Die Ökonomie der Weihnachtsgeschenke
Auf den Einkaufsstrassen und in den Läden wird es enger. In der Vorweihnachtszeit steigt die Hektik und bei manchen die Verzweiflung, was sie denn nun für Geschenke kaufen sollen. Viele Läden machen in diesen Tagen das grösste Geschäft des Jahres.
Das bedeutet aber nicht, dass der weihnachtliche Kaufrausch aus wirtschaftlicher Sicht eine gute Sache ist. Der amerikanische Ökonom Joel Waldfogel hält ihn sogar für eine grosse Verschwendung, oder im Jargon der Zunft für einen «grossen Wohlfahrtsverlust» (Deadweight loss). Seine Argumentation findet sich in einem Artikel, den die renommierte «American Economic Revue» bereits im Jahr 1993 abgedruckt hat. Im Jahr 2011 erschien auch die deutsche Übersetzung von Waldfogels Buch zum Thema, mit dem Titel «Warum Sie diesmal wirklich keine Weihnachtsgeschenke kaufen sollten».
Wie es zum Wohlfahrtsverlust kommt
Waldfogel argumentiert mit klassischer Mikroökonomie. Wer die Präferenzen einer anderen Person nicht perfekt kennt – was immer der Fall ist – der kann dem Empfänger kaum je das schenken, was dieser auch selbst am liebsten hätte. Und selbst wenn der Beschenkte im Voraus etwas wünschen darf, nennt er vielleicht nicht das, was er wirklich am liebsten hätte.
Was der Ökonom mit dem Wohlfahrtsverlust beim Schenken meint, kann man sich leicht vorstellen, wenn man schon einmal Produkte erhalten hat, die man beim besten Willen nicht brauchen kann. Als Schenkender hat man umgekehrt die Sorge, selber so etwas zu überreichen. Aber das Problem ist viel grösser: Selbst wenn ein Geschenk für den Beschenkten einen Nutzen stiftet, ist mit ihm oft ein Wohlfahrtsverlust verbunden. Wie Waldfogel durch Experimente zeigen konnte, würden die Beschenkten für ihr Geschenk meist weniger bezahlen, als die Schenkenden dafür ausgegeben haben. In diesem Sinn haben die Schenkenden Geld verschwendet.
Geld als genereller Gutschein
Eine gängige Lösung, mit diesem Problem umzugehen, liegt darin, Gutscheine zu verschenken. Dann kann der Beschenkte unter den gegebenen Möglichkeiten selbst etwas aussuchen. Aber auch hier bleibt seine Auswahl eingeschränkt. Der grösste Profiteur eines Gutscheins ist daher immer der Verkäufer, denn dieser kassiert den Betrag unabhängig davon, ob der Beschenkte das Geschenk auch nutzt.
Nötig wäre also ein allgemeingültiger Gutschein – also einer, mit dem der Beschenkte das einlösen kann, wofür er die grösste Präferenz hat. Diesem Gutschein kommt Geld am nächsten.
Obwohl Geld das ideale Geschenk ist, wenn der Nutzen des Beschenkten im Vordergrund steht, wird Geld selten geschenkt. Ein solches Geschenk gilt sogar als fantasielos, kalt und unangebracht.
Die Botschaft der Schenkenden
Fantasielos, kalt und unangebracht. Solche Worte bringen uns auf die Spur, worum es beim Schenken wirklich geht: Nicht nur um die Beschenkten, sondern auch um die Schenkenden. Sie wollen mit ihrem Geschenk auch etwas über sich mitteilen. Die Schenkenden wollen beim Geschenkeaustausch an Weihnachtenzum Beispiel auf keinen Fall fantasieloser oder knausriger erscheinen als andere. Der Austausch von Geld als Geschenk würde hier eine äusserst unerwünschte Transparenz schaffen. Und wenn tatsächlich alle den gleichen Wert schenken, wird die Schenkerei gänzlich absurd. Denn dann werden gleiche Beträge ausgetauscht, sodass man es gleich auch ganz lassen kann.
Mit einem Geschenk vermittelt der Schenkende bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt, weitere Botschaften: Er zeigt damit, wie originell, witzig, gescheit, feinfühlig oder reich er ist – oder er will mit dem Geschenk die Bindung zum Beschenkten stärken.
Fazit:
Ginge es einzig darum, für die Beschenkten das für sie Nützlichste auszuwählen, wäre Geld das beste Geschenk. Aber beim Schenken geht es auch um den Nutzen des Schenkenden und um die Verbindung zwischen Geber und Empfänger.
Der Ökonom Joel Waldfogel definiert das ideale Weihnachtsgeschenk in seinem Buch so:
«Das ideale Weihnachtsgeschenk ist ein sorgfältig ausgewähltes Produkt, das dem Empfänger Freude bereitet, ihr oder ihm eine neue Konsummöglichkeit eröffnet und zudem dafür sorgt, dass zwischen Geber und Empfänger herzliche Gefühle strömen. Dem Empfänger eine Freude zu bereiten, bedeutet, ihm (oder ihr) etwas zu liefern, das er sich gewünscht hätte, wenn er davon gewusst hätte. Kurz gesagt: Das ideale Geschenk ist besser als Bargeld.»
18 Kommentare zu «Die Ökonomie der Weihnachtsgeschenke»
Die Lösung liegt doch auf der Hand: Quittung mitschenken. So kann sich der oder die Beschenkte bei Missfallen das Geschenk eintauschen und etwas besorgen, dass den eigenen Präferenzen entspricht.
Ich schenke einem Toten einen Grabstein. Das ist aus ökonomischer Sicht natürlich ein kompletter Blödsinn, klar.
In Vietnam ist schenken Pflicht. Geschenkt wird Bargeld, im Kouvert. Wieviel man muss ist schwieriger. Aber hat wohl damit zu tun, dass die meisten da wirklich knapp sind mit Geld. Subjektiv ähnlich knapp mit Geld sind in der Schweiz Teenager, denen bereitet auch Geld am meisten Freude.
Bloss: Wenn das Schenken von Bargeld Pflicht ist, gehört man natürlich nicht nur zu den Beschenkten, sondern auch den Schenkenden. Womit das Ganze bloss ein Nullsummenspiel ist, wenn man Pech hat legt man sogar drauf. Inwiefern davon also jemand profitiert, ist nicht ganz klar. Gerade bei Leuten, die finanziell knapp dran sind, sind solche Rituale doch eher eine Belastung..
Man schenkt eben nicht gegenseitig, sondern vom wirtschaftlich Stärkeren zum Schwächeren: Von den Eltern, evtl auch grössere kinderlose Geschwister zu Kindern, oder von Erwachsenen zu ihren Eltern, vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, vom Kunden an an den Dienstleister. Und nicht zu Weihnachten, sondern zu Neujahr nach traditionellem Kalender. Da tröpfelt tatsächlich, aber ob davon der Stein je hohl wird bezweifle ich.
Ok, allerdings ist das dann aus anderen Gründen heikel: In geschäftlichen Beziehungen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnissen haben m.E. Geschenke eher wenig verloren. Arbeitnehmer etwa brauchen keine „grosszügigen“ Neujahrsgeschenke, sondern einfach einen fairen Lohn das ganze Jahr hindurch. Geschenke in dem Kontext zementieren eher traditionelle Rollenbilder vom allmächtigen Patron, der willkürlich darüber bestimmen kann, ob und wie die Angestellten bezahlt oder belohnt werden.
„Einem grossen geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul“ … bei den kleineren wird schon eher herumgemeckert …. :-))
Nicht nur unökonomisch, sondern unlogisch sind Sätze wie“ Seine Argumentation findet sich“ .Man könnte schreiben „Seine Argumentation steht in…“
Argumente kann man sicher finden, aber sie finden sich nicht selber. Das sind Germanismen.
Aber ich tendiere auch dezu, etwas zu veraschenken, das der Beschenket nicht selber gekauft hätte, weil es zu luxuriös aus seiner Sicht wäre. Dies jedoch nicht zu Weihnachten oder Geburtstagen, sondern dann, wenn ich etwas finde, das ich jemandem schenken möchte. Ökonomisch ist es jedoch nie, aber muss es das denn sein?
was sind Sie ein abgehalfterter LEHRER oder ein Klugschei….¨
also Pitsch es ist auch unwürdig immer alles besser zu wissen
Besonders peinlich ist Besserwisserei dann, wenn diese zudem noch kreuzfalsch ist. Natürlich ist „sich finden“ korrektes Deutsch und schlicht synonym für „vorfinden“. Allenfalls könnte man die Verwendung hier als unnötig komplizierte und altmodische Schreibweise kritisieren, aber „unlogisch“ ist daran nichts sofern man der deutschen Sprache mächtig ist.
Unlogisch ist vielmehr, dass Sie das Ganze als „Germanismus“ zu bezeichnen, denn kein Wort verwendet in Rahmen eines deutschsprachigen Texts kann ein Germanismus sein. Germanismen sind deutsche Wörter/Sprachelemente in anderen (!) Sprachen. Man sollte schon wissen, was ein Wort bedeutet, bevor man es grossspurig verwendet.
Ist nicht der wahre, innerste Grund des Schenkens, dass man schenkt, damit die beschenkte Person einen mag, das heisst, man will von dieser Person geliebt, anerkannt werden (Grundbedürfnisse: u.a. Geborgenheit, Anerkennung)?
ja bei uns gabs Gschenkli bis in die Schule dann gabs Skiferien und keine Päckli !wir Elter haben uns auch nie was zum Geburtstag geschenkt !warum ?ist überflüssig !hatten wenig geld dafür gab es dann selbstgebackenes !das reicht volkommen !habe im Dez Geburi 75 igsten und es gibt beim Sohn Kafi und Chueche . die Grösseren erzählen ein Gedicht eine spielt Handorgel !und das ist wunderschön !eifach zämehöckle isch gröste Gschenk FAM.
Ein Geschenk wäre eine verständlichere Ausdrucksweie 😉
Sie bringen es wirklich auf den Punkt!
super Kommentar man muss den Verengten Blickwinkel erweitern
Die Idee, dass Weihnachtsgeschenke etwas Nützliches sein müssen, kommt vermutlich nur Ökonomen, welche, Kraft ihres professionell verengten Blicks, davon ausgehen, dass alles, was Menschen tun, einen ökonomischen Sinn haben müsse 🙂
Man könnte auch andere menschliche Handlungen dem strengen ökonomischen Urteil aussetzen. Party? – Man wäre viel produktiver, wenn man diese Zeit zum Arbeiten nützen würde. Smalltalk? – Der tatsächliche Informationsaustausch ist sehr gering und könnte mit geeigneten Mitteln mit einem Bruchteil des Aufwandes erfolgen. Flirten, Schmusen, Küssen etc.? – Es wäre sehr viel effizienter, direkt zur Sache zu kommen und den Rest der Zeit zur Erhöhung der Produktivität zu nutzen.
Ich denke, in diesem Sinn muss man auch Geschenke sehen. Stimmt: Sie sind ineffizient.
@Stefan W.
Guter Kommentar, aber man muss den Vorteil des Schenkens ja nicht in in Währung messen, Vorteil ist auch Freude: Ein ideales Geschenk ist eines, dass sich der Beschenkte nicht kaufen kann (Markt zu dem er keinen Zugang hat, z.B. weil weit weg, ein Flohmarktfundstück usw.) oder was weniger schwieriger ist, etwas was sich der Beschenkte nicht kaufen will, weil er es sich nicht gönnt: Einem Villiger Raucher eine 100 CHF Zigarre, einem Vecchia Romagna Trinker einen guten Cognac, einer Prosecco Trinkerin ein Jahrgangschampagner. Die Vernunft, der Mehrwert des Schenkens liegt gerade darin, dass ein gutes Geschenk aus Sicht des Beschenkten unvernünftig, überflüssiger Luxus ist, zu welchem ihm die Vernunft den Zugang verweigert.
@ Stefan
Der Fehler dürfte in der Überlegung stecken, dass „Homo oeconomicus“ einzig und alleine materielle Aspekte in seiner Entscheidung berücksichtigt. Es scheint den Econometricians fremd zu sein, dass der Mensch nicht allein vom Brot lebt.