendwann in einer digitalen Welt. Viel bunter und spannender und besser und nachhaltiger oder gar im Plural erhältlich, als die eine reale. Unsere reale Existenz beschränkte sich auf vegetieren wie im Koma, bis wir unser Bewusstsein auf Maschinen übertragen können.
„second life“ ging in diese Richtung. Ich mag‘ auch die Idee (nicht den Film an sich) von „Total recall“:
Ein sehr guter Artikel. Es ist aber zu befuerchten, dass die kommenden Veraenderungen dermassen disruptiv und so anders sein werden, dass keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden koennen. Die Umschulung von Massen zu Taetigkeiten, die fuer die allermeisten intellektuell nicht erreichbar sind, wird nicht stattfinden. Massen von Menschen werden sich immer einfachere, langweiligere und uninteressantere Arbeit teilen muessen, zu Loehnen, die keine mehr sind (dazu braucht es keine Umschulung). Wenn wir nicht bereit sind, Loesungen zu erarbeiten um das zu verhindern, werden wir enorme Probleme bekommen.
Ich befürchte, dass viele Arbeitgeber höchstes Interesse daran haben, diese „Verdummung“ voranzutreiben, weil sie die Lohnkosten senken wird. Schon heute werden Arbeitnehmer unter fadenscheinigen Gründen entsorgt, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben weil sie dann urplötzlich „veraltetes Wissen“ haben, egal ob sich die Leute weitergebildet haben oder nicht.
Also Jungs, jetzt wisst ihr’s, Lastwagenfahrer ist der Beruf der Zukunft…!
Dumm
Dumm, dumm
Also wegen Online Handel wächst der Lastwagenverkehr. Dafür sinken alle Aktivitäten des nicht-Online Handels . Nimmt man an, dass Innovationen nur dann langfristig eingeführt werden wenn einerseits die Kosten gesenkt und die Gewinnen erhöht werden, dann muss man daraus schliessen dass bei gleich bleibendem Marktumfang der Zuwachs an neuen Kosten (Jobs,Maschinerie) kleiner ist als die Abnahme der wegrationalisierten Kosten. Das kann nur aufgehoben werden, wenn der Markt ständig erweitert (grössere Mengen) oder monopolisiert (höhere Preise) wird. In der Vergangenheit hat man das Problem verschieden gelöst : geografische Erweiterung/Globalisierung, Sozialstaat, Werbung … Was als nächstes kommt, weiss wirklich niemand … oder hat jemand die Entwicklung Chinas vorausgesagt?
ich sehe kein problem. insbesondere der dienstleistungssektor wächst ja munter.
Dueck beschreibt die Thematik auch sehr schön…
Jobs werden sich verlagern. Die Angst ist immer da und doch muss irgendwie irgendwer irgendetwas in einem Prozess machen.
https://www.youtube.com/watch?v=JktRK7HtjzM
Straumann ist Historiker und versucht die Zukunft aus der Vergangenheit zu beschreiben. Dabei geht er von einer stetigen Entwicklung aus, was bisher mehr oder weniger richtig war. Mit der Robotik und der KI ist das, auf längere Sicht, mindestens fraglich. Dann geht es aber nicht mehr um gut bezahlte Arbeitsplätze, sondern ob wir Menschen zu den Hunden und Ameisen der Zukunft werden. Die Krönung der Schöpfung sind dann andere als Menschen heutiger Bauart.
Nicht umsonst sprechen die Schöpfer der KI von einer Singularität. Der nächste Automatisierungsschritt, welcher in die posthumane Gesellschaft führt, ist etwas Einmaliges, ohne Vorgänger und ohne Wiederholung. Lineare Voraussagen sind da so falsch, wie es falscher sein kann. Der Mensch wird von der Teilnahme an der materiellen Reproduktion für immer befreit. Das muss man nicht zweimal haben.
Na gut, Marx, der 1883 gestorben ist, hat dies bereits mit dem Ausdruck „Entfremdung“ beschrieben, also kann man doch irgendwie die Vergangenheit heranziehen, um wenigstens teilweise mit deren Analyse die Gegenwart und auch die Zukunft zu verstehen.
Das wäre wohl der dialektische Materialismus. Wobei jede mechanistische Interpretation von Marx ja strikte verneint wird. Sehr wahrscheinlich kann man diverse Alternativen skizzieren. Welche sich durchsetzen wird ist nicht voraussehbar …
Marx‘ Entfremdung ist etwas ganz anderes als die vollständige Befreiung der Menschen von Arbeit im Sinne materieller Reproduktion.
Im Hegelianischen Geschichtsverständnis ist die zu erwartende posthumanistische die einfache Negation der neolithischen Revolution. Mit der begann die Existenz von Besitz, Geld und Staaten und im Posthumanismus verschwindet das alles.
Die Welt befindet sich dann wieder in einem Zustand des Urkommunismus, nur das die autonome Robotik die versorgende Rolle der Natur und die autonome KI die der Gottheiten übernommen haben.
Es steht dann die Negation der Negation aus, welche den Posthumanismus in eine menschliche Gesellschaft zurückführt, aber bei Beibehaltung der zentralen Errungenschaft Besitzlosigkeit.
Interessant diese Automatismen … so als ob Maschinen das menschliche Verhalten übernehmen müssen … und wenn sie sich das anders überlegen und zum Beispiel die Erde verlassen und die Menschen sich selber überlassen ?
Bloss ist die heutige KI Lichtjahre von dem entfernt, was sich manche Vordenker und SciFi-Freunde darunter vorstellen. Heutige „KI“ ist nicht viel mehr als ein auf ein spezifisches Problem massgeschneiderter Algorithmus, der sein Vorgehen bei der Lösung von genau diesem einen Problem optimiert. Aber ansonsten so dumm und unbewusst wie Brot ist.
Letztlich handelt es sich bei dem, was als KI verkauft wird, bildlich gesprochen um Toaster, die lernen können, wie sie Brot optimal toasten. Sicherlich nett, sogar eindrücklich, aber mit Intelligenz oder gar digitalem Bewusstsein hat das – leider oder zum Glück – nichts zu tun und man darf bezweifeln, dass solches auf diesem Weg je erreicht wird.
Mit Machine learning oder Back-Propagation kann man schon Einiges erreichen … Man muss ja keine perfekte Maschine bauen, sondern nur eine die brauchbare Resultate erzielt und immer etwas dazu lernt … Ein gutes Beispiel dazu sind die moderne Sprachübersetzer wie zum Beispiel DeepL.com
Das Heutige gibt keinen Hinweis auf die nahe Zukunft.
Man hat jetzt dieses Schlagwort „Digitalisierung“ eingeführt, das eigentlich falsch ist (weil es das Gegenteil von Analog bedeutet) und nichts anderes als Automatisierung bedeutet. Nur, Automatisierung gibt es schon seit 100 Jahren und ist somit nichts neues. Deshalb leben wir überhaupt nicht in einer einzigartigen Zeit.
Was die Arbeit betrifft: Sie wird uns nie ausgehen, denn sie ist eine direkte Folge des Preises. Was uns vielleicht ausgehen wird (zumindest in der CH) ist die Arbeit zu 250 CHF die Stunde, aber zu vernünftigen Preisen wird es immer Arbeit geben. Die Chinesen machen es uns vor (dort steigt der Preis bereits massiv).
Sie verwenden den Ausdruck „Automatisierung“, gefällt mir auch besser als dieses Wort „Digitalisierung“. „Automatisierung“ beschreibt diese Entwicklung in voller Breite, während „Digitalisierung“
nur eine grössere Komponente davon beschreibt (Elektronik mit Unterabteilung Computer, Internet, etc.)
Sie können auch einer Näherin in Bangladesch 250 SFr. pro Stunde geben, wenn sie 100 Hemden bester Qualität in einer Stunde näht. Was bei dieser Rechnung zählt sind die Lohnstückkosten und diese gelten auch bei fortschreitender Automatisierung.
Lohnstückkosten kann man in keiner volkswirtschaftlichen Rechnung aufheben.
Wenn Sie aber diese Näherin nur mit 1 Franken pro Stunde bezahlen, hat die Volkswirtschaftslehre ein Problem.
Un 100 Hemden pro Stunde fertigen zu können, sind Näherinnen mit automatischen Schneid – und Nähmaschinen definitiv im Vorteil gegenüber den händischen Näherinnen.
Auch wenn man eine totale Automatisierung hat, im Design und in der Produktion der Automaten sind immer Menschen dabei, die man entlohnen muss. Auch bei der Näherin, die diese Hemden aus dem Nähautomaten herausnehmen muss. Damit ergibt sich in der unmittelbaren Herstellung der Hemden und der Herstellung des Nähautomaten immer Lohnstückkosten. Klar ist, dass die Näherin nie 250 Franken pro Stunde bekommen wird, aber sie könnte dies einstecken, wenn die Ingenieure und Facharbeiter beim Fabrikanten des Nähautomaten nur 1 Franken pro Stunde für ihre Arbeit erhalten würden.
Aber wenn der Nähautomat 10 Mio. Franken kostet und meine Investitionsrechnung einen Negativzins ergibt, lasse ich diese 100 Hemden
in Bangladesch fertigen, auch wenn die Näherin nur ein Hemd in einer Stunde näht.
Automatisierung lohnt sich nicht immer, denn jede Automatisierung ist ein sehr kostspieliger Prozess und erfordert Millionen Franken Investitionen bei der Produktion von Gütern. In der Herstellung von Autos hat man festgestellt, dass eine 100 % Automatisierung nicht das Ideale ist, eine verminderte Automatisierung, die den Arbeitnehmer als denkende Person einbezieht, ergibt in der Regel höhere Produktivität.
Die Automatisierung im Büro ist die Digitalisierung, dort ist eben die Implantation oft billiger als die Automaten in der Fabrik.
Gute Software herzustellen und zu implantieren ist von der Qualität der Menschen daran abhängig. Man kann in der Digitalisierung Millionen verschleudern für nichts oder wenig. Man kann auch viel gewinnen, wenn man es intelligent einführt.
Die Probleme sind nicht so sehr die Transformationsprozesse, die zu neuen Jobs führen, sondern vielmehr die Bezahlung dieser Jobs in einer Welt der zunehmenden Ungleichgewichte. Dazu unbedingt sehenswert Lord Adair Turner: https://youtu.be/Dgf8K244j1o?t=243.
Ein zusätzliches Problem ist die Ignoranz der MSM, wie Jacob Augstein doch sehr selbstkritisch einräumen musste: https://youtu.be/xAYDBHYOzoE?t=293.
LG Michael Stöcker
Vielen Dank für den Link zu diesem tollen Redner, Lord Turner. So klar, so lebendig, so gut verständlich. Wer sein Englisch möcht aufpolieren… Und sehr interessant!
Danke fuer den Link. Besonders der Beitrag mit Lord Adair Turner hat mir gezeigt, dass es noch klar denkende Menschen gibt, die es wagen, dem sich zunehmend in Oberflaechlichkeiten verlierenden allgemeinen wissenschaftlichen bla bla bla etwas entgegenzusetzen.
Ein Unterschied zu damals ist, dass wir heute die PFZ haben.
Damals blieb den Unternehmen nichts anderes übrig als aus dem vorhandenen Pool an Leuten in CH die Mitarbeiter zu rekrutieren.
Heute ists anders! Da importieren Unternehmen viel einfacher einfach jemand aus der EU, als umschulen von Leuten.
Das Problem der PfZ haben wir sowieso. Auch ohne Automatisierung.
Es kann nicht genug betont werden, die PFZ ist für die Schweizer Arbeitnehmer mit den flankierenden Maßnahmen abgemildert worden. Sofern die Kantone die flankierenden Maßnahmen durchsetzen. Leider versucht die bürgerliche Politik dies ständig zu unterlaufen.
Es gibt aber keine flankieren Maßnahmen bei den höheren Berufskategorien. Hochschullehrer, Kader im Finanzwesen und der Industrie, genießen einen solchen Schutz nicht. Auch die EMS-Chemie hat Deutsche im Verwaltungsrat und der Direktion.
Bei der Schwarzenbach Initiative waren es die Arbeiter, die damals unter der Einwanderung litten. Deren Leiden war damals der Funktions-Elite ziemlich gleichgültig. Es gibt keinen Schutz mehr für die Schweizer Funktions-Elite, deshalb sind sie fanatisch gegen die EU und treue SVP Wähler.
Im Einzelfall und vorübergehend mag das stimmen. Die Schweiz hat aber die weltbesten Rahmenbedingungen. Bei grösserem Angebot an Arbeitskräften wächst die Wirtschaft deshalb in dieses Angebot hinein. Viel Wachstum kann man gut finden oder schlecht, erfolgreich per capita ist die Schweiz in beiden Szenarien.
Die PFZ besteht ja in beiden Richtungen. Es können auch Arbeitskräfte (z.B. ich selbst) ins Ausland abwandern. Das war auch im 19. Jh. schon so, als viele ehemalige Textilarbeiter ausgewandert sind.
Die PFZ geht in beide Richtungen. Aber der Sog zieht immer nur in eine. Die Schweiz zu verlassen ist unattraktiv. Wer die Schweiz verlässt und nicht irgendwo einen Chefposten besetzt, wird wegen dem tieferen Einkommen voraussichtlich nicht mehr so einfach zurück in die Schweiz kommen können, Lücken in der AHV und Pensionskasse haben etc.
@Reto Stadelmann: Ausnahmen (nebst „Chefposten“) sind auch klassische Schweizer Expats, welche für in der CH domizilierten Firmen mit CH-Verträgen befristet im Ausland arbeiten und dann wieder zurückkehren. Aber sonst stimme ich Ihnen zu, aus eigener Erfahrung.
Die Digitalisierung haben wir erfolgreich hinter uns, bevor stehen autonome Robotik und autonome Intelligenz. Das sind Technologien, an denen Menschen keinen Anteil haben, weder bei der Projektierung, der Entwicklung, Fertigung und weitgehend auch bei der Nutzung. Es eröffnet erstmals und einmalig in der Menschheit materielle und ideele Wertschöpfung, einschliesslich Regieren und Verwaltung, ohne Menschen. Deswegen gibt es keine Analogie zur Vergangenheit.
Es bleibt aber genug Arbeit für die Menschen, aber nicht mehr die an Dingen, sondern die an anderen Menschen. Ärzte verschwinden nicht, weil 50% der Heilung auf dem persönlichen Verhältnis Arzt : Patient beruht. Aber die Diagnostik, Therapieplanung überlässt der Arzt der KI. Die Domäne der Menschen aber ist und bleibt die Pflege.
Nur ganz wenige Menschen werden regieren und verwalten. Sie werden die 99 Prozent verwalten die keine Verwaltungsaufgaben haben, einfach weil es geil ist Macht zu haben und man den Pöbel ja irgendwie kontrollieren muss. Die Maschinen werden ihre Arbeit verrichten ohne das wir gross eingreifen müssen. Wer den Herrschern widerspricht, wird vom Strom der Güter den die Maschinen produzieren abgeschnitten.
Die perfekte Klassengesellschaft. Natürlich könnte es auch zu einer sozialen Utopie kommen. Aber ich glaube nicht an die Menschen. Wir machen uns unsere Hölle selber…
Ein Problem ist natuerlich auch der unausrottbare Glaube, dass man zu den 1% gehoeren wird. Solange wir uns derartigen Illusionen hingeben und nichts unternehmen, Entwicklungen umzuleiten, die zu solchen Extremszenarien fuehren, werden diese eintreten. Ich brauche China nicht gern als Beilspiel, weil es kein solches mehr ist. Aber, die enorm schwierigen Pruefungen, die es zu bestehen galt, um in den Staatsdienst aufgenommen zu werden, und der Druck, nicht wieder herauszufallen, koennten Indizien sein.
@Reto Stadelman
Da muss ich widersprechen. Autonome KI schliesst Menschen explizit von allen Leitungs- und Regelungsprozessen aus. Gerade deshalb ist der Posthumanismus das Ende der Klassengesellschaft. Es verschwinden alle Formen von Besitz, darunter Staaten und Geld. Damit gibt es keine Klassen. mehr.
Ich hoffe, dass sich das nie verwirklichen wird. In gewisser Weise ist der Mensch mit seinem Potential schon etwas ziemlich erstaunliches und, hoffentlich auch kein Auslaufsmodell.
Machen wir doch gleich menschenähnliche Roboter, die so denken und produzieren können wie wir Menschen. Roboter, wo wir auch benützen können für alles in unserem täglichen Leben, dass betrifft auch Sex. Wir haben dann so eine Rolle wie im Science Fiction Film Matrix.
Diese ganze Sache hat einen gewaltigen Hacken, bis diese totale Robotik läuft, müssen wir in Höhlen leben und auf jeglichen Komfort verzichten, da wir die Arbeit der ganzen Menschheit dafür aufwenden müssen.