Die Finanzmärkte und die Zukunft des Euro

Die Anleger rechnen nicht mit ihrem Sieg: Marine Le Pen. Foto: Christian Hartmann (Reuters)

Seit etwa einem halben Jahr steigen die Zinsdifferenzen innerhalb der Eurozone wieder. Selbst der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich nimmt zu. (Die Grafik zeigt die Zinsdifferenz zwischen den deutschen und französischen zehnjährigen Staatsobligationen.)

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Wie muss man diese neue Unsicherheit einschätzen? Droht ein Szenario wie im ersten Semester 2012, als viele Anleger auf den Zerfall des Euro wetteten? Wie die nächste Grafik zeigt, erreichte die Zinsdifferenz damals fast zwei Prozent.

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Eine Wiederholung ist unwahrscheinlich. Im ersten Semester 2012 konnte die Unsicherheit nur so stark werden, weil die EZB damals noch keine Garantie für die Übernahme der Staatsanleihen abgegeben hatte. Die Anleger mussten damit rechnen, dass sie bei einem Bankrott eines Euro-Mitglieds tatsächlich hohe Verluste einstecken würden. Heute steht die EZB nach wie vor hinter ihrer Garantie.

Das Überleben des Euro

Gleichwohl darf man die erhöhten Zinsdifferenzen in der Eurozone nicht ignorieren. Der EZB-Ökonom Roberto de Santis hat versucht, die Gründe dahinter anhand der Beispiele Frankreich und Italien besser zu verstehen. Er kommt zu interessanten Ergebnissen.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen Risikoerwartungen. Abstimmungen, Wahlen oder überraschende politische Entwicklungen können Unsicherheit verursachen. Diese Unsicherheit kann verschieden stark sein.

  • Wenn negative politische Ereignisse das Überleben des Euro direkt gefährden, spricht de Santis von einem Redenominationsrisiko, das heisst, es besteht eine Chance, dass der Euro in einem bestimmten Land durch eine neu eingeführte, abgewertete Währung ersetzt wird.
  • Wenn sie das Überleben des Euro nicht direkt bedrohen, spricht de Santis von einem politischen Risiko.

Als Nächstes nimmt de Santis die Unterschiede bei den Kreditversicherungen (CDS), um die Risikoerwartungen der Anleger zu schätzen. Die nächste Grafik bildet die Ergebnisse ab:

http://voxeu.org/sites/default/files/image/FromMay2014/desantisfig3.png

Die beiden Kurven zeigen das Redenominationsrisiko für Italien und Frankreich anhand der drei- und fünfjährigen Staatsanleihen. Auf einen Blick sieht man, dass die beiden Länder ganz unterschiedlich beurteilt werden.

  • In Italien ist das Redenominationsrisiko stark gestiegen. Es erreicht mittlerweile wieder eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Dieser Wert liegt zwar weiter unter dem, was 2012 zu beobachten war, aber er steigt seit rund zwei Jahren kontinuierlich an, obwohl die EZB den Aufkauf von italienischen Staatsanleihen garantiert. Das ist beunruhigend, wenn auch wenig überraschend. Italien ist einer der grössten Verlierer der Währungsunion.
  • In Frankreich ist das Redenominationsrisiko vernachlässigbar. Offenbar rechnen die Anleger nicht mit einem Sieg von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen. Warum steigt die Zinsdifferenz gegenüber Deutschland trotzdem an? Anscheinend sehen die Anleger ein erhöhtes politisches Risiko. Sie glauben, dass Frankreich unter Emmanuel Macron weiter stagnieren wird, weil keine Mehrheit für Reformen vorhanden ist.

Alles ist möglich

Natürlich haben sich die Anleger schon oft geirrt. Beim Brexit und der Trump-Wahl haben sie die Wahrscheinlichkeit einer Überraschung unterschätzt, beim Verfassungsreferendum in Italien haben sie die negativen Folgen einer Ablehnung überschätzt. So ist alles möglich: eine Wahl von Le Pen wie eine schnelle Verminderung der Zinsdifferenz nach einer Niederlage Le Pens.

Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Die Zinsdifferenz steigt, obwohl Le Pen verliert. Dann wäre das Gleichgewicht zwischen Deutschland und Frankreich noch stärker bedroht, als es ohnehin schon ist.

12 Kommentare zu «Die Finanzmärkte und die Zukunft des Euro»

  • Jean-Claude Schmitz sagt:

    D hat F schon lange abgehängt, einem Leistungs-Bilanz-Plus von 280 MIA € bei D steht ein Minus von ~30 bei F gegenüber, Jahr für Jahr.
    In D werden die Chefs und Besitzer reich, in F meistens ärmer.
    Leider macht man in D nichts mit dem vielen Geld, weder investiert man es richtig, noch gibt man es aus.
    Sodass im Endeffekt fast niemand etwas davon hat.
    Die Schuld allerdings, welche diesem vielen Geld entgegensteht, wächst und bedrückt die Leute, welche sie aufgenommen haben, ohne dass sie eine faire Chance bekommen, es wieder zurückzuzahlen.
    Nur leben diese Leute eben nicht in D.

    • Josef Marti sagt:

      Im Falle der USA sind weder die dortigen Schuldner noch die deutschen Gläubiger ernsthaft daran interessiert diese Schulden zurückbezahlt zu bekommen. Wer will schon Schulden zurückbezahlt kriegen? – das können nur solche Mongos sein die Kredite vergeben.

    • Johannes sagt:

      Herr Schmitz, gestatten Sie mir bitte ein paar Fragen zu Ihrem Text. Ich komme nicht genau dahinter, was Sie meinen. Chefs und Besitzer werden in Frankreich ärmer? Wie belegen Sie das und wen genau meinen Sie?
      Bezueglich Geld und Deutschland, was wäre Ihrer Meinung nach richtig investiert?
      Was ist eine Faire Chance Ihrer Meinung nach?
      Vielen Dank

  • Aldo Berger sagt:

    „Alles ist möglich.“ Ökonomie-Professoren sind eher Astrologen als Astronomen.

  • Josef Marti sagt:

    F ist in einer bequemen Position und hat im Gegensatz zu I dank dem Euro praktisch keine Probleme, die BIP Schuldenquote ist massiv tiefer und eine ansteigende Zinsspreizung trifft bei über 130% BIP Schuldenquote Italien ziemlich empfindlich. Die Italiener üben jetzt unter den Daumenschrauben des Euro mal richtigen Selbstmasochismus, das tut denen ganz gut.
    F hingegen ist dank dem Euro der ganz klare Sieger der Währungsunion, dank guter Produktivität leisten sie sich ein hohes Preis- und Lohnniveau, 35h Woche und gehen erst noch früh in Rente, daran wird Macron sicher nichts ändern können, es bleibt alles beim Alten.

  • Rolf Zach sagt:

    Nur zur Information, die Lateinische Münzunion basierte um 1900 auf Goldparität ihrer Mitglieder (Mitglieder waren u.a. Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz), sie hatten aber keine einheitliche Zentralbank wie die Eurozone mit der EZB, ein wesentlicher Unterschied. Abgesehen bestand die Lateinische Münzunion in der Schweiz bereits vor der Gründung unserer Nationalbank 1907, aber auch dann blieb die Schweiz ein Anhängsel des Pariser Geldmarkts bis 1914.
    Ich habe es immer betont und wiederhole es ständig, der Euro ist die Reservewährung No. 2 der Welt und die Mitglieder mit ihrem Volumen sind in der Mehrheit der volkswirtschaftlichen Zahlen, trotz allem besser aufgestellt als die USA. Mit einer Reservewährung kann man zu 100 % nach den Lehren von Keynes und Kalecki vorgehen.

  • Rolf Zach sagt:

    Frankreich hat ein Leistungsbilanzdefizit von 1,4 %, Italien einen Überschuss von 2,2% des Volkseinkommens. Beide Länder haben durchaus Waren, die auf den internationalen Märkten mehr gefragt sind als diejenigen von Großbritannien.
    Man sollte auch immer beachten, dass eigentlich immer die gesamten Zahlen der Außenwirtschaft der Eurozone zu beachten sind. Die Leute sprechen immer von der ungenügenden Kohäsion in der Euro-Zone. Praktisch alle ihrer Mitglieder sind Sozialstaaten und wenn sie es nicht so sind wie die Slowakei, wird deutlich im Ministerrat Tacheles geredet, wenn ein Mitglied wie Griechenland völlig aus dem Ruder schlägt. Wie hoch in Prozenten des BSP sind die Ausgaben eines Staates für die Zinsen seiner Schuld mit Euro oder ursprünglicher Währung? Sicher geringer!

  • Joachim Ziemssen sagt:

    Statt sich mit Frankreich gemeinzumachen und eine Strafaktion für Großbritannien vorzubereiten, täte Deutschland gut daran, von den Plänen für eine Vertiefung der EU Abstand zu nehmen. Deutschland sollte sich nicht den Wünschen der EU-Kommission fügen und aufhören, die europäische Einigung mit zwei Geschwindigkeiten voranzutreiben. Das hat Europa zutiefst gespalten. Verfolgt man ihn auch weiterhin, wird nach Großbritannien nicht nur Polen ins Abseits gedrängt, sondern letztlich auch Dänemark, Schweden, Tschechien und Ungarn. Wer nun speziell der Eurozone als Reaktion auf den Brexit zu mehr Staatlichkeit verhverhelfen will, spaltet den Norden und Osten ab, zieht eine Trennlinie quer durch Mitteleuropa und macht Deutschland zum Anhängsel und Zahlmeister einer neuen lateinischen Münzunion.

    • Rolf Zach sagt:

      Sie reden von Strafaktion gegen Großbritannien?
      So ein Unsinn! Wenn Sie nicht mehr Mitglied in Ihrem Golfclub sind, gewinnen Sie nicht nur Geld, weil Sie Ihren Mitgliedsbeitrag nicht mehr zahlen, sondern auch alle übrigen Vorteile eines Golfclubs, nämlich den Sport an sich und das Netzwerk der Mitglieder untereinander. So hat Großbritannien gehandelt!
      Warum wird Polen ins Abseits gedrängt? Die Polen sind die Letzten, die aus der EU austreten, weil ihr Wirtschaftswachstum wegen der EU eingetreten ist und sicher nicht wegen Putin. Die Polen sind in der EU bekannt für „Fünfer und Weggli“ Politik, übrigens schmeißt Großbritannien ihre Polen aus dem Land und nicht die EU.

      • annagreth sagt:

        Die EU behauptet, Grossbritannien schulde ihr bei einem Austritt mehrere Milliarden EUR. Das ist nichts als eine politische Strafaktion.

    • Martin sagt:

      Selten so viel Unsinn auf einmal gelesen. Merkel ist die Einzige in der EU, die schon mehrfach betont hat, sie will unbedingt vermeiden, daß die Brexit-Verhandlungen wie eine Strafaktion wirken. Es gibt genügend EU-Staaten, die gerade eine EU der zwei Geschwindigkeiten gehen wollen, es bisher aber nicht können. Die Geschwindigkeiten beziehen sich weniger auf die Wirtschaft (dort wird es niemals eine gleiche Geschwindigkeit geben), sondern gerade auf Rechtsstaatlichkeit und Solidarität, und da sind nicht die von Ihnen genannten Länder ins Abseits gedrängt worden, sondern sie haben sich selbst ins Abseits gestellt – bei als selbstverständlich erachteten Zuwendungen derer mit höherer Geschwindigkeit. Wer nicht austritt, akzeptiert die Regeln, wie überall.

      • annagreth sagt:

        Die Geschwindigtkeit bezieht sich AUSSCHLIESSLICH auf die Wirtschaftsentwicklung. Wenn Sie das nicht verstehen, sollten Sie sich nicht produzieren; es ist nur peinlich. Oder vielleicht versuchen Sie mal mit einem Solidaritätsscheinzu zahlen.

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