Top-Handelsbilanz trotz Frankenschock?

Starke Exportleistung der chemisch-pharmazeutischen Industrie: Pharma-Unternehmen Acino in Basel. (Foto: Gaetan Bally/Keystone)
Der Frankenschock hat negative Wirkungen gehabt, wie neuere Studien im Auftrag des Seco zeigen. Sie sind alle in der neusten Ausgabe des Magazins «Die Volkswirtschaft» zusammengefasst (Link).
Erstaunlicherweise aber ist der Handelsbilanzüberschuss kaum geschmolzen. Gemäss Lehrbuch müsste eine Aufwertung eine Zunahme der Importe und eine Abnahme der Exporte herbeiführen. Davon sehen wir in den Aussenhandelsdaten aber wenig. Wie folgende Grafik zeigt, stieg der gesamte Aussenhandelsüberschuss 2015 insgesamt stark an.

Wie könnte man dies erklären, dass sich die Handelsbilanz ausgerechnet 2015 verbesserte – sowohl was die Gesamtexporte anbelangt (blauer Balken) wie auch die Gesamtexporte ohne chemisch-pharmazeutische Produkte?
Ein Grund könnte sein, dass die Firmen die Importe stark gedrosselt haben, weil sie ihre Lager abbauen und ihre Investitionen verschieben wollten. Ausserdem sind die Importpreise wegen des Aufwertungsschocks 2015 stark gesunken.
Allerdings überrascht das Ausmass. Die Importe sind 2015 auf 166’392 Millionen Franken gesunken gegenüber 178’605 Millionen Franken im Jahr 2014. Beim ersten Frankenschock von 2010–11 sehen wir keinen vergleichbaren Einbruch der Importe.
Ein anderer Grund ist die starke Exportleistung der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Die obige Grafik deutet dies bereits an. Der blaue Balken (Gesamtexporte) stieg von 2015 stärker an, als der graue Balken schrumpfte. Die untere Grafik bestätigt diesen Trend. Offenbar haben vor allem die Exporte in die USA enorm zugenommen. 2016 waren diese Exporte erstmals höher als diejenigen nach Deutschland.

Damit verbunden ist eine dritte Erklärung, die auf der speziellen Rolle des US-Dollars beruht. Die zunehmende Rolle des Dollarraums führt dazu, dass ein immer grösserer Teil des Aussenhandels im Dollar abgewickelt wird und kaum mehr mit den kurzfristigen Schwankungen des Frankens verbunden ist.
Diese dritte Erklärung ist für die Schweiz kaum erforscht. Aber sie dürfte zumindest einen Teil des Aussenhandelsrätsels erklären. Eine neuere Untersuchung kommt zum Schluss, dass eine bilaterale Abwertung um 1,0 Prozent zu einer Veränderung des bilateralen Aussenhandels um nur 0,1 Prozent führt (Quelle).
Eine der Autorinnen dieses Papers, Gita Gopinath, hat kürzlich ihre Erkenntnisse an einer Tagung des Peterson Institute for International Economics in Washington vorgestellt. Ihre erste von zehn Thesen lautete entsprechend: Die Wirkung von flexiblen Wechselkursen wird stark überschätzt (Video, Paper).
Um den schweizerischen Aussenhandel zu verstehen, bräuchten wir also noch viel mehr Einblick in die Mechanismen der Preissetzung der Schweizer Exporteure und Importeure. Die Makro-Sicht ist zu ungenau – wie bei vielen anderen Themen auch.
14 Kommentare zu «Top-Handelsbilanz trotz Frankenschock?»
das heutige fiat-papiergeldsystem stosst immer offensichtlicher an seine grenzen. aus historischer sicht hält ein geldsystem rund 70 jahre, dann folgt der zusammenbruch. und wir stehen heute so nahe davor wie noch nie.. die anzeichen sind für uns unübersehbar. natürlich steht dies alles nicht im mainstream der banken….. dazu brauchen sie ausgewählten quellen global. ich beschäftige mich mit der grossen finanz-weltlage schon über 20 jahre. die machtpole dieser welt verschieben sich immer eindeutiger von den usa zu china. china geht strategisch sehr geschickt vor und will den yuan international durchsetzen, vor allem im rohstoffhandel bzw. rohöl, aktuell mit saudi-arabien, und genau hier liegt der schlüssel des noch bestehenden petro-usd-packts zwischen usd und saudi-arabien. dieser ist si
„Importe“ Werden die Importe der über die Grenze einkaufenden erfasst? vermutlich nur, wenn CH MWST bei der Einfuhr bezahlt werden müssen und werden, also wohl nur ein kleiner Teil?
„Exporte“ Pharma ist keine industrielle Tätigkeit. Die Herstellung der Pillen ist der einzige industrielle Teil. Der Teil der Produktionskosten am Gesamtaufwand ist derart unwichtig und mit minimalem Personaleinsatz zu bewerkstelligen, dass selbst mit Auslagerung in ein Billiglohnland mit billigem Boden und billiger Energie keine relevanten Einsparungen erzielt werden können.
Und Pharma ist die einzige Exportbranche, welche boomt.
Meyer Burger hat gerade beschlossen, die Produktion in der Schweiz dicht zu machen.
Ihr Kommentar, geehrter Anh Toàn ist präzise und trifft den Punkt. Ein Vorbild für meine Kommentare. Ich muss aufpassen, ein Problem nicht zu langfädig und zu kompliziert zu erklären.
Interessant bei Meyer Burger ist, dass die nach China transferierte Produktion die Herstellung von hochspezialisiertem Werkzeug betrifft: Investitionsgüter, die bisher wenig preissensitiv und weder von der Lohnkostendiskrepanz noch vom Auf und Ab der Währungen gross betroffen waren. China nimmt sich eben jetzt die bisherigen Top Predators in diesen Bereichen vor, dazu gehören vornehmlich auch die Schweiz und der Grosse Kanton.
Am anderen Ende des Spektrums eröffnet Foxconn neue, weitgehend automatisierte Fertigungshallen in den USA. Auch dank der deutschen und japanischen Autoindustrie gibt es da in gewissen Staaten relativ gut ausgebildete, billige Arbeitskräfte (selbstverständlich ohne Gewerkschaften), mit denen die verbleibenden Jobs in diesen Fabriken betriebswirtschaftlich rentabel besetzt werden können.
Die Zeiten des Billiglohnlandes China sind langsam vorbei. Die wollen ganz an die Spitze und sind es teilweise schon. Und die Trumpianer dürfen dabei erst noch glauben, ihr Idol bringe die „Industriearbeitsplätze“ wieder zurück nach Hause. Win Win eben.
In diesem Kontext darf nicht unterschlagen werden, dass der sogenannte Frankenschock durch die massiven Eingriffe und Erweiterung der Bilanz der SNB recht stark abgemildert wurde.
Der Franken-Schock war eben gar nicht so sehr ein Franken-Schock, sondern eine generelle EUR-Schwäche. Gegenüber dem USD war der CHF in den letzten Jahren nie eklatant überteuert. Sogar gegenüber dem EUR ist die Ueberteuerung nur sektoriell, etwa im Vergleich der DE und CH-Maschinenbauer.
Nach Ihrem Kommentar war also die Bedenken der Exponenten der Maschinenbauer nur ein leichtes Säuseln im Teich der Wirtschaft. Diese Ansicht ist mit Verlaub gesagt nicht korrekt. Das Problem war ja, dass sich die Austausch-Relationen zwischen US$ und € zulasten des € verschoben. Für die Fertigwaren-Zone von € Europa ein gewaltiger Anstoß und war neben der Geldpolitik der EZB der wesentliche Multiplikator-Effekt für die heutige Konjunktur, die auf eigenen Kräften sich erholt und nicht durch eine weitere massive Verschuldung wie die USA gegenüber dem Ausland, wo China, die Schweiz und bis vor kurzem auch Russland das meiste zur Aufstockung der US-Schulden beitrug. All dies in US$ und nicht in CHF-Roosa Bonds wie früher.
Es zählt die Gesamtverschuldung der €-Zone gegenüber Nicht-$ Mitglieder und dessen Wachstum und die war eindeutig viel geringer als diejenige der USA. Die USA hat sich gegenüber dem Ausland exzessiv verschuldet und nicht die €-Staaten gegenüber der übrigen Welt. Die Leistungsbilanz der €-Zone zählt und nicht die Leistungsbilanz der einzelnen €-Länder. Also was haben die Leute weltweit in der Hand, US$ Schuldtitel. Den $ sollte objektiv einen Kurs von 60 Rappen pro Franken haben, um ihre weitere Schuldenaufnahmen zu stoppen und das wäre unter Umständen keine Lösung, weil Wall Street die Industrie vernichtet hat, was auch zur Wahl von Trump führte. Das die Rassisten vom Bible Belt nicht Hillary wählen war klar, aber die Arbeiter in Michigan und Wisconsin wählten Trump.
Wisconsin der Stolz der deutschen Auswanderer mit ihrer Maschinenindustrie. Folgerichtig wird der US$ nur noch getragen vom Vertrauen in die politische Stabilität der USA und nichts anderes, im Gegensatz zum Euro, dessen Vertrauen auf objektiven Gegebenheiten aufbaut. Ferner ist die Noten-Druckerei für den $ in Washington das grösste Goldbergwerk der Welt. Diese Realität zählt mehr als die Diskussion um den Euro. Was die Regierungen weltweit lieben, dass sie jederzeit ohne große Krawalle ihre Währungen im Austausch-Verhältnis zum $ stabil halten können oder sogar ihre Währung mäßig abwerten, was ihre finanzielle Lage erleichtert, der Grund für das Gopinath Papier.
Dieser Zustand kann durchaus noch mehr als 10 Jahre dauern, aber bei dem chaotischen Mr. Trump kann es früher wackeln.
Es ist auch festzustellen, dass die USA mehr Fertigwaren importieren als exportieren. Die haben gegenüber praktisch allen Industrieländern in Europa und Ostasien ein Handelsbilanz-Defizit+dieser Vorgang setzt sich auch fort bei dem Import von Fertigwaren aus Schwellenländern. Dies muss man sich mal vorstellen. Um 1900 war die United Shoe Machinery Corporation der absolute Weltmarkt-Führer betreffent Maschinen für die Produktion von Schuhen. Gar nichts mehr davon!
Silicon Valley mit Apple und HP produzieren in China, nur die Entwicklung ist noch USA. Als US Politiker sollte man graue Haare davon kriegen. Tesla hat neuerdings Schwierigkeiten in der Qualität beim Absatz ihrer Elektro-Autos.
Eindeutig ein Mangel an gewerblicher Ausbildung.
Uns darauf baut der Welthandel mit der Währung $!
Man müsste eigentlich den Welthandel nach Rechnung in die zwei Währungen $ und € aufteilen. Man wäre überrascht, wie wenig die anderen Währungen in diesen Export-Rechnungen erscheinen. Es gibt natürlich Spezialfälle, wie der Gas-Deal zwischen Russland und China, ob der wirklich nur in Yuan gemeißelt ist, wage ich bezweifeln.
Zurückkommend zum Pharma-Handel behaupte ich nun folgendes. Es hat für die Basler Pharma keinen Sinn bei Pillen die Wertschöpfung sehr auseinander zu brechen. Pillen haben ein ganze andere Kostenstruktur als eine Spinnerei-Maschine, eine Werkzeugmaschine oder ein Transformator. Kommt noch dazu das unsere Pillen oft Patentschutz haben und deshalb im Preis unelastisch sind.
Ich hätte auch nie gedacht, dass Luxus-Uhren mit ihrem hochgelobten Brand derart abgeben.
Die Rechnungen der Pharma-Industrie sind hauptsächlich in $, fast gleichauf in €. Auch die Rechnung nach China und Japan sind in $ fakturiert, die nach England UK nicht mehr in £, sondern auch in €. In welcher Währung die Rechnungen ausgestellt werden, ist aus Handelsstatistik nicht erkennbar. Meiner Meinung nach eine folgenschwere Auslassung, innerhalb der Zahlen des Außenhandels. Es ist nun einmal so, dass das Austauschverhältnis zum Dollar praktisch von den Zentralbanken aller Länder immer auf gleichem Niveau tendiert oder sogar eine Abwertung hervorruft. Nur die Schweiz ist da der weiße Rabe in Richtung Aufwertung zum $, im geringeren Masse sind es auch Japan und die Euro-Zone. China weiß nie so recht soll es den Weg von Japan gehen oder sich jeder Entwicklung des $ anschließen.